Verändernde Zeiten

Verändernde Zeiten




Es war heiß. Die Sonne schien auf die Lande der Eisensümpfe und die fernere Umgebung spiegelte sich in der erhitzten Luft, die vom Boden aufstieg. Zur selben Zeit traf ein Trupp der Eisen-Legion in der Krämersenke ein. Es war der Stahl-Trupp, teil der Kompanie Schmelztreiber und geleitet von dem Legionär Sira Stahllauf. Unter ihnen befand sich auch ein Charr namens Kersus Stahlklaue, der dem Legionär nicht von der Seite wich, sofern es ihm nicht anders befohlen wurde.


„Wir rasten hier vorerst. Legt eure Sachen ab, ruht euch etwas aus und füllt die nötigen Vorräte wieder auf. In zwei Stunden brechen wir zu unserer Patrouille auf und keine Sekunde später!“ sagte die leitende Charr Sira Stahllauf. Ihr Fell war gefärbt wie der Sand der überall in Ascalon zu finden ist und Ihre Mähne zierte ein deutlich dunkleres Braun. Sie trug leichtere Rüstung, wichtige Teile waren mit kleineren Stahlplatten bedeckt und der Rest wurde geschützt durch gehärtetes Leder. Ein Gewehr, geformt und geschmiedet in den Öfen der Schwarzen Zitadelle, führte sie immer bei sich sowie einen Dolch, den sie an ihrer Tracht im Bereich der linken
Hüfte befestigen konnte.


Ein schwer gepanzerter Charr, der zwei Klingen bei sich führte, näherte sich dem Legionär. Er überragte sie von der Größer her um einen ganzen Kopf. „Sira.“, sagte er, „Hast du dir bereits Gedanken über die Formation gemacht?“ Sie hob die Lefzen leicht, nickte knapp und antwortete auf Seine Frage: „Ich führe den Trupp, wie gewohnt, an. Du, Stahlklaue, wirst das Geschehen hinter uns in Auge behalten und positionierst dich am Ende der Formation. Und jetzt leg deine Sachen ab und ruh dich etwas aus, denn wir brechen bald auf.“


Sie mochte es ihn ein wenig zu ärgern und Kersus antwortete: „Du sollst mich Kersus nennen, wie oft soll ich dir das noch erklären?“ Er hob dabei die Lefzen, stieß ihr leicht mit der rechten Pranke gegen die Schulter und wandte sich dann von ihr ab. Sira war für Kersus wie eine Schwester und Kersus war für sie auch wie ein Bruder. Er war bei jeder Entscheidung auf ihrer Seite, schließlich hatte sie doch das Talent in schwierigen Situationen die richtige Wahl zu treffen. Hätte jemand ihre
Befehle in Frage gestellt, oder sie gar missachtet, hätte Kersus sich darum gekümmert, bevor sie überhaupt das Maul geöffnet hätte. Sira schätzte ihn dafür sehr und ernannte ihn zum Brevet des Trupps. Jemand besseres hätte ihr für diesen Posten nicht einfallen können.


Nach knapp zwei Stunden fand sich der Trupp zusammen. „Wir werden von hier aus über die Soldaten-Hochebene zum Ruhmesstieg marschieren. Dann begeben wir uns zur Granitfront, bis wir am Rande des Brandes stehen. Von dort aus geht es dann wieder denselben Pfad zurück. Haltet die Augen offen und spitzt die Ohren. Ich will die Rauchschnüffler eher sehen, als sie uns.“, sagte Sira und ein „Verstanden, Legionär!“ erwiderte der Trupp.


Die Formation passierte die Soldaten-Hochebene und erreichte den Ruhmesstieg. Es gab keine besonderen Vorkommnisse, nur die Hitze machte den Soldaten das Leben schwer. Sie hatten sich jedoch entsprechend vorbereitet und die eine oder andere Feldflasche wurde bereits geleert. Sie machten eine kurze Rast im Ruhmesstieg, um die Wasservorräte wieder aufzufüllen und darauffolgend zog der Trupp weiter zur Granitfront. Jedem einzelnen Charr von ihnen war klar, was ihm alles auf dieser Patrouille begegnen und widerfahren könnte. Doch mit dem was noch vor ihnen lag, hatte niemand gerechnet.


Ein Drittel des Weges bis zum Brand lag bereits hinter ihnen, als die Sicht langsam schlechter wurde. Sand und Staub lag in der Luft und behinderte den patrouillierenden Trupp bei seinem Vorhaben. Als sie nun auch den Geruch von Asche vernahmen und kleinere Funken, die wie Schnee vom Himmel herabfielen, bemerkten, war ihnen klar, dass sie bereits entdeckt wurden.


