Das Glimmen meiner Zigarette verriet meine Anwesenheit noch bevor ich vom Rauch umschmeichelt aus dem Schatten trat. Der Himmel war grau verhangen und die Tropfen prasselten auf mich hernieder. Natürlich regnete es, wie sollte es auch anders sein. Doch lange hielt ich mich nicht auf mit meteorologischen Details, teilte mir doch der Himmel lediglich mit, dass ich den Hut gebrauchen hätte können, den ich ein paar Stunden zuvor neben der Leiche des Attentäters hatte liegen lassen. Wie erbost war ich gewesen als der Geruch von Bittermandel meine Nase gekitzelt hatte. Selbst das warme Badewasser nach den Ereignissen hatte nicht vermocht mir die Schatten abzuwaschen. Sie klebten immer noch an mir, wollten mich verlocken. Doch heute würde ich ihnen nicht mehr nachgeben, noch war ich Herr meiner Sinne und diese brauchte ich nun. Fokus. Ich konnte den Vortrag den Arian mir halten würde in meinem Kopf wiederhallen hören. „Ich brauche Euch fokusiert, Ellinor. Ansonsten seid ihr nutzlos…ihr wollt mich doch nicht enttäuschen…Bla. Bla. Bla“ Selbst wenn er nicht da war trieb er mich auf die Palme. Natürlich würde ich das nie laut aussprechen, wusste ich immerhin, dass er sich darin wälzen würde, kein Geheimnis aus seinem Amüsement darüber machen würde nur um mich noch weiter zu nerven. Mittlerweile kannte ich ein zwei seiner Muster und so hatte ich es vorgezogen diesen Teil unseres Falls allein in Angriff zu nehmen. Vermutlich hätte er mich nur behindert in meinem Vorhaben und musste ich mich ohnehin nun auf das Wesentliche konzentrieren. Von allein würde ich Iris nicht mitbekommen und seit ich wusste wer dahinter steckt wurde mir nur immer unwohler.
Zwischen meinen Fingern drehte ich die Münze, die ich bei dem vergifteten Schützen gefunden hatte. Ein Emblem darauf mit schlichten fünf Strichen in blutroter Farbe. Sie wanderte wieder in meine Jackentasche und nun schritt ich in Richtung meines nächsten Ziels, des „Seehexe“. Ein seltsamer Name für eine Absteige wie ich fand, aber am Ende war „Die Zerbrochene Wunderlampe“ auch kein literarischer Erguss. Letzten Endes, so vermutete ich, waren die Namen ohnehin austauschbar so lange nur genug Alkohol floss und Weiber sich rekelten. Die meisten Menschen waren einfach zufrieden zu stellen. Mit einem Schwingen öffnete ich die Tür um über deren Schwelle zu treten. Es war ein altes Gebäude, oder zumindest aus alten Teilen gebaut. Letzte Reste eines alten Löwensteins, einer Stadt so voller Schiffsteile, dass einem schlecht werden hatte können. Und dieser Laden, er war der Inbegriff dieses ätzend blubbernden Gefühls im Magen. Die Rauchschwaden kamen mir bereits im Eingangsbereich entgegen und die Luft stand förmlich in den kleinen Räumlichkeiten. Suchend irrte mein Blick umher schrille Farben und geschmacklose wenn auch reizvolle Kleidung zu erfassen, welche auf meine Kontaktperson hindeuteten. Wie in jedem Lokal dieser Art führten mich meine Schritte zu aller erst an die Bar. „Wo find ich Sam?“ richtete ich an die Barfrau, eine Frau des älteren Semesters in einem Kleid aus dessen Ausschnitt alles drohte heraus zu hüpfen während die Nähte zu platzen drohten. Ihr Schulterlanges Haar war bereits von einigen grauen Strähnen durchzogen und ihr Gesicht zeugte von Alkohol, Drogen und anderen Exzessen. Sie sah aus wie ich mich fühlte. „Die is grad bei nem Gast hinten soll ich was ausrichten?“ richtete sie an mich und ihre Stimme klang, wie ich sie mir passend zum Gesicht vorgestellt hatte, kratzig vom Rauchen und müde, unsagbar müde. Ich sah mich noch einmal kurz um und meine Ohren vernahmen ein vertrautes Lachen. Blaue Iriden folgten dem Geräusch und so hatte ich mein Ziel, die Tür zum Separee gefunden. „Danke ich erledige es schon selbst.“ Meinte ich und bewegte mich mit raschen Schritten auf die Tür zu, immerhin hatte ich nicht vor den ganzen Tag hier zu verplempern. „Aber da dürfen nur ausgewählte…“ Doch da war ich bereits hinter der Trennwand verschwunden.
