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Als die Wirkung des Alkohols nachzulassen begann, stieß Chester ein genervtes Schnauben aus. Der Weg zurück zum Lager des Trupps war auch so schon unangenehm genug, da mussten die Schmerzen nicht auch noch sein die ihr durch das Gesicht zuckten. Der Sand unter ihren Stiefeln knarrte mit jedem neuen Schritt und das Rauschen des Meeres zu ihrer Rechten lenkte nur mäßig ab von den immer wieder zurück kehrenden Gedanken bezüglich der letzten Tage. Nach der Rückkehr aus dem Dschungel war der alte Zaishen nicht mehr der Mann, den sie mal kannte. Es waren keine dämlichen Sprüche die sie trafen, oder verabscheuende Blicke sondern der Stahl eines Dolches. Nicht nur sie wurde Opfer dieser immensen Aggressionen die von ihm ausgingen, sondern auch alle anderen. Drei Tage hat man versucht ihn einzudämmen und zurück zu halten, doch irgendwann war die Gefahr zu groß andere zu involvieren und man zog wieder aus der Stadt hinaus. Man flüchtete regelrecht. Kaum fand man sich wieder gemeinsam außerhalb ein ging das Grauen einfach nahtlos weiter. Weiteres Knirschen von Sand links von ihr rissen sie aus ihrer Gedankenwelt und der Blick aus müden, dunkelgrünen Augen fand zur schlanken Gestalt von Cornerstone, der mit ihr den Strand entlang abging. "Warst ganz schön was weg.. und hast vermutlich gesoffen." Sie grummelte bei seinen Worten, nickte jedoch etwas und sah wieder vorwärts. "So ist es.", murmelte sie von einem Tuch abgedämpft, das ihre untere Gesichtshälfte verhüllte. "Musste einfach mal weg." "Hättest mich mitnehmen oder mir zumindest was mitbringen können." Chester winkte leicht in seine Richtung ab, leger und plump. "Das nächste Mal vielleicht."
Der Wind pfiff durch das offene Fenster und soweit es ihr möglich war, ignorierte sie sowohl diesen Umstand als auch die Tatsache, dass das angehende Licht des Tages genau in ihren Raum hinein schien und damit einfach alles erhellte. Der Bau der Hütte zwang sie regelrecht dazu ein Frühaufsteher zu sein. Mit einem Griff auf den schlichten Holztisch vor ihr, vorbei am abgelegten Mundtuch, fasste sie einen Handspiegel und hob ihn anwinkelnd an um das Desaster näher zu betrachten, das ihr seit Stunden den Schlaf verwehrte. Ein übler Schnitt bahnte sich seinen Weg von ihrer rechten Kinnseite hinauf und spaltete ihre Lippen, bevor er links an ihrer Nase vorbei zog und nach gut der Hälfte Richtung Auge einfach aufgab. Dunkler Garn wurde dafür verwendet diese Schlucht durch das Gewebe zusammen zu ziehen und dennoch wollte es nicht wirklich verheilen. "Verflucht, das war es mit der Aussicht auf eine dünne Narbe.", seufzte Chester leise aus. Sie hatte sich an die Vorlage gleich beider anderer Ärzte gebeugt und das Rauchen komplett aufgegeben, zumindest solange die Wunde im kritischen Zustand war was die Regeneration des Gewebes anbelangte und dennoch machte ihr irgendetwas einen Strich durch die Rechnung. Aber lange grübelte sie nicht über diesen Umstand, es wurde sogar ziemlich schnell akzeptiert und mit der freien Hand am Gürtel rumhantiert, bevor sie das richtige kalte Metall zwischen ihren Fingern spürte und eine chirurgische Schere aus der Schlaufe zog.
