Grenths Ausgleich

Eine stickige, schwüle Hitze erfüllte die Katakomben. Zu dieser Jahreszeit zog sie tief in die modrigen Eingeweide der Stadt, auch wenn es mit Einbruch der Nacht besser wurde. Götterfels war eine junge Stadt, ihre prächtigen Kalksteinmauern zählten kaum mehr als hundert Jahre. Doch die weitläufigen Krypten und zahllosen unterirdischen Gräber, auf denen die letzte Bastion der Menschheit gebaut worden war, hatten viele Jahrhunderte gesehen. Über etliche Generationen hinweg hatten die Menschen an der Küste der Göttlichkeit hier ihre Toten zur Ruhe gesetzt, teils auf archaische Weise, in Zeiten, als Kryta noch keine Zuflucht der Zivilisation gewesen war. Der Großteil dieser uralten Anlagen hatte ebenso lange keine Menschenseele mehr gesehen – keine lebendige zumindest, denn es spukte hier, wenn man diversen Geschichten Glauben schenken wollte. Andere Erzählungen besagten, dass man in diesen Katakomben tagelang wandern konnte, ohne je einen Strahl Sonnenlicht zu sehen, dass schon viele Abenteurer und Grabräuber spurlos in ihnen verschwunden waren, und dass sich die Knochen der Ahnen in den tieferen Ebenen meterhoch stapelten, ohne jegliche Form einer ordentlichen Bestattung. Der Priester Balthasars befand das Meiste davon für übertrieben. Gruselmärchen, wie man sie unartigen Kindern vor dem Schlafengehen erzählte. Zugleich aber hatte er zu viel von der Welt gesehen, um auszuschließen, dass sämtliche Geschichten wahr waren. Nicht ohne Grund durften nur wenige Menschen in Götterfels ohne schriftliche Genehmigung der Seraph-Wache durch das Schädeltor treten.


Es gab nur noch wenige Dinge in dieser Welt, die Sentenzar Dronon Furcht einzujagen vermochten. Der Tod und die Toten zählten schon seit vielen Jahren nicht mehr dazu. Doch als Driftmark und Wutton ihn durch diese finsteren Gänge bugsierten, konnte er ein mulmiges Gefühl nicht bestreiten. Es war weniger das Hier und Jetzt, das wurde ihm schnell klar, als vielmehr das, was einmal gewesen war – und das, was noch kommen mochte. Ob man ihn erhören würde? Er konnte es beim besten Willen nicht sagen. Dies war zwar sein erster Besuch in den Katakomben, doch das letzte Mal, dass er sich so tief in einen derart von Grenth beseelten Ort begeben hatte, war er gekommen, um sich foltern zu lassen. Nun war er hier, um geheilt zu werden.


Die Priesterin Ocean schritt würdevoll in den schwarz-grünen Ritualroben des Grenth voran, während der Zaishen und der Akolyth ihr folgten und Dronon schoben. Es war befremdlich, in diesem Sitzgefährt umher gefahren zu werden. Der sogenannte 'Rollstuhl', wie der Schöpfer dieser Kuriosität, der verstorbene Novize Simoor, das Ding getauft hatte, bestand aus einem hölzernen Gerüst auf zwei Paar ebenso hölzernen Rädern, einem kleineren vorn und einem größeren hinten. Das Gefährt ratterte lautstark auf dem alten Steinboden und knarrte bedenklich unter dem muskelgebundenen Übergewicht des Insassen, doch es erfüllte seine Funktion. Eine Plage waren einzig die Treppen gewesen, für die er sich nach viel Gefluche von allen Beteiligten schließlich doch kurz angestrengt erhoben hatte, doch nun bugsierte man ihn in jenem mobilen Stuhl durch das Gemäuer und tiefer in die vergessenen Stollen unter Götterfels. Es roch modrig, und Wasser tropfte hier und da von den Wänden. Ein Stück weiter drinnen bildete der Priester sich ein, dass es ein wenig kühler geworden war, wenn auch nicht viel. Nebst der voran schreitenden Todespriesterin waren die einzigen Wegweiser für eine kurze Weile lediglich vereinzelte Fackeln in knöchernen Wandhalterungen, die man in dieser Nacht wohl angebracht hatte, damit sich Niemand verlaufen konnte. Doch das änderte sich bald, kaum dass das wüste Toben an ihre Ohren drang.


