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Die tiefbraunen Augen des hünenhaften Norn starrten in jene des Scharfschützen hinein, welcher ein paar Meter weiter von dem Riesen in der Hocke saß. "Und?", erkundigte sich der schwarzhaarige Berg von einem Mann, der sicherlich mit Kühen um sich hätte werfen könnten. Breitschultrig und trotz des lauen Klimas, welches selbst in diesen frühesten Morgenstunden noch im Funkenschwärmersumpf vorhanden war trotz der angegangenen Jahreszeit der Stecklinge, war er in Fell und Leder gehüllt. Die Narben und Tätowierungen an seinem Leib erzählten ihre eigene Geschichte. Eine grobschlächtige Bartaxt lehnte am Felsen an auf welchem er saß und war somit jederzeit in der Reichweite der Pranken, sollte es notwendig werden. Es sollte nicht so kommen. "Hrm?", brummte er noch einmal nachfragend und riss Jace aus seinen Gedanken sowie seinem Zurückstarren, bevor er neben sich auf den Grund sah. Der Mesmer lag dort, immer noch der graue Mantel am Leib und sogar die Kapuze aufgezogen. Er roch ziemlich unangenehm nach Blut, sowohl alt als auch frisch und von Schweiß konnte man das selbe sagen. Soweit man es einsehen konnte, war die Haut ungesund blass und das Gesicht hohlwangig, auch sah er einfach anders aus. Keineswegs lag das an dem kritischen Zustand in welchem er sich nun schon seit über der Hälfte der Flucht befand, es fehlte die sonstige Illusion. Weitaus jünger anzumuten war er, das Haar dunkelbraun und leicht strubbelig, ebenso einige kleine aber dafür tiefe Narben die sich ins Gewebe gekerbt hatten. "Könnte schlimmer und besser sein, aber zu lange sollten wir echt nicht mehr warten.", war dann die Antwort des zweiten Arztes der Runde, welcher auch zu seinem Gesprächspartner zurück sah, der mit den Schultern zuckte und den Hang hinab blickte und Jace folgte dem Blick mit dem eigenen, nachdem er langsam wieder aufgestanden war. Man hatte sich auf eine Hügelkette zurückgezogen und von der Blutstromküste, geschweigedenn Löwenstein war schon längst keine Spur mehr zu sehen. Der Himmel füllte sich langsam mit einer warmen orangenen Farbe und strich damit auch den Rest der letzten Nacht einfach hinfort.
Die Minuten zogen dahin, danach eine und schließlich auch die zweite Stunde. Gesprochen wurde nicht mehr viel, war der Norn doch sehr stiller Natur und Jace hatte genügend damit zu tun sowohl die Umgebung, als auch den Mesmer im Blick zu behalten. Schließlich jedoch nahm er sein langläufiges Scharfschützengewehr von den haltenden Riemen, die das gute Stück in zwei Teilen auf seinen Rücken hielten und zog das Fernrohr runter, durch welches er dann in die Ferne spähte. Da er keineswegs durch das Gebiet Ausschau hielt, sah der Hüne fragend rüber. "Was macht Ihr da?" Jace schmunzelte kurz und antwortete danach prompt. "Ich überprüfe einfach was ich sehe.. und ich glaube, dass dort hinten ist die Klaueninsel. Da am Horizont hinter den ganzen-" "Das ist die Klaueninsel.", bestätigte Chester die urplötzlich wieder dazu kam und das lautlos genug, dass sowohl der Norn überrascht zu ihr sah, als auch der ältere Mann stark zusammenzuckend zu ihr blickte. "Bei allem was.. hat dich Melandru mal zu sehr gesegnet? Gibt der Boden keine Geräusche mehr von sich, wenn du rumläufst?", hinterfragte er etwas haltlos und verstummte sofort, als er sie überhaupt wirklich zu realisieren begann. Da stand sie also, diese ehemalige Piratin und alternde Ärztin mit einem Stechspaten in der Hand, der eine blutige Spitze aufwies neben all dem erdigen Dreck. Auch ihre verhüllenden Handschuhe und ein rauer Teil des Mantels war durchtränkt mit der roten Substanz. Chester antwortete dem nicht und konterte den starren Blick des Schützen äußerst schneidend, ehe sie den Spaten schlicht zum Norn warf. Dieser fing das Teil einfach auf, erhob sich und hing es in seinen zahlreich besetzten Gürtel ein. Es war einfach nur still und selbst die hechelnde Atmung des Invaliden der Gruppe war ihm gerade egal, da ihm mit einem ekligen Schauer bewusst wurde, dass sie vier in der Gruppe waren. Keine fünf.
Von einer namenlosen Angst gepackt blieb Jace einfach nur stehen und beobachtete, wie Chester den Hang wieder hinunter ging. Es passierte alles immer langsamer. Die Geräusche wurden statt leiser immer lauter und die entferntesten Vögel schienen ihm soeben geradewegs ins Gesicht zu kreischen. Jedes Knacken von Holz war zu laut und sogar das Rauschen des Meeres, sehr viele hundert Meter entfernt, schien ihn einzuholen. Zwar beobachtete er den Norn angespannt wie er zu Cornerstone ging und diesen vorsichtig unter Schultern sowie Kniekehlen anhob, doch war alles irgendwie nur noch ein Schleier aus vielen trüben Farben. Jace realisierte, dass einfach alles schief ging und er mittendrinn saß. "Mike, kommst du?", rief die Stimme der anderen Ärztin und durchschnitt mühelos sämtliche anderen Geräusche. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Der Norn war wieder voller Konturen und Details, genauso wie der Mesmer auf seinen Armen, mit welchem er sich abwandte um der Frau zu folgen. "Ja.", rief der Schütze dann zurück und nahm sich dennoch die Zeit, um sein Gewehr ordentlich zurück in die Halterung zu stecken. Viele Fragen gingen ihm durch den Kopf und das auch noch gleichzeitig, weswegen er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Als er dann fertig war, blieb er noch einige Sekunden von der Angst ergriffen stehen und besinnte sich auf das vor ihm liegende. Ein tiefes Durchatmen, ein kurzes Schließen der Augen. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper und er schloss schnell zu ihnen, dann zu ihr auf, damit er wie die letzten Tage schon neben ihr laufen konnte. "Warum?", fragte er dann nur und auch wenn er nicht zu ihr rüber sah, konnte er die Kälte spüren die von ihr abging. Sie antwortete nicht.