Rundgang durch Götterfels

„Wollen wir einen Spaziergang machen? Komm mit. Ich zeig dir die Stadt. Was sich verändert hat weiß ich selbst nicht so genau. Ich erzähl es dir einfach so, wie ich mich erinnere.


Das Haus dort rechts ist das alte Heilhaus. Da hat sich früher Elene Winzer um die Kranken und Verletzten gekümmert, mit ihrer blauweißen Schürze. Später hatte Betty Rawson ihren Geldverleih da oben. Sie saß oft mit einem Glas Wein auf dem Balkon. Und Lucas wollte dort als Arzt arbeiten. Wir haben in dem Haus auch das Casino stattfinden lassen. Weißt du, ich glaube die Leute haben nie rausbekommen, dass ich in Wahrheit der Sandmann war. Ich hatte einen Freund....Al.
Al hat für mich alles übernommen. Er war ein guter Sandmann. Ein guter Freund. Bevor er sich erhängt hat.


Links geht es zu John Tavingtons Büchsenmacherei. Die steht da nicht mehr. Später hatte Feral Sarin dort seine Schmiede. Komm geradeaus. Jetzt hängen hier Separatistenplakate an den Wänden, das war früher nicht so. Ich kling wie eine alte Frau, oder, nur sage ich nicht unbedingt, dass es besser war. Es war eben anders.
Die Straße kennst du, unser altes Haus steht immer noch genauso dort, wie wir es damals verlassen haben. Manchmal komm ich noch dahin zurück. Es ist anders als das Anwesen, natürlicher irgendwie. Und links der Meridian. Mein Meridian. Leon hat schon Ewigkeiten nicht mehr vorbei geschaut. Aber Avram ist auch jetzt drin und kocht Tee, wette ich. Lynn kümmert sich darum. Es ist eigentlich unfassbar, wenn ich zurückdenke. Asim, Graupel, Draga, Firn. Anna mit ihrer Maske. Leute, an deren Namen ich mich gar nicht mehr erinnere...wer hier alles gearbeitet hat...
Und da hinten die Wand, komm mal mit. Hier ist ein Stein locker...hier hat er immer gestanden. Hat gewartet.
In der Wunderlampe hat, als du das letzte Mal zu Gast warst, wahrscheinlich noch Diarmai gearbeitet. Sie wohnt da hinten. Jetzt kümmert sich ein Norn darum, der einem immer blöde Spitznamen gibt. Siehst du den Platz dort? Da wurde Orien geköpft. Manchmal frag ich mich, was passiert wäre, wenn ich ihr das Gift nicht gegeben hätte.
Lass uns weitergehen.
Da oben ist der Balthasarschrein. Es gab ein Attentat auf Priester Dronon, es gibt ständig Attentate auf ihn; er war wahrscheinlich der einzige, auf den mehr Angriffe ausgeübt wurden als auf uns. Eine Weile lang hieß es, er sei tot. Aber neulich bei der Götterzeremonie hat er schon wieder rumgeschrien, so schlecht kann es ihm also gar nicht gehen.


Das Gebiet ist schon lange keine Baustelle mehr! Das ist der Kronpavillon. Da hinten verstecken sich zwei Verliebte in den Büschen, aber nicht gut genug, man sieht genau, was sie vorhaben.
Wenn du den Pavillon verlässt, siehst du zur Rechten den Melandruschrein. Das ist einer meiner liebsten Orte. Wie eine Oase im Westlichen Marktviertel.
Hier kommen viele meiner Freunde her. Das ist der Flaschenhals. Erinnerst du dich noch an Sate? Der Typ, der niemals seinen Zylinder abgenommen hat. Niemals stimmt nicht, zuletzt, als er dann mit Arlassia zusammen war und nicht mehr mit Breena, hat er ihn eigentlich gar nicht mehr getragen, und er hatte Haare darunter, für die er viel Spott einstecken musste. Er war der Pächter, an den sich wahrscheinlich die Meisten erinnern, auch wenn es zwischenzeitlich andere gab, Mirabel und einige weitere. Zuletzt haben Tin und Leyla den Hals übernommen, ich glaube nicht weil sie wollten, sondern weil er für sie eine Art zweites Zuhause war. Als Bro noch in der Stadt war, hat seine Bande quasi hier gewohnt. Ich erinner mich an die Leute, die oft hier vorbeikamen. Rialeth, der Fink, Rjordan, Talianna, der seltsame Fengys. Cird.
Sollen wir weiter? Da hinten ist das Armenlazarett – oder war. Ich weiß nicht, ob Tin noch in der Stadt ist. Immer wenn ich ihn gesehen hab, war er auf irgendeine Art verletzt und meistens war er beleidigt, aber er hatte etwas an sich, das ihn liebenswert gemacht hat. Er hat zu Bros Leuten gehört. Wir hatten nie Krieg mit ihnen, aber wir standen ein paar Mal kurz davor. Es ist zu kompliziert, das zu erklären. Ich glaube, am Ende waren wir Freunde.