Die Situation war nur bedingt unter Kontrolle, als sie am Ziel ankamen. Der Stier war außer sich, und während ein weiterer Diener Grenths Anweisungen bellte, hatte Mavey zusammen mit zwei breitschultrigen Stallburschen einige Mühe damit, das gewaltige Tier an Ort und Stelle zu halten. Das Biest warf sich schnaubend und mit donnerndem Muhen hin und her, weigerte sich, in Eisen gelegt zu werden. Wieder und wieder versuchte der ältere von beiden Kerlen dem Bullen eine schwere Kette anzulegen, von denen noch drei weitere im Gemäuer verankert waren, doch es wollte nicht gelingen. Wüst kämpfte der Stier gegen seine erfolglosen Bändiger an, stampfte mit krachenden Klauen auf und verdrehte die Augen, dass man das Weiße sehen konnte. Zorn wurde zu Panik, Panik zu Zorn, in einem nicht enden wollenden Kampf. Für den Bruchteil einer Sekunde kreuzte sich der Blick des Tieres mit dem Dronons. Der Priester Balthasars verspürte einen Stich, es so zu sehen. Der bösartige Bulle war ein prächtiges Wesen. Kolossal im Wuchs, mit tiefschwarzem, glänzendem Fell und mächtigen, vorwärts gekrümmten Hörnern. Und stark, so stark. Er erinnerte sich an die vielen Male, die er mit dem Bullen gerungen hatte. Mal um Mal hatte das Tier ihn entweder von sich geschleudert, oder er war es gewesen, der es an Nacken und Hörnern zu Boden gezwungen hatte. Ein gutes Geschenk war dies gewesen, das er Mavey noch immer hoch anrechnete. Man hatte eine gute Zeit zusammen gehabt, auch wenn das Tier das wahrscheinlich anders sah. Der Priester konnte nicht leugnen, dass er dieses Rindvieh vermissen würde. Dass es ihn schmerzte, sich von ihm zu trennen. Auf viele Weisen war diese schnaufende, scharrende Bestie ihm seelenverwandter gewesen als all die Menschen um ihn herum. 'Lebe wohl, mein Freund.', dachte er sich, und schwieg.


Die Krypta, in der sie angelangt waren, war durchaus beeindruckend. Ein geräumiger Säulenraum mit düsteren Wandreliefs und einem großen Opferaltar samt einer Büste des Todesgottes, welche darüber aufragte. Vieles hier war aus Marmor und erweckte somit nicht den Eindruck, wirklich zu den älteren Anlagen der Katakomben zu zählen. Der zweite Priester des Grenth trug dieselben Roben wie seine Ordensschwester, auch wenn sein Haupt von einer bizarren Knochenmaske bedeckt war, die das schmale Antlitz eines blanken Tierschädels zeigte. Dronon musste nur einen Wortfetzen vernehmen, um Anatol von Sarzaleth zu erkennen. Natürlich war er es. Natürlich war es dieser unwürdige Bastard. Doch das spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Auf dem Altar waren allerhand Schalen und Krüge bereit gelegt – und eine mannigfaltige Auswahl an Skalpellen.