Vor mir erstreckte sich ein Mobiliar, welches dem durchschnittlichen Besucher des Etablissements verwehrt blieb. Bequeme, gepolsterte Ledergarnituren, fein säuberlich geputzte Glastische, leicht gedimmtes Licht. Kein Vergleich zu den Holzmöbeln draußen, hart und knarrend bei denen zu befürchten war, dass sie einem unterm Sitzen zusammenbrachen. Der Zigarettenqualm lieferte auch hier die dominierende Duftnote und vernebelte mir die Sicht. Doch das schrille Rosa konnte ich dennoch nicht übersehen. Es gehörte zu einer Frau in meinem Alter, vielleicht ein zwei Jahre waren es die uns trennten, von der ich zunächst nur den Rücken ins Sichtfeld bekam. Ihr langes blondes Haar fiel weich über ihre runden Formen und ich beneidete sie ein bisschen um diese. Das Rosa umhüllte grade genug sodass sie nicht billig wirkte, zeigte aber genug um den Männern die Münzen aus den Taschen zu locken. Auf einem solchen willigen Opfer rekelte sie sich in dem Moment als ich den Raum betrat. Er war ein älterer, der Kleidung nach zu urteilen gut betuchter Mann der offensichtlich in seinem Leben nie hungern musste. „Ich hoff er zahlt gut. Sam, du schuldest mir einen Gefallen.“ erhob ich nun die Stimme und ich hatte keinen Zweifel dass sie mich an selbiger auch erkennen würde.
„Kann nicht klagen.“ Klopfte sie dem Kerl mit der flachen Hand auf den Wanzt und krabbelte dann von seinem Schoß um sich mir zuzuwenden. „Schön dich zu sehn, Schätzchen. Setz dich doch.“ Ihre Mundwinkel formten ein Lächeln, doch es war gekünstelt, das konnte man merken. Sie beherrschte diese Kunst nicht ansatzweise wie ich es tat, doch ich war nicht hier einer Hure Schauspielunterricht zu geben. Sie wies mir auf eines der Sofas und holte unterdessen eine Flasche Perlwein hervor, aus welcher sie uns einschenkte, während ich mich ruhig in die Polsterung sinken ließ. „Was führt denn deinen knochigen Arsch hierher?“ fragte sie nun sehr direkt, wusste sie vermutlich genau wie ich, dass ich mir dieses Unterfangen erspart hätte, hätte ich eine Wahl gehabt. „Ich brauch paar Informationen. Die hier schonmal gesehn?“ Ich wartete bis sie die Gläser abgestellt hatte bevor ich die Münze aus meiner Tasche zog, sie ihr zuzuwerfen und mir dann ein Glas zu greifen. Überrascht zwar blickte sie mich mit ihren Rehaugen an, fing sie aber dennoch auf betrachtete sie und drehte sie zwischen ihren Fingern. Wissend lächelte sie doch wollte sie es mir nicht zu einfach machen. „Wie du siehst sind da einfach nur Striche drauf“ sprach sie und der süffisante Unterton war nicht zu überhören. „Ach tatsächlich…“ spottete ich, hielt dann ein paar Momente inne ihr einen Blick zuzuwerfen der mehr sagte als tausend Worte. Ich vertraute darauf dass sie Dinge über mich gehört hatte, unter welchem Namen man auch immer über mich sprach. Der Ton, den ich anschlug war nun ein ernsterer, kühlerer als noch zuvor. Ich wollte keinen Zweifel daran lassen, dass ich ohne Informationen nicht gehen würde. „Die gehörn doch sicher zu irgendwem. Und erspar mir jegliche Wortwitze mit Stricher.“ Nahm ich ihr diesen Wind auch gleich aus den Segeln, für Scherze, vor allem für schlechte, war ich im Moment einfach nicht zu haben. „Fünf Striche. Die Fünf nennt man sie in bestimmten Kreisen einfach nur. Ein Elementarmagier führt sie an.“ sprach Samantha, die ehemals Straßenhure und nun eine der besten Informantinnen die man so bekommen konnte, wenn man nur wusste wie man fragen musste. „Ich weiß wer sie anführt, Sam. Lass die Spielchen. Willst du mir helfen oder nicht? Ich möchte dich erinnern dass du dir hier nicht den Hintern wärmen könntest, wenn ich nicht gewesen wär.“ Und dieses Argument wurde einfach nicht alt. Ihren ersten Zuhälter nieder zu schlagen um dann mit ihr fort zu laufen hatte mir bereits ein paar gute Tipps eingebracht. „Na gut, wenn Papa ruft, dann kommt sie gelaufen, was? Jared hat sich mit seinen Leuten auf nem Schmugglerschiff eingenistet. Corynthia heißt das alte Teil. Zehn Leute mindestens. Und gestern haben sie ein Mädchen gebracht.