Diese Geschichte ist Varden Roegner gewidmet, dem Verrückten mit dem Frettchen, weil er's einfach verdient hat!
Warnung an die ganz schwachen Gemüter: Enthält Andeutungen von Gewaltszenen.
Das Weiß seiner Zähne leuchtet schwach durch die schwere, rauchgeschwängerte Düsternis, schält sich zwischen zwei schmalen Lippen hindurch, die sich zu einem verstörend befriedigtem Grinsen verzerrt haben. Es ist nur eine kleine Bewegung seines Mundes, eine kaum wahrnehmbare Veränderung seiner Mimik, die jedoch einen erstaunlich großen Unterschied macht. Seine Mundwinkel, die sich in die bleiche Haut seiner Wangen graben, der Rechte ein wenig tiefer als der linke, erzeugen kleine Fältchen um sich herum, die, vertieft durch die ihn umwogenden Schatten und belebt durch das Flackern des Herdfeuers, bis zu seinen brennend orangefarbenen Augen hinaufwandern.
Auf eine verschrobene Weise erreichen mit diesem Grinsen jedoch nicht nur Freude die glühenden Iriden, sondern auch Gier und Besessenheit, die diese in einem irrwitzigen, kalten Glanz erstrahlen lassen.
Der hagere Mann richtet sich auf, streckt seinen Rücken durch, um ihn die Schmerzen der lange angehaltenen, gebückten Haltung vergessen zu machen. An sich hinunterblickend bemerkt er eine Fussel auf seinem prunkvollen, dunkelgrünem Gewand, die kurzerhand von zwei langen, schmierigen Fingern weggeschnippt wird. Als nun anstatt der Fussel eine lange dunkle Schliere auf der Robe zurückbleibt, entfährt ihm ein entnervtes „Tsk!“. Das hätte er auch vorher wissen können.
Nach einem kurzen Stirnrunzeln ist der Makel auf seiner Kleidung jedoch schnell wieder vergessen, da sein Blick sich bereits durch die rauchgeschwängerten Schatten wieder zu seinem Experiment durchgekämpft hat. Mit leicht zusammengekniffenen Augen mustert der hagere Magier sein Forschungsobjekt, kritisch noch einmal jedes Detail begutachtend.
„Hmm… Das sieht doch schon ganz gut aus. Aber irgendwas… irgendetwas fehlt noch. Oder? Was meinst du dazu, Arthur?“
Der letzte Satz wird an einen Knubbel unter seiner Robe gerichtet, der sich nun langsam aber beständig zum Kragen des Weißblonden Magiers hocharbeitet. Nach und nach kommen eine zuckende Nase, Schnurrhaare, jede Menge schwarzes Fell und schließlich vier tiefrote, sich unabhängig voneinander bewegende Augen zum Vorschein, die zu allem Überfluss auch noch bei jeder Regung ein schmatzend-quietschendes Geräusch verlauten lassen. Nachdem sich die vier Augen einige Herzschläge lang in sämtlichen Richtungen umgesehen haben, richten sie sich alle gleichzeitig auf das Gesicht des Magiers. Das mollige Wesen legt seinen Kopf schief und stößt ein leises Fiepen aus.
„Ja, ja, du hast Recht, Arthur…“, brummt der Magier, sich zu einem Regal in seinem Rücken zuwendend,
„Da fehlt eindeutig noch etwas Flüssigkeit… Vielleicht ein wenig Quecksilber? Und etwas Hitze könnte auch noch dazu.“ Das Grinsen wieder auf seinen Lippen, den Blick jedoch abwesend in eine sich nur ihm erschließende Gedankenwelt gerichtet, nickt der Blondschopf zum Herdfeuer. Die Bewegung wird von drei der vier ungewöhnlich intelligent dreinblickenden Frettchenaugen verfolgt und mit einem weiteren Fiepsen quittiert.
„In Ordnung, dann versuchen wir’s mit erhitztem Quecksilber… Außen oder Innen? Na, mal sehen…“
Während der Magier beginnt, mit einigen Gefäßen zu hantieren, um die glänzende Flüssigkeit mit möglichst geringen Schäden für die eigene Gesundheit auf eine anständige Temperatur zu erhitzen, erklingt in seinem Rücken ein Scharren auf dem von diversen Substanzen verfärbtem Felsboden, dem der Blondschopf jedoch keine Aufmerksamkeit widmet.
„Arthur, in meinem Ärmel müsste noch ein Keks für dich sein, geh ihn dir mal holen, mein Lieber, das wäre gerade besser für dich!“ fordert er sein Haustier auf, ehe er seine Konstruktion übers Feuer hängt.
Das Scharren wird beharrlicher.
Ächzend bückt sich der hagere Mann nach einigen Tannenzweigen und zwei schmalen Buchenscheiten, um mit ihnen die Flammen seines Herdfeuers zu Bestleistungen anzufachen.
Versonnen folgen seine Iriden den wirbelnden Bewegungen des sich erwärmenden Quecksilbers, ihn in unnachvollziehbare Fantasien hinabziehend. Als das Geräusch in seinem Rücken jedoch nicht nachlassen will, sondern sich erdreistet, durch ein Wimmern ergänzt, sogar noch lauter und nervtötender zu werden, reißt sich der Magier mit einem Blinzeln aus seinem Tagtraum und wendet sich um. Zunächst verschießt er einen finsteren Blick, der nach einem tiefen, resignierten Seufzen langsam in den Untiefen seiner Habichtaugen verschwindet.
„Hört mal, wir befinden uns in einer Hütte mitten im Wald, in einem mehrere Meter tiefen, in soliden Fels geschlagenen Keller. Es gibt keinen Weg raus und hören wird euer Geschrei gleich auch keiner. Also, tut mir verdammt noch mal den Gefallen und seid endlich still, ja?“
Beendet wird diese Bitte, die zunächst noch recht aggressiv geklungen hatte, nun von einem gefährlich sanftem Tonfall, der an einen tiefen, noch still daliegenden Morast erinnert.
Das Aufblitzen der Zähne des Magiers, als dieser seinem Versuchsobjekt über die Schulter ein diabolisch angehauchtes Grinsen zuwirft, spiegelt sich als heller Schimmer für den Bruchteil einer Sekunde in einem schreckgeweiteten, grauen Augenpaar wider.
Gemächlich wendet der Magier sich wieder dem Herd zu, um das mittlerweile blubbernde Quecksilber herunter zu nehmen…