Driftmark und Wutton schoben ihre Fracht in den Raum, eh sie loseilten, um mit dem Niederhalten des Bullen zu helfen. Gerade in jenem Moment warf sich das Tier so heftig hin und her, dass es beide Stallburschen förmlich abwarf und dem jüngeren von beiden sein rechtes Horn in die Schulter rammte. Der unglückselige Kerl taumelte mit einem Schrei und spritzendem Blut zu Boden, den Akolythen Wutton dabei mit sich umreißend, während Driftmark mit größerem Geschick in die Bresche sprang. "MOOOOO~", donnerte das Rind immer wieder, während es mit aller Macht kämpfte. Es dauerte Minuten, viele weitere Mühen und fruchtlose Anweisungen, bevor es Mavey mit hochrotem Kopf, geschicktem Hebelgriff und der flankierenden Hilfe der Männer gelang, das Untier auf den Boden zu zwingen. In besserer Verfassung hätte Dronon diesen Kraftakt allein vollbracht, doch so rasend wie der Bulle heute war, wäre es auch vermutlich auch ihm kaum gelungen, selbst in Bestform. Das Tier spürte die Aura des Todes, die von diesem Ort ausging, man konnte es ihm ansehen. Es spürte, dass dies die Endstation war. Es kämpfte um sein Leben. 'Lebe wohl.'


Als das erste Paar Ketten sich endlich um die Glieder des Stiers schließen konnte, folgte der Rest rasch genug. Das Schnaufen der Anstrengung war allen Beteiligten zu entnehmen. Der Bulle stand sofort wieder auf, um einfach weiter zu muhen und zu kämpfen, doch nun ruckte er gegen zentimeterdicken Stahl statt gegen Menschen. Die Ketten rasselten immer wieder, während das tonnenschwere Tier vergeblich gegen ihre Umschlingung zerrte. Nur die Priesterin Balthasars fand noch den Antrieb, ihre Hand einen Moment lang auf der schwarzen Flanke des gefällten Leibes ruhen zu lassen, bevor auch sie zurück trat. Die angestrebte Beruhigung hielt nicht lange an.


Anatol Sarzaleths Knochenmaske ruhte noch eine Weile lang auf der turbulenten Szenerie, bevor sie sich dem Balthasardiener in jenem Stuhl auf Rädern zuwandte, der das Ganze in schweigsamem Grimm beobachtet hatte. "Grenth zum Gruß, Priester Dronon.", erklang die Stimme des Ascaloniers, während er demonstrativ beiseitetrat, um einladend gen des Altares zu weisen. "Kommt nur näher."


Unter dieser pompösen Maske verbarg sich ein Schmunzeln. Dronon wusste es in seinen Knochen. 'Selbst jetzt verspottet er mich.' Der Koloss engte die Lider, doch er verdrängte seine Abscheu für den Mann, in dessen Hände er sich begeben würde. Dafür war heute kein Platz. "Ehre sei Grenth.", sprach er, ließ den Namen seines eigenen Patrones ausnahmsweise weg und biss die Zähne knirschend zusammen. Gerade machte Driftmark Anstalten, wieder zum Rollstuhl zu treten, da packten die beiden grobschlächtigen Hände des bulligen Riesen die Armlehnen seiner Sitzgelegenheit. Schnaufend begann er zu drücken. Das Holz knarrte erbärmlich, während er sich mit schweren Atemzügen in die Höhe stemmte. Es waren nicht die Beine, die nicht wollten. Seine Brust war es, in der jeder Muskel stach, als wolle er reißen. Er ignorierte es. Zoll um Zoll richtete er sich auf.


Auch ohne Augenkontakt konnte er den vorwurfsvollen Blick Maveys spüren, der sich in seinen Schädel bohrte wie eine Lanze. Doch es war die Priesterin Ocean, welche sprach: "Priester – Ihr benötigt Eure Kraft gleich für etwas wichtigeres. Und zwar alle, die Ihr habt."


Er ignorierte auch dies. Mit der Mühseligkeit eines sterbenden Greises kam er auf die Beine. Breitbeinig stand er da wie eh und je, um der schweren Wunde zu trotzen, die ihn auch nach Wochen noch kampfunfähig machte. Er musste den Torso leicht nach vorn gekrümmt wahren, um stehen zu können. Eine träge Bewegung seiner massigen Schultern ließ den Mantel zu Boden gleiten, den er sich nur lose übergeworfen hatte. Barfuß und barbrüstig stand er vor allen Augen, sein Torso einzig verhüllt von einem dicken Stützverband. Mit inhaltslosen Grunzen gab er Driftmark und Wutton einen Wink. Beide Männer eilten voran und nahmen die trotz ausgesetztem Training noch gewaltigen Arme des Balthasar-Priesters über ihre Schultern, um ihn auf dem Weg voran zu stützen.