Vor dem Östlichen wird man immer gewarnt, nicht allein dorthin zu gehen, vor allem nicht nachts. Die Wahrheit ist, dass ich es immer unbehelligt passieren konnte. Ich bin nie in Ärger geraten. Ich fand es immer schade, dass die große Bühne da hinten so selten in Benutzung war. Siehst du das Lagerhaus daneben? Das ist DAS Lagerhaus. Der Mann da hinten ist einer von Leons Freunden, er arbeitet auf dem Jahrmarkt. Sieh nicht zu lange hin, ich will nicht mit ihm reden müssen. Er riecht jedes Mal nach Schweiß und irgendetwas Sauerem. Hörst du das Gedudel? Ich will es nicht Musik nennen. Das magische Orchester. Ich glaub keiner weiß, warum es immer noch hier steht. Die Häuser im Umkreis sollten günstig sein, wenn du mich fragst. Das ist übrigens die Sackgasse. Da gibt es entsetzlich dünnes Bier.


Die Rurikhalle sieht noch aus wie früher. Baron Wolsey ist jetzt der Schirmherr. Die Leute, die ich von dort kenne, hab ich lang nicht mehr gesehen. Sie sind anders als alle anderen Leute, die ich sonst so getroffen habe. Die Nebelsteins zum Beispiel. Sie haben lange Zeit ein Geheimnis mit sich herumgetragen. Ich erzähl es lieber nicht, denn es würde dir nicht gefallen. Emilie Lablanche, hat mich immer mit ihrer Magie geärgert. Die Averons. Nein. In dem Haus wurden wenige echte Freundschaften geknüpft, aber ein paar immerhin. Schnell, komm weiter, da ist Lauterwald, am Ende nimmt er dir die Stiefel ab. Oder Melandrin kommt raus und schenkt dir einen seiner verächtlichen Blicke.
Wir haben keinen Ärger mit der Ministerialwache mehr. Kastella ist ja lange schon weg. Und was machen wir denn noch groß in der Stadt. Aber ich glaub, Harry, der jetzt das Maidenwispern führt, hat unter ihnen zu leiden. Hier arbeiten noch ein paar andere Leute, die ich kenne, Trixie und Sheila und Alice. Irgendwie hab ich Angst, dass sie mir ins Getränk spucken. Ich hab hier neulich auch Claire getroffen. Ich glaub, sie kann ihren Hass nicht hinter sich lassen. Das ist ein Hass, der sich für mich so weit weg anfühlt. Nein, lass uns linksrum gehen, ich will nicht am Pfandhaus vorbei.


Hier hat Richter von Minden gelebt. Seine ganze Familie ist tot. Sie wurden alle drei ermordet. Aber ich sag dazu besser nichts, Papa hat immer gesagt, man hält sich, wenn es um Getötete geht, besser bedeckt, egal ob man was damit zu tun hat oder nicht. Das Haus dort gehört Melandrin. Ein wahres Gruselkabinett. Schräg gegenüber hat Gwennis von Weißenstein gewohnt, bevor Adrian sie nach Löwenstein mitgenommen hat. Und kennst du die Varathors? Die wohnen dort. Die Häuser sind prunkhaft, feine Häuser für feine Leute. Der Schrein der Lyssa und das Badehaus. Zum Schrein gehe ich nie, da wohnt die verrückte Maskenfrau, und im Badehaus war ich nur einmal. Emilie Lablanche hat mich geärgert. Ich glaube die Frau, die es führt, heißt Nairi Casoria. Und dann arbeitet da ein Mann mit sehr langem Haar. Du fändest ihn wahrscheinlich gutaussehend. Emilie La Blanche fand das auch, aber mehr sag ich nicht dazu.