Als sie gerade sehr vorsichtig dabei war die Oberlippe von der ersten Naht zu befreien und dabei ziemlich zusammen zuckte, als das empfindliche entzündete Gewebe vor Schmerz brannte, zuckte sie nicht wenig zusammen beim Klopfen an der Tür einige Meter hinter ihr. Nur zu gerne gab sie den Versuch ihrer Eigenversorgung auf und betrachtete die durchläucherten Erhebungen um den oberen Teil des Schnitts, den sie bereits aus der Klammer des Garns befreit hatte. Leicht blutete es nach und es sah derartig schrecklich aus, dass sie nicht umher kam amüsiert zu schnaufen. "Wer?", hinterfragte sie dann doch die Ankündigung von Besuch und legte Spiegel samt Schere auf den Tisch, drehte sich auf dem Stuhl sitzend herum. Viel kam ihr mit dieser Bewegung nicht in das Sichtfeld, vor allem nur ein simples Bett auf welchem ihr Mantel lag und diverse halbleere offene Schränke in welchen nur lauter gefüllte Taschen und Rucksäcke waren. "Marktur.", erklang eine weibliche Stimme hinter dem Holz und Chester beschlich eine gewisse Vorahnung. "Komm rein.", entkam es der Ärztin die danach geduldig beobachtete, wie das Holz nach innen aufschwang und eine Frau von trainiertem Körperbau eintrat. Gerüstet in rote Platten mit einigen grauen Verzierungen auf der linken Schulterkappe, verwies die Farbe alleine schon auf ihren Glauben hin. Sie war noch relativ jung, aber keineswegs mehr im kindlichen Alter und ihr doch streng anmutender Blick traf die Sitzende dennoch wohlgesonnen, was sich an den leicht hebenden Mundwinkeln widerspiegelte. Das braune Haar war burschikos geschnitten, damit ein Helm gut über zu ziehen war und trotzdem nicht zu kurz. Einige Strähnen hingen ihr sogar über die Stirn und vorbei an den Augen, welche das Gesicht der Frau genau beobachteten. Dieses aufmerksame Analysieren kam ihr zu bekannt vor.
"Wird wohl nichts, hm?", erkundigte sich die Eintretende und schloss die Tür hinter sich. Chester winkte leicht ab bei der Nachfrage und nickte der Frau vor sich dann hoch. "Also, was möchtest du von mir, Sinea?" Die Angesprochene konnte sich ein kurzes amüsiertes Grinsen nicht wirklich verkneifen. "Ich wollte dich fragen, ob ich die Erlaubnis bekomme den Ausbilder in einen anderen Raum zu verlagern." Prompt zog die Sitzende ihre Brauen herunter und blickte des Priesters Tochter einen Moment länger entgegen ohne etwas zu sagen. "Das kannst du vergessen.. nicht, weil ich dir den Gedanken dahinter nicht gönne, sondern weil er dir wortwörtlich im erstbesten Augenblick die Kehle ausbeißen würde." Sie hob ihre linke Hand gebietend hinauf, als sie Widerworte ahnte und hatte damit auch Erfolg, da sich der Mund der Gerüsteten öffnete und doch nur wieder schloss, ohne einen Ton hervor zu bringen, da Chester weiter sprach. "Und das meine ich nicht als Metapher.. du hast gesehen wie er uns alle zerrissen hat, auch deinen Vater und den Taktiker. Du kamst da noch relativ ungeschoren davon." Diese Worte saßen, denn die Jüngere atmete leise durch und sah stirnrunzelnd durch den karg besetzten Raum. "Ja, was auch nicht besser werden wird mit dem Vorhaben meines Vaters." Leicht verengte die Ärztin ihre Augen. "Du meinst diese Aktion mit dem Abreagieren durch Kampf?" "Mhm.", bestätigte Sinea und sah zu ihrer Gesprächspartnerin zurück. "Genau das." "Hast du etwa eine bessere Idee, als das? Kommt mir ziemlich sinnig vor, auch wenn es mir nicht passt.." Leicht wog die junge Soldatin ihren Kopf abschätzend hin und her, nur um dann plötzlich doch zu nicken und den Blickkontakt zur Älteren zu suchen. "Doch, ich habe eine bessere Idee." Die Brauen der Sitzenden hoben sich steil an und leicht lehnte sie ihren Oberkörper vorwärts, die Arme auf den Oberschenkeln lehnend. "Dann rück raus mit der Sprache."
Ihre Idee war gut, zu gut sogar und man ging damit sofort zu jener Person von welcher sie diesen raffinierten Geist erst hatte, um es ihm vorzutragen. Auch der Priester Marktur war von dem Gedanken begeistert und was er veranlasste, lies Chester gleichermaßen vor Erleichterung aufatmen als auch in Skepsis abtauchen. Einerseits rief er die beiden Mesmer zu sich, die Cornerstone observieren sollen um sich mit ihnen über das Vorhaben kurzzuschließen. Eine Trennwand sollte es werden, die den Geist vor diesen falschen Aggressionen bewahrt und doch so locker fixiert, dass man sie mit simplen Eingriffen jederzeit aufheben kann. Man soll kontrolliert darauf zugreifen und austreten lassen können, damit man gezielt damit und dagegen arbeiten kann. Es einfach so anzugehen wäre ein enormes Risiko, das selbst der Priester nicht hat eingehen wollen. Andererseits sollte ein Brief entsand werden nach Götterfels um kundzutun, dass man eine Lösung gefunden hätte. Es verblieb abzuwarten ob sich dieses Handeln auszahlen würde und wenn ja, in welche Richtung.