Das Gehen fiel weit weniger schwer als das Aufstehen, doch eine Plackerei war es dennoch. Sarzaleth nestelte an seiner Robe herum, doch er hatte keine Augen für den Mann. Er war das Medium, doch es war die Gunst eines Anderen, auf die er heute hoffen musste. Über dem Altar zierte ein kunstvolles Relief des Grenth die Wand. Der Eisige Prinz streckte seine bleichen Finger anbietend abwärts, als wolle er eine weitere Seele von ihrem Leid erlösen und zu sich nehmen. 'Nicht heute.', war der einzige Gedanke, der ihm dazu kam. Angelangt an seinem Ziel, sank er mit rasselndem Atem auf die Knie und stemmte beide Fäuste in den Untergrund, während seine zwei Helfer wieder zurück traten. Der Koloss horchte auf seinen eigenen Atem und das Rasseln der Ketten im Hintergrund, das vom vergeblichen Ringen seines Stieres kündete.


"Nun, Priester.. ich frage Euch ein erstes und letztes Mal bevor wir mit diesem Ritual beginnen-", erhob der Grenthkleriker erneut die Stimme, leicht gedämpft durch seine Maske, doch in klaren, unmissverständlichen Worten. "Ihr seid Euch sicher, dass Ihr dieses Geschenk Grenths erhalten wollt, auch auf die Gefahr hin dass, sollte er Euch nicht für würdig erachten, Ihr direkt vor seiner Gerichtsbarkeit stehen werdet?"


Damit hatte er nicht gerechnet. Viel weniger jedoch seine Ordensschwester, deren gerüstete Schritte plötzlich hörbar in Richtung des Altares drängten, eh irgendjemand sie aufhielt. Zischende Frauenstimmen flüsterten im Hintergrund. Der Kriegerpriester schnaubte matt und hob den Blick nach rechts, um in die schwarzen Augenhöhlen der Knochenmaske zu starren. Es kamen ihm viele Entgegnungen in den Sinn. So viele. "Fahrt fort.", grollte er, und wandte seinen Fokus wieder dem gemalten Abbild Grenths zu.


"So sei es also." Eine Geste Sarzaleths sorgte dafür, dass mit Ausnahme der vier Priester und natürlich des Tieres alle Mann den Raum verließen. Das Stöhnen des verwundeten Stallburschen verklang in den Gängen außerhalb, während der Geweihte Grenths Dronon die Hand reichte. "Ihr müsst Euch auf den Altar legen und in erster Linie stillhalten. Ihr werdet keine Schmerzen fühlen, aber Ihm näher sein als Ihr es jemals wart." Der Priester Balthasars war sich äußerst sicher, dass diese Aussage falsch war, doch er ergriff die Hand ohne zu zögern und hievte sich selbst unter Schmerzen und der mühseligen Hilfe des Ascaloniers auf den mit Blutrinnen durchfurchten Altar. "Ich werde Euch ganz entkleiden.", fügte Sarzaleth an, als der massige Halbelonier schließlich rücklings auf dem kühlen Stein zur Ruhe kam.


Im Hintergrund war das Toben des Stieres inzwischen schwächer geworden. Das Tier resignierte, doch es gab noch längst nicht auf. Wann immer keine Ketten rasselten, konnte man eine leise Ahnung von fortgesetztem Frauengetuschel vernehmen. Natürlich - Mavey gab sich nicht zufrieden. Aber sie würde es müssen.


Er unternahm Nichts, als man die restliche Kleidung von ihm streifte, den Verband zerschnitt und von seinem Brustkorb löste, um die Naht freizulegen. Die Binden würde er bald nicht mehr brauchen – so oder so. Sein Blick war aufwärts gerichtet, den Raum ausblendend, galt einzig und allein dem Relief und der Statuette des Grenth, unter dessen wachendem Auge er lag. Er, der er jede Tat sah. Er, dessen kalter Blick ihn so lange begleitet hatte, wo die Welt nur von Balthasar wusste. Er, dessen Urteil er fürchtete wie Nichts anderes.


