Spoilergrund
ooc: Eine kleine Charaktergeschichte entstanden aus Langeweile und zu viel Zeit. Frei interpretiert und ob teilweise derber Begrifflichkeiten mal in den Spoiler gepackt. Sinn dieser Geschichte : Reine Unterhaltung des Schreibers und Lesers
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Geschichte
Victor schnaubte. Es war früh in den Morgenstunden und die Sonne hatte sich noch nicht über die Felskette empor gehoben, die Ebonfalke zwischen ihren Schenkeln einschloss. Aus der einstigen stählernen Jungfrau war eine brünstige Hure geworden, die ihre Beine für allerlei verräterische Schwänze und sogar Mösen spreizte. Einst hatten die beiden großen Falkentore eine gewisse Wirkung auf den Iorga gehabt. Er erinnerte sich sehr gerne daran wie es gewesen war, als er sie als kleiner Junge zum ersten Mal durchschritten hatte. Eine Pforte in eine längst vergangene Zeit. Eine Zeit des Krieges, nun ja, das stimmte wohl. Aber eben auch eine Zeit, in der es noch klar definierte Regeln gab. In der man ganz genau wusste wer der Feind und wer der Freund war. Eine Zeit der Könige und der Krieger. Der Soldaten und der einfachen Leute, die alle gerne ihren Teil zum Erhalt des Reiches beitrugen. Victor Iorga war kein Mann, der die Monarchie verabscheute. Er hatte wirklich nichts gegen den Adel oder dessen Aufgaben. Aber er hatte wohl etwas gegen diesen eitrigen Ausfluss, der daraus geworden war. Ein krankhafter Rest, der nach dem großen Knall in irgendwelchen verworrenen Poren gelauert und gehockt hatte und jetzt hervor brach als der faulende Leib es nicht mehr länger bei und an sich halten konnte. Nichts war mehr von der einstigen Pracht geblieben. Nichts von dem Ansehen, das diese Leute einst genossen hatten. Und schon gar nicht mehr heute, wo sie sich einer falschen Königin unterwarfen und Waffenstillstand mit jenen schlossen, die über Jahrzehnte hinweg, Jahrhunderte hinweg ihre eigenen Kinder gefressen hatten. Friedensverhandlungen. Dieses Wort lag in der Luft und ein jedes Mal wenn er es hören musste, ließ es ihm die Galle im Hals aufsteigen. Er konnte spucken und schlucken wie er nur wollte. Der ätzend beissende Geschmack blieb auf seiner Zunge stets zurück. Genauso wie das kochende Reibeisen in seiner Kehle.
Die graue Stute, die er sich noch immer nicht benannt hatte, war unruhig an diesem Morgen. Schon als der Knecht sie aus dem Stall geholt hatte, hatte sie ihm mit ihrem beschlagenen Hinterhuf vor den Schenkel getreten. Ein glatter Durchbruch, das musste man dem Tier wohl lassen. Victor hatte sie sich selbst gesattelt und nach Cloud rufen lassen. Solche Ausfälle waren nun wirklich nichts, über das er sich lange Gedanken machte. Wer einen Knochenbruch nicht aushalten konnte, der hatte in der WBA nichts verloren.
Unter seinem nicht unerheblichen Gewicht knirschte das Leder des dunklen Sattelzeuges. Er hatte es mit Nieten beschlagen und mit Reliefs ausstatten lassen. Es war seinem Stand jetzt angemessen. Nicht seiner Position als leitender Kopf einer separatistischen Zelle, sondern viel mehr seinem Status als wirklich erfolgreicher Geschäftsmann. Binnen einiger Monate immerhin hatte er es zuwege gebracht aus seinem kleinen Schlachthof die bekannteste Schlachterei Ebonfalkes zu machen. Er belieferter die Vorhut und einige Tavernen in Götterfels und Löwenstein. Die Bauern der Umgebung rissen sich geradezu darum ihr Vieh beim Iorga Victor schächten zu lassen. Mittlerweile arbeiteten die Leute Tag und Nacht. Es war gewiss nicht für jeden etwas, diese ständige Aura des Todes, die wie ein träger Nebel um die flachdachige, hohe Schlachterhalle waberte. Der Geruch von Blut, der einen begrüßte sobald man eine gewisse Grenze, eine unsichtbare Pforte passiert hatte. Das Rufen der Tiere, denen ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr entging wo sie waren. Aber für Victor war das alles längst Alltag. Es scherte ihn nicht. Es bereitete ihm allerdings auch keine übermäßige Freude. Er war Schlachter, ja, aber es war gewiss nicht seine Berufung. Der Blonde sah sich selber als Künstler. Wenn er aus Totem und und Unbelebtem etwas neues schaffen konnte, wenn er einstigen Glanz zurück führen, ihn noch übertreffen durfte, dann war er glücklich. Wenn er Masken fallen ließ und wahre Gesichter präsentierte. Er war Präparator, auch wenn dieses Wort ihm, seinem eigenen Verständnis nach, nicht gerecht wurde.
