Noch eine alte Geschichte von damals. Entstanden nach dem Fackelzug durch Götterfels im März 2014. In Spoiler gesetzt, weil doch ein ganz klein wenig Gewalt darin herrscht und ich davor in diesem Text natürlich auch ausdrücklich warne.
Schlagwörter
Gewalt gegen Kinder, Mord.
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Schlaf zu finden unmöglich, der Leib erschöpft, das Herz wieder beruhigt und schwer in den Schlägen. Mein Blick ist gehoben an die Decke, die Holzbretter mit ihren Astlöchern und Maserungen darin bemusternd, schön und doch meist ungeachtet dort oben. Unter bedachten Atemzügen entkomme ich dem Laken, ich höre die Schritte meiner nackten Füße auf dem Boden, weiß das Brett nach dem Bett knarzt unter leichtestem Gewicht, so umgehe ich es. Der Schreibtisch, welch wunderschöne Arbeit, feines Holz glatt gehobelt und bearbeitet, ich kann mit meinen Fingerspitzen darüber gleiten ohne mir auch nur Sorgen darum machen zu müssen, einen Splitter zu ziehen. Wieder blicke ich über die Schulter, sehe in die Kammer, nicht mein Heim, und bin doch in Gedanken bei dir. Im Vorbeigehen, habe ich dich mit mir genommen, ruhende Schwester, lasse ich meine Finger über dich streichen als würden sie dein Haar bedecken, wenn du mir weinend am Bein hingst.
Heute war ein Fackelzug, ich bin dort gewesen, habe die Worte vernommen die ein jeder der Geweihten sprach und doch drehen sich meine Gedanken mehr noch um die kleine Feuerschale in der Pergament zu Asche wurde, feinste Fäden dessen die sich mit der Luft der hochgeschlagenen Flamme erhoben. Ungesagtes hinüberbringen, ein bitteres Aufkommen meines Atems, du bist noch nicht dort, dennoch will ich dir schreiben. So finden meine Finger die Feder, die nicht die meine ist und Seiten, welche ich mir nicht einmal selbst erstehen könnte von solcher Feinheit sind sie geschöpft.
Schwester, geliebtes Herz,
die Stunde deines Todes wird mir immer vor Augen sein. Ich bin zu spät gekommen, habe seine Schritte gehört, doch ich habe mich nicht erhoben. Wütend war ich auf dich, wütend weil du mir am Tage wieder eine Schelte des Vaters eingebracht hast mit deinem bockigen, eigensinnigen Wesen, nie etwas zu tun was falsch hätte ausgelegt sein können und doch hast du es hunderte Male vollbracht ohne einmal die Schuld daran zu erkennen oder die Strafe zu erfahren. Wie leicht es dir war, mich immer als den Sündenbock hinzustellen und doch, ja ich liebte und liebe dich. Warum habe ich die Decke nicht rascher von mir gebracht, bin nicht schon aufgestanden als ich die ersten erstickten Laute deiner hörte. Bastard wie er über dir war, seine Hände um deinen Hals, sein Leib unbedeckt und Tränen auf den Wangen als er mich in der Türe erblickte. Ich stand dort im Leinenhemd der Nacht, das Messer in der Hand und erkannte allein in seinem Blick, er hatte dich umgebracht. Es war zu spät, kein Lachen deiner mehr, keine Tränen oder Beschimpfungen mir mehr entgegen bringen könnend. Warum? Warum musste er dich auf diese Art lieben und konnte nicht lassen von dir als er deine Angst wieder und wieder erkannte. Metallen klirrte es als das Messer mir entkam, ich starrte einfach nur aus dem Grün meiner Augen auf dich, auf ihn und auf das Bett, in dem du gelegen bist und er zu dir kam. Dein Name entkam mir in einem Tränen erstickten Schrei und schon war er vor mir, wie hatte er sich nur so rasch erhoben, der Schlag traf mich hart und ich entsinne nichts in den Stunden danach bis zum Erwachen meiner.
Ins Dunkel meiner Gedanken kam eine Stimme, die deine aber sie drang nicht an mein Ohr, sie war in mir. Ich glaubte verrückt zu werden, riss die Lider auf und alles was ich sah war ein kalter Raum in den Stein geschlagen, eine Höhle mehr noch. Grässlich brannten mir Fuss- und Handgelenke grobes Seil hielt sie auf dem Tisch gebunden, ein Knebel im Mund nahm mir die Stimme und wieder hast du leise zu mir geflüstert, mir eingeredet was geschehen wäre. Ich lenkte den Blick zur Seite, sah deinen Leib schlaff und bleich auf dem Tisch neben mir, deine Lippen waren blau, deine Haut an manchen Stellen ebenfalls bereits blau unterlaufen mit rötlichem Übergang zum Hellen. Das goldene Haar schien matt zu sein, du hast mich gefragt, warum du dort schläfst und in meinen Gedanken sagte ich dir, du schliefest nicht. Wieder hast du getobt und unter deinem Toben rührten sich ~meine~ Arme, bog sich ~mein~ Rücken und auch wenn ich es nicht begreifen wollte, erkannte ich, du bist in mir.