"Wiederholt Euren Wunsch, während Ihr in Sein Gesicht seht."


Sentenzar Dronon nahm all seinen Mut zusammen. "Grenth, Herr des Eises und des Todes.", sprach er dann. Seine Stimme hatte immer noch Kraft, doch die Brust stach mit jedem lautstarken Satz. "Ich komme vor dich, frei von jedem Schleier. Akzeptiere mein Opfer, das mir teuer ist, und heile meinen Leib, denn ich will die Waffen einmal mehr erheben können gegen die Ketzer und ihre unsichtbaren Götzen. Ich will jeden Schmerz überdauern, um Stärke zu empfangen."


Der berobte Nekromant hatte inzwischen einige der Utensilien beiseite geräumt und den Inhalt von vier identischen, flachen Schalen entzündet, welche er qualmend auf die Ecken des Altares verteilte. Rasch zog der eindringliche Duft nach Weihrauch in die Nase des Balthasar-Dieners, während dichte weiße Schwaden über ihm ineinander verflossen. Es war, als würde Grenths eisiger Nebel den Raum erfüllen. Durch den bleichen Schleier erschien es dem Krieger beinahe, als würde die Büste des dunklen Gottes ihr Haupt in Akzeptanz neigen. Sein Herz schlug schneller. Irgendwo im Hintergrund schallte eine Ohrfeige, doch das Geräusch erschien ihm entsetzlich fern, während er die weihrauchgeschwängerte Luft tief einsog. So keuchte er, als der Priester Grenths einen Schwall eiskalten Wassers auf seine Brust goss.


"Fleisch zu Eis und Eis zu Fleisch!", intonierte Sarzaleth in melodischem Grimm, den er fast so gut beherrschte wie sein Bruder. "Grenth! Prinz des Eises! Herrscher der Toten! Erhöre diesen Bittsteller, der vor dir liegt. Einmal hast du ihn bereits verschont. Nun gebe ihm zurück, was unlautere Hände ihm trotzdem nahmen. Als Zeichen für seinen Willen nicht nur zu betteln wie ein räudiger Köter, bietet er dir diesen Bullen an, der an Kraft und Wildheit kaum zu übertreffen ist." Blasse Finger strichen über den massiven Brustkorb, formten unergründliche Muster aus dem frostigen Wasser. Die Berührung hinterließ eine stechende Kälte im Fleisch, als würde der tödliche Hauch ihn bereits jetzt ereilen. Im Hintergrund ruckte das Tier ein letztes Mal verzweifelt gegen seine Ketten. Er konnte nicht sehen, was dort geschah, doch die letzten Vorbereitungen waren abgeschlossen. Daran gab es keinen Zweifel.


Nachdem die Hand verschwand, sah er die Welt für einen Moment einzig durch den Schleier weißen Rauches. Alles, was er noch klar und deutlich erkannte, war das steinerne Abbild Grenths. Und er fühlte sich müde. So schrecklich müde. Um ihn herum dämmerte die Welt, und die Nebel rückten näher. Hier brannte sein Feuer nicht mehr. Eine fremdartige Ruhe fand Einzug in sein Herz. Er hatte sich geirrt.


Dann neigte sich die leblose Maske des Letzten Richters durch den Schleier. Seine Augen lohten grün, und er führte eine Klinge aus Knochen. Die Nähte waren rasch durchtrennt. So leicht glitt der schwarze Faden auseinander, und sein Innerstes klaffte auf unter dem gnädigen Schnitt. Sein Blut troff zu beiden Seiten herab, vermengte sich mit dem frostigen Nass. Es fand seinen Weg in die Rinnen des Altares und überzog den kalten Stein mit einem roten Netz. Während Sentenzar Dronon bei lebendigem Leib aufgeschnitten wurde, stieß sein Stier einen letzten Schrei der Qual aus.


"Wer weder zögert noch zurückweicht, wird belohnt werden."


[color=#000000]- Schriften des Balthasar, 48 V.E.