Die ganze letzte Woche über hatte es nicht geregnet. Dunkle Gewitterwolken hatten zwar schwer über dem Land gehangen, aber aus irgend einem Grund hatten sie ihre Schleusen nicht geöffnet. Es war eine drückende Stimmung, in die Reiter und Pferd sich hier in den tiefer gelegten Gebieten begaben. Unter den Hufen der Grauen knirschten trockenes Laub und verbranntes Gras. Die Ebenen waren schon seit einigen Jahren kein fruchtbares Gut mehr gewesen, aber gerade in den wenigen Sommermonaten wurde aus der Steppe eine regelrechte Einöde ohne grüne Bäume, die lieber rotes und oranges Blattwerk in den verworrenen Himmel streckten. Riesige Skorpione kreuzten Victors Weg, aber die Tiere hielten sich nicht mit höchst wahrscheinlich bewaffneten Wanderern auf. Sie jagten sich wilde Schweine und Hasen, die es in der Steppe mehr als genug gab. Manchmal fingen sie sich auch einen Luchs oder einen jungen Bären. Es kam immer ganz darauf an wer dumm genug war sich ihnen und ihren giftigen Stacheln in den Weg zu stellen. Hin und wieder verschwand ein Kind. Aber wen kümmert das schon ?
Im Sattelhafter klapperte leise das lange, hübsche Gewehr des Iorgas. Er hatte heute die Flinte mit dem Hasen mit genommen.Der Hase, der vorn über den Waffenlauf sprang und der es aussehen ließ, so bildete Victor sich ein, als jagte er die Kugeln aus dem Magazin und niemand sonst.Der doppelte Lauf mit den sechs Schuss war eben nicht zu verachten. Unter dem Mantel, den er trotz der Hitze trug, wartete sein Revolver. Das lange Fleischermesser fehlte nicht. Den Gürtel mit den Granaten, der unter dem Leder um seine Schultern lag, würdigte er nicht einmal eines Gedanken.
Victor trug sein Barett mit der silber-goldenen Lyssabrosche, die sich mit einer Krone aus Diamanten und Amethysten schmückte. Die Augen waren Rubine. Die Lippen dunkel getönt und nichtssagend. Victor war als Victor Iorga aus Ebonfalke geritten. Den Wachen am Tor hatte er freundlich zugenickt und Soldat Tauber hatte sich viel darauf eingebildet, dass der hohe Herr seinen Namen gewusst hatte. Es hieß immerhin etwas, wenn so ein Kerl sich an einen erinnerte. Einer der wenigen anständigen Leute, die die Festung noch hervor brachte. Einen, von dem man ganz genau wusste auf welcher Seite er stand. Und hatte der Iorga damals nicht selber die Vorhut unterstützt mit Tat und Rat? Doch, doch. Das hatte Tauber gehört und sein Vater, er beschwor es, war ein Freund und Kamerad des Blonden gewesen. Zumindest bis ein Charrmörser ihn in Stücke gerissen hatte.
Das nächste was Victor wahr nahm war ein kreischendes Piepen in seinem Ohr. Ein stechender Schmerz pulsierte in seiner Schulter, während ein Fels, der sich nach einer kurzen Orientierung als Graue entlarvte, auf seinem Bein lag. Blut und Erde schmeckte er auf seiner Zunge, während seine Lungen versuchten Staub und Dreck wieder los zu werden. Er hustete da halb begraben von seinem Pferd, das schnaufend und sich windend versuchte wieder auf die Beine zu kommen. In seiner Panik gelang es ihm nicht. Nicht zuletzt weil das Gewicht seines Reiters und die sich anspannenden Schenkel es daran hinderten. Sein Gewehr konnte der Mann nicht erreichen, dafür aber die Granaten, deren Gurt ihm harsch in die Kehle schnitt. Seine Mütze lag einige Meter entfernt und war definitiv verloren.