Die Sicht wurde immer schlechter. In der Formation konnte man nur noch die Silhouette seines Vorder- oder Hintermannes erkennen. „Ruhe bewahren! Hat irgendjemand etwas gesehen, bevor dieser Aschesturm über uns hereinbrach?!“ versuchte Sira gegen den Lärm, den der Sturm verursachte, anzubrüllen. Etwas weiter hinter ihr schallte dann ein „Ich habe nichts gesehen! Keine Gestalten und keine ungewöhnlichen Vorkommnisse, bis auf diesen `flammten Sturm!“ auf. Sira erwiderte darauf ein „Nun gut, bleibt ruhig und …!“, doch sie brach mitten im Satz ab.


Nun wurde der Trupp unruhig. „Stahllauf!? Wie lauten die weiteren Befehle?!“, rief ein Truppenmitglied aus den mittleren Reihen der Formation, doch es kam keine Antwort. Ein Charr der direkt hinter Sira positioniert war, hat sie wohl zu Boden fallen sehen, doch als er versuchen wollte etwas zu sagen, brüllte Kersus auf. Er wusste nicht was Sira die Sprache verschlagen hatte, jedoch musste jemand in dieser Situation den Trupp Anweisungen geben, um dem Feind kein leichtes Spiel
zu machen. „Soldaten! Sammelt euch in der Mitte der Formation! Bildet einen Kreis und achtet auf alles, was ihr vor euch erkennen könnt!“, brüllte Kersus und der Trupp folgte seinem Befehl, schließlich kam keine Reaktion vom Legionär mehr und so musste er als Brevet die Führung übernehmen, bis geklärt werden konnte, was mit Sira geschehen war.


Der Trupp fand sich zusammen, bildete einen Kreis und es wurde nun beobachtet. Langsam wurde ein immer lauter werdendes Knistern hörbar. Dann bemerkte ein Charr des Trupps ein glühend rotes Objekt, welches immer größer wurde. Kersus wurde darauf aufmerksam gemacht und anschließend brüllte er, „ Lauft auseinander, lauft!“. Er wusste was folgen würde. Schon als er anfing zu brüllen, flog das Objekt direkt auf das Zentrum der kreisförmigen Formation zu. Kersus wusste nun, dass es sich um mindestens zwei Flammenschamanen handeln würde. Einer der den Aschesturm aufrecht hielt und der andere, der gerade eine flammende Kugel in ihre Reihen warf.


Der Trupp schaffte es gerade noch auseinander zu laufen, jedoch als der Feuerball einschlug, drückte die darauffolgende Druckwelle den Trupp noch weiter auseinander. Kersus konnte nun keine Befehle mehr erteilen, jedenfalls nicht mehr so lautstark. Zwei Charr seines Trupps waren ihm beim Auseinanderaufen gefolgt. Die Druckwelle riss sie zu Boden und machte sie etwas benommen.Kersus richtete sich schnellstmöglich auf, leise und dabei versuchend den beiden seinen Plan zukommen zu lassen.


Als sich die beiden Charr dann ebenfalls aufrichteten, näherte Kersus sich den beiden und deutete mit seiner rechten Pranke deutlich nach Nordosten. Er wusste, dass sich dort einer von ihnen zuletzt aufgehalten hatte, denn von dort ging der Feuerball aus. Die drei blieben beisammen und näherten sich langsam dem Ort des Ursprungs des glühenden Objektes. Ihnen war klar, dass sie nun nicht mehr sicher sein konnten, ob sie einem Feind oder einem Freund gegenüber treten würden. Sie mussten nun besonders vorsichtig sein.


Als sie sich weiter näherten, sahen sie etwas in der Entfernung. Es sah aus wie brennende Arme, die seltsame, fast schon ritualartige Bewegungen in die Luft zeichneten. Kersus prüfte nun genau welche Charr er bei sich hatte. Einer von ihnen war Schütze, wohl neben dem Legionär einer der besten. Die Pranke von Kersus deutete auf das Gewehr des Schützen und danach streckte er seinen Arm zur Gestalt vor ihnen aus. Der Schütze legte seine Waffe an und begann zu zielen. Er zielte genau zwischen die Arme auf den Punkt, wo er den Kopf des Feindes vermutete. Kurz bevor er abdrücken wollte, ging er lieber in die Knie, atmete aus und währenddessen betätigte er den Abzug.


Die Kugel traf ihr Ziel, doch wo genau, konnten sie nicht erkennen. Die Flammen des Feindes erloschen. Ob er nun tot war oder nicht, wussten sie nicht, doch langsam legte sich der Sturm. Die Sicht wurde klarer und die Augen wurden umso mehr von den Drein offengehalten. Konnten sie doch nun den übrig gebliebenen Flammenschamanen besser erspähen. Der von ihnen getroffene Schamane, der wohl den Sturm aufrecht gehalten hatte, lag regungslos am Boden. Bevor sie sich einen kompletten Überblick über das Gelände verschafft hatten, hörten sie etwas an ihren Köpfen vorbeihuschen. Es war ein Pfeil, der an ihnen vorbeiflog, verschossen von einer Schattenklinge der Flammen-Legion.