“ Überrascht war ich dann doch, dass Sam scheinbar nicht wusste, wer das Mädchen gewesen war, doch es war mir letzten Endes egal, ebenso wie der Seitenhieb, welcher einfach an mir abprallte. „Schmugglerschiff also. Wann läuft es wieder aus? Und weißt du was sie mit der Kleinen machen?“ fragte ich weiter, wenn schon einmal im Redefluss wollte ich alles herauskitzeln was ich bekommen konnte. Sie schob mir zunächst die Münze über den Tisch zurück bevor ich sie wieder in meiner Jackentasche verstaute. „Angeblich bringen sie sie mit der Ware nach Garrenhof. Wollen wohl morgen Abend ablegen. Komisch is nur dass dein Väterchen diesmal selber mitfährt, der bleibt sonst immer in der Stadt und kommt mich besuchen.“ Selbst die Vorstellung ließ mich ziemlich kalt, ich zuckte nicht mit der Wimper und nickte. Umso mehr jedoch überzeugte es mich von der Richtigkeit der Vermutung die ich bereits gehabt hatte. „Was sind das für Leute, die ihm folgen? Magier?“ fragte ich nach um abzuschätzen wie lebensmüde ich war in meinem Plan ihnen zu folgen. „Ne, er is der einzige soweit ich weiß. Schlägertypen halt, paar ehemalige Söldner, paar ehemalige Vorhutler, paar Löwensteiner die Geld brauchten.“ Fasste die Blondine für mich zusammen. Ich nickte registrierend und leerte das Glas vor mir bevor ich mich wieder aus dem Leder hochschob, dabei hatte es sich grade erst erwärmt. „Danke. Ich bin dann auch wieder weg.“ Damit wollte ich mich auch schon wieder hinaus schlängeln, hatte ich am Ende nur wissen wollen, was mich erwartete. Dass ich mich auf dieses Schiff schleichen würde, war für mich bereits beschlossene Sache. „Ach Kleines? Nennste dich eigentlich immer noch Füchsin?“ Ich machte eine Vollbremsung mich noch einmal zu ihr umzuwenden. „Wie kommste da jetzt drauf?“ fragte ich sie leicht entgeistert und erhob eine Augenbraue. „Hab Gerüchte gehört, der graue Fuchs is wieder da.“ antwortete sie direkt. „Und da dacht ich du weißt da vielleicht was.“ Gut nur, dass sie die Informantin von uns beiden war und ich ihr nichts auf die Nase binden musste, was sie ohnehin erfahren würde. „Die Gerüchte stimmen, ja. Aber mehr wirste aus mir nicht rausbekommen.“ gab ich ihr Antwort und wendete mich dann wieder gen Ausgang aus dem Separee zu verschwinden.
Durch die Schwaden des Schankraums arbeitete ich mich nach draußen vor, wo mir mit Öffnen der Tür schon der Regen entgegen kam. Ich blickte eine Zeit lang auf die andere Straßenseite und dann in Richtung Hafen. Ich konnte beobachten wie sich die Schatten an den Mauern empor rankten und selbst das Wasser erfüllten mit der Finsternis, welche sie brachten. Mit einem Blinzeln löste ich mich von den Bildern mich vom Regen verschlucken zu lassen und zu den Portalen zurück zu kehren. Ich musste zurück nach Götterfels. Mit zehn Männern und meinem magisch begabten Vater, und mir schauerte bei dem Gedanken daran, konnte ich es nicht aufnehmen, doch ich kannte jemanden, der es konnte. Ob ich ihm sagen sollte, wieso mir der Gedanke nicht gefiel mich aufs offene Wasser zu begeben? Nein. Die Entscheidung war recht schnell getroffen, während das Ratschen erklang mit welchem ich ein Zündholz entflammte. Während ich mir eine Zigarette ansteckte sah ich in der Flamme noch einmal die Flammen vor mir, welche das Bordell heut Morgen verschluckt hatten, die Zeugen hatte, in meiner Vorstellung zumindest unter Schreien und Kreischen, Tränen und Zittern schmelzen lassen und jegliche Spuren verwischte. Es war ein Spiel zu dem sie mich eingeladen hatte. Und verlieren war keine meiner großen Stärken. Erste Schlachtpläne formten sich in meinem Kopf und es war kein Gefühl von Behaglichkeit, welches mich besänftigend durchströmte, als ich das zweite Mal in Folge und das wieder spät abends an Arians Tür klopfte.