Er hörte die Rufe der beiden Charr nicht, die ihn ins Visier genommen hatten.Keine Flammler, sondern Abtrünnige, die im Grunde waren wie Victor selbst. Sie verabscheuten die neue Ordnung und gaben sich nicht damit zufrieden in ihrer offensichtlichen Überlegenheit beschnitten worden zu sein. Gekleidet in dunkle Lederlaken, die sie mit roter Erde und Schlamm bestrichen hatten, sprangen sie aus ihrem Hinterhalt. Der eine trug das wuchtige Gewehr noch im Anschlag, das er auf den zitternden Pferdebauch richtete, während der andere sich gar nicht die Mühe machte seine Messer zu ziehen. Er hatte Krallen, verdammt. Er war ein Raubtier und für so einen einfachen und vor allem unvorsichtigen Reiter würde er weder das lange Dolchmesser, noch sein Hackbeil gebrauchen.Stinkender Geifer troff dem Vieh von den Lefzen. Es hatte das zahnreiche Maul zu einem feisten Grinsen verzogen und die vier Ohren in vorfreudiger Manier ganz und gar auf seine Beute ausgerichtet. Sein Kumpane würde ihm den Rücken frei halten. Ganz ohne Frage verließ er sich auf ihn.
Die Graue kreischte als der Charr seine Pranke auf sie setzte und die Krallen ausfuhr. Sie schnitten in ihre Flanke und wild schlug sie aus. Knurrend und mit einem herrlich grässlichen Verlangen nach Blut verlagerte das riesige Vieh sein Gewicht noch weiter, sodass es dem Pferd schnell leid wurde zu treten und es in seiner Panik dagegen noch eine Steigerung fand. Victor ächzte begraben von seiner Stute. Sein Bein schmerzte, aber gebrochen war es nicht. Dazu brauchte es dann wohl doch mehr.
Die Worte, die der Charr ihm entgegen brummte waren für den Mann nicht mehr als unverständige Floskeln, die sich nicht über das immer höher werdende Piepen erheben konnten. Er sah zwar wie das Vieh, ein braun getigerter Kater mit in sich gedrehten Hörnern und orangen Augen, seine Kiefer bewegte, aber er verstand einfach kein einziges Wort. Er wollte es allerdings auch nicht. Viel mehr begrüßte er das Vieh mit einer sich drehenden Revolvertrommel, während er ihm das Hirn aus dem Schädel blies ! Alle sechs verdammten Spitzpatronen versenkte er in der Stirn des Ungetümes, das gar nicht so schnell reagieren konnte, wie es auf der Stute und dem darunter liegenden Reiter zusammen sackte. Damit hatte es nicht gerechnet. Viel mehr mit einem verängstigten Händler, der jetzt dazu hätte übergehen sollen um sein Leben zu betteln. Winselnd wie ein Köter in der Gosse, dem die Rippen durch die Haut drückten und der kein Pfund Fleisch mehr an den Knochen trug. Dessen Rute eher an den gehäuteten Schwanz einer Ratte erinnerte, denn an die eines Hundes. In das Knallen des Revolvers mischte sich das hasserfüllte Grimmlachen des Iorgas. Er glaubte nicht daran, dass er heute sterben würde. Victor Iorga würde sie alle überleben und mit diesem Wissen in seinem Hinterkopf war er nicht in der Lage in dieser Situation Furcht zu empfinden. Sie hatten ihn überrascht und das nicht unbedingt schlecht. Den Sprengsatz im Boden hatte er nicht gesehen. Da waren Profis am Werk gewesen. Das unvermeidliche Klicken kurz vor dem Knall allerdings...DAS hatte er gehört und es mit einem fiesen Lächeln begrüßt, als es ihn und die Stute auch schon umgerissen hatte. Warum es sie nicht zerfetzt hatte? Victor wusste es. Das war eine Triebgranate gewesen. Eine, die das Opfer nur betäuben und nicht etwa vernichten sollte. Eine Waffe, die egozentrische Flachwichser benutzten, weil sie dadurch die Illusion der wahren Macht bekamen. Macht über ein sowieso schon gefälltes Stück Beute, das nicht mehr in der Lage war Gegenwehr zu leisten, während sie es zerrissen.