Ich versuche, das Salma-Viertel zu meiden. Es ist ein Ort verwirrender Erinnerungen. Hier stand ein Haus. Es hat Cird gehört, aber John Tavington, von dem du so begeistert warst, hat es dem Erdboden gleich gemacht. Das dort war Als Haus. Ein schreckliches Verhau, nicht wahr?
Dort vorn war das Krug und Klinge, ich glaube zumindest, dass es so hieß. Vilgean, Marzio und ich haben einmal in Ossa ein Schwein geklaut und es da angebunden, dann haben wir den Hanadis-Jungs gesagt, dass wir ihren dritten Bruder gefunden haben. Die Hanadis waren zwei Brüder, die beide mit derselben Frau verheiratet waren, und obwohl wir ihnen eigentlich keinen Grund gegeben haben, haben sie in uns so etwas wie Rivalen gesehen. Sie haben dann ein großes Schlachtfest gemacht. Östlich von hier wohnt Hannah, weißt du noch, Koljas Freundin. Sie hat so lange auf ihn gewartet. Ich glaube er versteht bis heute nicht, was er ihr angetan hat. Das große Haus? Das ist der Lotus. Ach – stell es dir vor wie eine Taverne, die besondere Wünsche erfüllt. Als Cionar zum Ehrenmann wurde, hat Adya das komplette Haus gemietet. Ich war nicht dabei, aber mir wurde erzählt, dass eine der Frauen Florim ausgelacht hat – oder waren das Lynn und Onkel Victor? Am Ende trat zumindest wieder ein, was ja meistens passiert, nämlich, dass irgendeiner beleidigt ist.
Nicht dort entlang. Da geht es zu den Di Saverios. Alessa und Florean. Ich habe nichts gegen sie. Manchmal leben die Menschen sich auseinander. Und ich glaube, das ist in Ordnung. Ich glaube außerdem nicht, dass Levi gerade da ist.
Schau, im Vorhut-Hospital tut sich irgendwas, wahrscheinlich wurde jemand verletzt. Lass uns weitergehen, ich hab dort schon zu viele Leute besucht. Der Grenth-Schrein hat mir als Kind immer Angst gemacht. Heute weiß ich nicht mehr, weshalb.
Und hier ist wieder unser Haus. Ich mach dir Tee, du siehst müde aus.
Komm, Mama, bleib da nicht zu lange stehen, das trübt nur die Gedanken. Wenn du Ilie heute noch sehen willst, müssen wir uns außerdem beeilen, sonst spaziert er uns wieder davon, und ich muss noch packen. Wenn du dich beeilst, schaffen wir es vielleicht noch bei Lynn und Alesha vorbei, dann kannst du ihnen vorschreiben, wie sie ihre Hochzeit auszurichten haben. Ich weiß, du findest, ich sollte mich mal wieder verabreden, aber lieg doch stattdessen einfach ihnen in den Ohren.
Heheha. Das Lachen hab ich nicht von Onkel Victor, gar nicht wahr. Das hat er von mir!“

Kommentare 10

  • Ich habs jetzt erste gelesen,auch wenn es im Skype irgendwie angeschrabt wurde.Ich kenne alle Namen und finde es sehr schön geschreiben.Gw hat schon ne tolle RP Zeit gehabt.
    Ist schön melancholisch wenn auch nicht zuviel,echt stimmig ganz toll.

  • Mir wärmts das Herz, euch alle hier zu lesen (gilt auch für die "auf Skype antworter") <3

  • Oh wow, und an wieviel du dich noch erinnern kannst.
    Jetzt wo du es nochmal erwähnst, viel mir auch so viel wieder ein.


    Das wärmt das Herz. Danke.

  • Oh danke ihr Lieben. Ach was hab ich euch gern

  • da kommt richtig Nostalgie auf u_u

  • Wirklich sehr schön, ich kann mich -trotz Pause- auch an all das Geschriebene erinnern. Aber vor dem Grenthschrein muss man sich doch nicht fürchten. Wir haben Kekse. :)

  • Sehr schön. <3

  • Das ist hübsch, das hab ich sehr gern gelesen. :)

  • Und irgendwie traurig.

  • Das ist ein schöner Rückblick. <3