Schwester die nächsten Stunden lagen wir geschunden dort und als du dich beruhigt hast, konnten wir auf eine Art miteinander sprechen, die niemandem jemals auf dieser Welt zuteil werden konnte. Heiße Tränen, dich nicht verloren zu haben, fanden den Weg über meine Wangen, unsere Wangen. Vater kam zurück, band mich los und wagte es in seinem trüben, vom Alkohol beschwerten Leib und Blick uns den Rücken zuzudrehen. Das Letzte was er auf dieser Erde sah war der kalte Stein und das Letzte was er spürte war eine lange Klinge die sich unnachgiebig in seinen Rücken nach vorn trieb. Das Geräusch der Lunge vergesse ich nicht, wie die Luft entwich durch den Einstich und er nach Atem rang. Kaltes Lachen oblag meinem Munde, während du in mir anfingst zu weinen, welch Bild muss das was ~Ich~ nach außen war abgegeben haben. Die Augen schmerzlich gefüllt durch dich, das Lachen auf den Lippen voller Genugtuung durch mich. Von dieser Nacht an, die kommenden Jahre hin waren wir eines und doch zweigeteilt. Ich überließ dir zumeist den Tag, den Morgen an dem du deinen Unsinn mit grauenhaften Spielen vollbringen konntest, unser Leib ruhte am Nachmittage und die Nacht war meine Zeit. Ich streifte unruhig durch Löwenstein, tat Dinge, welche ein Mädchen in meinem Alter nicht tun sollte. Trank und stahl, tanzte und tötete, doch niemand wäre auf das wirre Geschöpf meiner gekommen. Es war die Symbiose, welche kein Geschwisterpaar auf der Welt in dieser Form ertragen musste und gleichsam erfüllte es unser Leben. Bis wieder jemand glaubte uns besitzen zu können, armer Tölpel, nahm dich als Kind an und wusste nicht, ich lauere in dir. Doch durch ihn, den Händler, kam ich weiter an mein Ziel. Der Weg nach Götterfels war viel bereist von ihm, wären wir nun liebes Kind, so würde er uns mit sich nehmen und dort, dort wartete eine Bestimmung auf mich. Etwas was mir in die Wiege gelegt ist, etwas das ich immer bestrebte. In den Sümpfen vor dem Königintal hat er sein Leben gelassen, habe ich die Ochsen in den Morast getrieben mit seinem aufgedunsenen Leib angebunden an das Tragwerk. Niemand wird ihn lange vermissen, niemand nach ihm suchen, zu viele Untote im Sumpf, zu viele Zentauren auf dem Weg und doch bin ich frei, gefangen durch dich, aber frei zu gehen und den Weg zu beschreiten. Was dann geschah, ich muss es dir nicht mehr sagen, du warst dabei kanntest jeden Schritt und den Kampf, welchen wir austrugen in der Stunde als du mir wieder genommen worden bist.
Ich weiß der Tag an dem du vollkommen frei sein wirst, kommt bald, noch in diesem Jahr. Bis dahin hüte ich das Schmuckstück in dem du schläfst, spreche mit dir und halte dich. Denn welch Kraft du auch immer aufgebracht hast, mich aus meinen eigenen Gebeinen zu vertreiben, so viel dieser, wende ich auf dich immer noch zu lieben, Schwester. Du bist meine Familie, alles was ich noch davon habe, auch wenn du nicht mehr lebst und fühlst.
Doch denke nicht ich bin allein, jemand hat Acht auf mich, liebt mich hütend und bewahrt mein Leben mit wachem Blick und so bewache ich auch ihn, werde tun was immer er verlangt und dafür gehe ich über jedes Leben was mir im Weg stehen mag. Jung sagen sie bin ich, aber sie sehen meine Reife nicht , was sagen die Jahre schon aus. Mein Weg ist gewählt, geschützt und bereitet. Ich fürchte mich nicht vor ihm, denn am Ende werden wir, du und ich, wieder beisammen sein und er wird uns Beide hüten.
Warte nicht auf mich, Jahre mögen noch vergehen bis dahin, aber vergiss meiner auch nicht, wie ich dich niemals vergessen werde.
Deine Schwester
Noch einmal huscht mein Augenpaar über die Zeilen an dich, die Feder reinige ich mit dem dafür vorgesehenen Tuch. Nackt war ich als ich hier saß und schrieb, doch nackt bin ich wenige Augenblicke später nicht mehr. Dunkler, schwerer Mantel verhüllt meine zarte, gekleidete Gestalt, die Kapuze mein Angesicht. Sanft küsse ich das Pergament und entkomme dann dem Raum, dem Haus durch eines der Fenster. Es wird auch mein Weg hinein wieder sein, zurück in die Kammer, zurück in die Laken, hoffend unbemerkt. Aber der Brief soll brennen, soll die Schale finden wie manch anderer in dieser Nacht. Für dich, für mich und ja, irgendwo auch für meinen weiteren Weg. Kalt ist es geworden unter dem dunklen Firmament, während ich die Hochstraße zum Schrein der Sechs nehme zur Schale....