Der rote Schecke, der sicherlich nicht damit gerechnet hatte, dass es seinem Freund an den Kragen ging, brüllte auf. Er hatte noch nicht verstanden was eigentlich geschehen war, als er sich schon mit wuchtigen Sprüngen in Bewegung setzte und sein Gewehr aus einer reinen Laune heraus auf die Seite pfefferte. Mit beiden krallenbewährten Pranken griff er in das Ledergewand seines Kameraden und ruckte den mit einem launigen Schub von Pferd und Mann. Der schlaffe Körper ließ sich ob der Wucht leicht bewegen. Die Graue, panischer denn je, nutzte die Gunst der Stunde und sprang auf. Victor blieb nicht viel Zeit seinen Fuß aus dem Steigbügel zu lösen. Unmöglich das Bein zu befreien, das unter der Stute gelegen hatte. Als sie also aufsprang und austrat, da riss sie ihn unweigerlich mit. Er ächzte da an ihr hängend. Hilflos für einen Moment und nicht gewillt sich den Schädel von seinem eigenen Pferd einschlagen zu lassen. In kopfloser Angst stürmte die Graue los. Der Charr brüllte ein zweites Mal und nahm gleich die Verfolgung auf. Seine Instinkte waren geweckt und anstatt sich jetzt auf eine lange Hatz zu wagen, griff er seine Flinte vom Boden auf und legte an. Victor derweilen hatte andere Sorgen. Er versuchte eine gewisse Körperspannung zu wahren und während Steine und Stöcke und der Boden alleine seinen Mantel rissen, mühte er sich damit ab an sein Messer zu gelangen. Sein Knöchel war ungesund verdreht, verstaucht sicherlich längst, aber gebrochen noch nicht. Mit einem beherzten Griff zog er die Klinge und nun hieß es den Steigbügelriemen zu zertrennen. Er musste gar nicht erst versuchen das Leder zu schneiden. Das würde nichts bringen. Dafür war der Stahl nicht gemacht. Also hackte der Gezogene, verfehlte und keuchte als ein Stein ihm gegen den Schädel schlug. Ein Schädel, der nicht willig war in die Bewusstlosigkeit zu stürzen. Da brauchte es mehr ! Noch einmal holte Victor aus und als er jetzt hackte, zerteilte sich der Riemen und anstatt weiter von der Stute gezogen zu werden, rollte er sich überschlagend einige Meter, ehe er mit einem Maul voll Dreck im eigens aufgewirbelten Staub liegen blieb. Den Knall, der die Kugel des Charr ankündigte,die das Pferd fällte, hörte der Iorga nicht. Dafür sah er wie seine geliebte Stute sich selber überschlug, durch den gewaltigen Schwung ein Stück flog und dann reglos und nur unterbrochen von kurzen Zuckungen liegen blieb. Das Genick war gebrochen, gleich beide Vorderläufe und was sich da jetzt noch regte waren die letzten Nerven, die noch nicht verstanden hatten, dass es vorbei war.
Für Victor war es noch nicht vorbei. Er grunzte und spuckte, während er sich über den Boden rollte und in eine Erdmulde rutschte, von denen es hier einige gab. Ein ganz natürlicher Schützengraben, so als hätte das Land sich längst auf den Krieg vorbereitet und so als wolle es seinen wahrhaftigen Söhnen und Töchtern damit einen Vorteil bieten.
Der Iorga machte sich nicht die Mühe den Aufenthalt des Charr zu ermitteln. So dumm seinen Kopf zu heben und zu schauen war er nicht. Er zog einfach eine seiner Granaten, drei waren ihm geblieben und nahm sie, auf dem Rücken liegend, in beide Hände. Mit sieben Bomben hatte er Ebonfalke verlassen. Jetzt waren es noch drei. Folglich lagen vier irgendwo auf der Strecke zwischen ihm und Charr verstreut. Ein Charr, der mit einem Gewehr bewaffnet ein offensichtlicher Scharfschütze war. Ergo würde der sich nicht nähern, solange er sich in einer überlegenen Position befand. Victors Verstand ratterte gar nicht. Er arbeitete wie geschmiert. Es würde später Zeit sein das alles hier Revue passieren zu lassen. Gerade waren andere Dinge wesentlich wichtiger.