Kersus zögerte nicht lang, sah zu seinen Schützen und brüllte nur: „Feuer!“. Ehe er auf die Schattenklinge zustürmte und sein Schütze auf den Feind einen Kugelhagel niedergehen ließ. Der zweite Charr, der Kersus begleitete, zückte initiativ seine Pistole und machte es dem Schützen nach. Die Schattenklinge sah Kersus auf sich zukommen, legte einen Pfeil an, als plötzlich eine Kugel ihren rechten Arm durchbohrte und sie dadurch abgehalten wurde, ihren Bogen zu spannen.


Der Feind erkannte seine missliche Lage und setzte zur Flucht an, doch Kersus war in voller Fahrt und die Schattenklinge schaffte es nicht so schnell zu beschleunigen, um ihn noch zu entkommen. Mit gezogenen Waffen rannte Kersus auf sie zu und richtete seine rechte Klinge, bereit einen Stich anzusetzen, aus. Die Schattenklinge bemerkte Kersus, wie er ihr schon fast im Nacken saß. Kurz bevor er sie erreicht hatte, wandte sich die Schattenklinge um, zückte zuvor einen Dolch und versuchte diesen in Kersus ungeschützte linke Flanke des Brustkorbes zu rammen, jedoch vergeblich. Doch bevor der Dolch sein Ziel erreichte, durchbohrte die Klinge von Kersus die lederne Tracht des Feindes und teilte schließlich seine Wirbelsäule in zwei. Die Schattenklinge ging sofort zu Boden, nachdem Kersus seine Klinge aus dem Rückgrat des Feindes herauszog.


Die Schüsse verstummten bereits, als Kersus kurz vor der Schattenklinge stand. Der Sturm hatte sich nun gänzlich gelegt und das Ausmaß der Schlacht wurde erkennbar. Vier Charr lagen am Boden. Der erste am Boden liegende war der Flammenschamane, der den Sturm aufrecht gehalten hatte, gefolgt von der Schattenklinge. Ein weiterer Flammenschamane lag am Boden, umringt von zwei Mitgliedern des Stahl-Trupps. Doch dann gab es noch einen vierten am Boden liegenden Charr. Dieser sah nicht aus wie einer von der Flammen-Legion. Kersus näherte sich dem noch unbekannten, am Boden liegenden Charr. Seine Miene zeugte nicht gerade von Siegesfreude. Immerhin war es einer seiner Leute, der am Boden lag. Als er sich näherte, konnte man für einen kurzen Moment den Schock in seinem Gesicht sehen, als er das Opfer erkannte und Ausmaß der Verletzung analysierte. Es folgte blanke Wut, die sich in seiner Miene widerspiegelte.


Es war Sira Stahllauf, der Legionär des Stahl-Trupps, der am Boden lag. Sie bewegte sich nicht und zu atmen schien sie auch nicht mehr, was auch nicht verwunderlich war. Ein Pfeil hatte sich durch ihren Schädel gebohrt und hatte ihr vermutlich bereits zu Beginn des Sturmes das Leben geraubt.


Die Schlacht war vorbei, die Patrouille wurde beendet und das Opfer wurde zurück in die Schwarze Zitadelle gebracht. Dort wurde Sira dann verbrannt und nichts außer ihrer Asche und ihr Gewehr blieb von ihr übrig, welches Kersus seit diesem Tag bei sich führt. Es hatte ihr gute Dienste geleistet und nun würde es ihm gute Dienste leisten. Sie hatte es so gewollt, als sie in vergangenen Tagen scherzte und meinte, wenn sie sterbe, solle er ihr Gewehr bekommen, damit er endlich den Umgang mit einem Gewehr lerne.


Nach ihrem Ableben führte Kersus nun als neuer Legionär den Stahl-Trupp an. Er war der Brevet und wäre es dadurch ohnehin geworden. Zusätzlich hatte er sich an diesem Tag auch den Respekt des gesamten Trupps als Legionär verdient.


Er leitet nun den Trupp, den eigentlich noch Sira hätte leiten müssen. Jeden Tag, wenn er erwacht und seinen Trupp Befehle erteilt, auf Patrouillen geht, eine Mission leitet oder selbst wenn er die Gezackte Klinge aufsucht, wird er an sie erinnert.


Man sagt, dass Kersus am Tage, als sie fiel und er auf ihren leblosen Körper starrte, das erste und einzige Mal eine Träne vergossen hatte und seit jeher ist es beim dem einen Mal geblieben. Dieser Tag hatte Kersus verändert. Er war nicht mehr der Umgänglichste und ließ sich eine Zeit lang von so gut wie allem provozieren, selbst wenn es sich um einen Scherz handelte. Mit der Zeit legte sich das Verhalten etwas, doch er würde nie wieder so sein wie früher.

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