Lagen also vier Granaten zwischen ihm und dem Raubtier, dann hatte er mit seinen drei verbliebenen eine ausgezeichnete Möglichkeit das Biest zu bezwingen. Ablenkung, Finte...Finaler Schlag. Victor zögerte keine Sekunde länger. Er riss den Stift aus der Bombe, machte sie damit scharf und warf sie in einem hohen Bogen hinter sich. Es war unsinnig sich die Ohren zu zu halten, denn er hörte ja sowieso im Moment so gut wie nichts. Dass sein Sprengsatz explodierte aber sagte ihm die Erschütterung des Untergrundes und der aufwirbelnde Staub. JETZT war es Zeit den Kopf zu heben und sich einen schnellen Überblick zu verschaffen. Er hatte den Charr natürlich nicht getroffen. Dafür war er viel zu weit weg gewesen. Aber er hatte dafür gesorgt, dass der dumme Kater in Deckung gesprungen war. Das Vieh wusste wohl nicht viel über das menschliche Wesen. Gut für den Iorga, der sich jetzt auf den Bauch drehte und die zweite Granate schon im Anschlag hatte. Rennen würde er nicht können, so viel stand fest...Der zweite Stift flog und diese Bombe nun wurde mit wesentlich weniger viel Schwung geworfen. Sie explodierte schlicht einige Meter vor der Lage des Iorgas, der sich dicht in den Dreck gedrückt hielt und damit einen Schaden für sich vermeiden wollte. Kaum war das Ding zersplittert, schrie Victor schmerzerfüllt auf. Er schrie und brüllte und Scheiße noch eins,er weinte !
Im Gedanken zählte er längst. Er hatte in etwa die Entfernung zum Charr abgeschätzt, die Lage der anderen Sprengsätze durch das bisherige Ausbleiben einer Doppeldetonation eingegrenzt und von der Größe des Biestes auf dessen ungefähre Schrittlänge geschlossen. Natürlich gab es da noch gewisse Unbekannte. Hatte er die Granaten schon früh verloren, dann brachte das jetzt alles nicht viel. War das Vieh weniger wütend, als er hoffte, dann würde der Kater auch nicht näher kommen. Aber so alles in allem...befand Victor doch, dass er ein verdammtes Genie war.
Der rote Kater grollte bei der ersten Explosion. Er sprang zurück und ging in Deckung, bis die zweite Granate detonierte und der Mensch zu schreien begann. Dieser Idiot hatte sich vermutlich gerade selber etwas weg gesprengt. Tief rauchig war das polternder Lachen der Katze, als sie sich in Bewegung setzte. Sie passierte die ungezündeten und eben verlorenen Bomben und lachte gleich noch etwas gehässiger. So ein Trottel. Jetzt blieb ihm nichts mehr. Keine Frage. Als dann aber doch etwas aus dem Loch flog, in dem er seine Beute vermutete, zündeten die Reflexe des Charr. Warf der Mensch jetzt etwa mit Steinen ?! Gut gelaunt fing er das Geschoss und bemerkte erst als es seinen Leib zerfledderte, dass es eben doch kein Stein gewesen war. Zu viel Selbstsicherheit hatte eben noch niemandem auf lange Sicht gut getan...
Es verging ein langer, ein sehr langer Moment ehe Victor wieder wagte zu atmen. In seinem Gesicht klebten irgendwelche Teile seines Opfers. Die Fetzen von seinem Bauch strich er sich mit einer fahrigen Handbewegung herunter, ehe er es war, der sein tiefgrollendes Lachen aus der Kehle drückte und es dem dunklen Himmel über sich übergab. Als ihm daraufhin ein dicker Regentropfen ins Auge klatschte, lachte er umso lauter. Nein. Victor Iorga würde sie ganz sicher alle überleben. Seine Schulter schmerzte noch immer als er sich nach mehreren Minuten endlich aufrichtete. Er machte eine Bestandsaufnahme seines Leibes. Es war alles noch da, auch wenn das Fleischermesser in seinem Oberschenkel steckte und ein Stück Holz in seiner Schulter. Letzteres war weniger ein Problem. Kurzerhand zog Victor sich sein grünes Tuch vom Hals, winkelte das Bein an, zog das Messer und legte sich einen festen Verband an. Dann, er durfte hier nicht zu lange verweilen, kämpfte er sich auf die Füße. Natürlich schlug er um. Er hatte aber damit gerechnet. Eine Verstauchung also. Tatsächlich.
Humpelnd näherte er sich seiner Stute. Von dort durfte er keine Hilfe mehr erwarten. Missmutig zuppelte er an ihrem Ohr und gab sich Mühe ihr wenigstens das Halfter vom Kopf zu ziehen. So machte man das eben. Er hing sich die Lederriemen um die Schulter und löste den Sattelgurt. Aus einer der Taschen zog er einen Beutel mit Münzen, den er sich an den eigenen Gürtel band, ehe er sich auf den Weg zurück machte. Den Charrmatsch würdigte er keines Blickes. Dafür sammelte er unterwegs drei der vier verlorenen Granaten auf. Gut, dieses Vorhaben hatte nicht funktioniert, aber die Blödheit der Charr (es war keine wirkliche Blödheit, aber Victor benannte es sich so) hatte ihn nicht im Stich gelassen. Dass seine Glieder jetzt zu zittern anfingen verbat er sich. Die Aufregung musste er hoch halten, das Adrenalin durfte nicht abflauen.
Als er die Stelle seines Sturzes erreichte, sammelte er sein Gewehr auf. Den Revolver schob er zurück in dessen Halfter und dann schnitt der dem Erschossenen noch ein Ohr ab, das er in seine Manteltasche steckte. Das nächste was er irgendwo hinein steckte, war eine stiftlose Granate, die in das Maul des Charr fand.
An einem nahen Baum mit rotem Laub bezog er Position. Er friemelte sich aus seiner Brusttasche erst den Flachmann, mit dessen ekelhaften Inhalt er sich die Kehle auswusch, ehe er eine zerdrückte Zigarettenpackung barg und sich eine gebrochene Tabakstange zwischen die spröden Lippen schob. Mit seinem silbernen Feuerzeug steckte er das Ding an, lehnte den Kopf gegen die trüge Rinde und atmete tief ein. Er musste genau drei einhalb Zigaretten warten, ehe ein Trupp Vorhutler ihn fand. Die Detonationen hatten sie gelockt. Geführt wurden sie von Soldat Tauber, der gar nicht schnell genug dem Iorga sein Pferd anbieten konnte. Er habe gleich Alarm geschlagen, als sie die Schüsse gehört hatten. Sofort könnte man sagen, denn immerhin hatte er ja den Iorga aus der Stadt reiten sehen ! Nun bemühte sich der Kerl sehr damit Victor zu helfen. Ja...er übernahm sogar die Aufgabe den Münzbeutel an den Bauer Gerber draußen, etwa siebzehn Meilen von der Festung entfernt, bringen zu lassen. Bauer Gerber war natürlich kein Bauer, aber sein Ziegenfleisch schmeckte trotzdem dass es nur Alibiziegen waren, ausgezeichnet. Drei Vorhutler also machten sich auf den Weg das Geld zu überbringen. Victor entlockte das ein mildes Lächeln voller ehrlicher Dankbarkeit. „Meine Frau wird mich in Stücke reißen“, lachte er gutmütig und sehr dankbar darum, dass die wackeren Männer der Vorhut ihm nun einen langen und beschwerlichen Marsch zur Festung zurück ersparten. Sie alle, so versprach er, würden einen dicken Braten von ihm bekommen. Oder einen Schinken ! Ganz wie sie es sich wünschten. Da war er nicht eitel und auch nicht hochtrabend. Da war er ganz der gesellige Kamerad, der gute Arbeit noch zu schätzen wusste ! Und genau das mochte Tauber an ihm. Dieses bodenständige Sein, das sich über nichts und niemanden erhob, genügsam den Regeln folgte und noch einen echten Landsmann ausmachte. Dass die Charr so blöd gewesen waren in ihre eigenen Sprengsätze zu laufen...diese Geschichte würde sich am Abend sicherlich gut in der Kantine machen.
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