Seelen- sowie schwerelos schwebten Holzsplitter an mir vorbei als die letzten blau lackierten Zeugnisse der Corynthia, welche vor und über mir sowie in Richtung Küste dabei war in tausend Teile zu zerbersten. Der Kampf hatte sie mitgerissen, die Fluten sie geholt und verschluckt, und mit ihr auch mich. Meine Schläfe schmerzte und vibrierte wie die stramm gespannte Membran einer Trommel, welche im Takt meines Herzschlags alles gab, was mein Puls unter Einfluss von Adrenalin noch zu geben vermochte.
Es brannte. Ich konnte die Stellen nicht mehr ausmachen die wie von heißen Nadeln durchbohrt in der eisigen Kälte des Wassers aufzuckten. Es waren im Moment nicht mehr als glasig verschwommene Erinnerungen an Schläge, Hiebe und Stiche, welche zu lang zurücklagen. Zumindest für jemanden, der jegliches Verständnis für Zeit verloren hatte und keinen Gedanken mehr zu greifen in der Lage schien. Meine Lungen sehnten sich mehr nach dem süßen Nektar des Sauerstoffs als jemals zuvor. Er hatte gesiegt.
Er hatte gesiegt und dies ließ nur den Schluss zu, dass ich versagt hatte. Dieses Versagen war es, welches die Schatten um mich herum vertrieb, mich jedoch verloren in Leere zurückließ. Es erfüllte mich, das Gefühl des Scheiterns, durchdrang und verformte mich wie ein heißes Stück Metall unter dem Schmiedehammer. Im Geiste konnte ich mich in gleißendem Licht davonfließen sehen, hilflos im glühenden Orange.
Danach wurde es dunkel, es waren aber nicht die Schatten, die mich holen wollten, es war das Nichts, das Ende, so zumindest vermutete ich das. Die Wahrnehmung auf meiner Haut schien seltsam vertraut. Ein Prickeln welches mich in dieser Art auf Mesmermagie schließen ließ. Kurz nur flackerte James‘ Gesicht in der Dunkelheit auf und ich begann mich zu fragen ob er mich gefunden hatte, ob er mich aus dem Wasser gefischt hatte wie eine Sardine, bereit wieder fest in das metallene Gefängnis gelegt zu werden. Einen Moment lang schien mir der Vergleich absurd und ich fragte mich was mich daran mehr störte, dass ich mich selbst mit einem Fisch – oder das Leben im Fuchsbau mit einer Konservendose verglichen hatte. Ebenso schnell wie der Gedanke von der Flut angetrieben worden war, nahm ihm die nächste Wasserströmung wieder mit.
Ich sah ihn nun vor mir, den grauen Fuchs. Er schwebte wie auch ich im endlos wirkenden Nichts womit klar war, dass er mich nicht gerettet hatte. Mich beschlich die Erkenntnis, die Befürchtung viel eher, dass er das letzte was ich zu sehen in der Lage wäre. Wenn ich weinen könnte, ich hätte es jetzt getan. Blieb mir so jedoch der Trost, dass mir nichts die Sicht auf ihn vernebelte. Wie so oft trug er einen schwarzen Anzug, gepflegt und gestriegelt wirkte er während sich der Stoff an ihn schmiegte. Ich konnte die Stärke an Kragen und den Manschetten ebenso riechen wie die elonischen Gewürze, die stets in ihren Noten ein Teil seiner kleinen Symphonie gewesen waren. Sein Haar so früh ergraut, doch das ließ ihn nur noch eher aus der Masse der ewig gleichen männlichen Individuen hervorstechen. Ich hob in einer zögerlichen Bewegung die Hand sie an die Wange der Schemen zu legen und ich spürte die Stoppeln seines Bartes. Es war nicht real und doch machte mein Kopf es real für mich. Und damit war seine Erscheinung für mich ebenso echt wie jeder Schmerz den ich in den vergangenen Stunden gespürt hatte. „Meine Füchsin“, raunte er sanft und die Stimme so süß wie Honig drang an meine Ohren. Ich sah in die leuchtend blauen Augen, zwei funkelnde Saphire, die so schön waren, dass ich kein Wort dafür fand, kein Dichter sie hätte beschreiben können. So wie er vor mir stand, so hätte ich ihn am liebsten gezeichnet. Warum hatte ich das eigentlich nie getan? Nun war es zu spät dafür und jegliche Möglichkeit dazu war verloren.
Er kam näher und ein Zittern unterwanderte klammheimlich meinen Körper, entfachte eine Revolution der Gefühle, die ich sonst so sehr verabscheute. Ich öffnete die Lippen am liebsten allen Worten freien Lauf zu lassen. „Vergib mir, Fuchs, ich habe dich enttäuscht.“ Hübsche Luftblasen führten die Worte an die Wasseroberfläche wo sie sich schmerzlich trennen würden und einander nie wieder sahen. James schüttelte den Kopf, erkannte nichts von dem Versagen und dem Schmerz. Er war so lieb, so zärtlich berührte seine Hand meine. Ich drückte sie behutsam und wollte sie nicht mehr freigeben, doch wusste ich tief im Inneren, dass ich musste. „Ich muss gehen“ entsprang es meiner Kehle bittersüß wie der letzte aller Sonnenstrahlen, der den Horizont berührt bevor die Welt ins Dunkel gehüllt wird. Seine Lippen legten sich auf meine zu vergeben und mich vergessen zu machen, was ich nie vergessen könnte. Trotz aller Sanftheit war klar, dass es ein Abschiedskuss war. „Ich liebe dich, James.“ Ich hatte es ihm nie gesagt, wollte nicht naiv sein, nichts zulassen was ich am Ende bereut hätte. Aber dies war das Ende und damit war es mir gleich. Ich sehnte mich nach der kühlen Umarmung Grenths, die kommen mochte, früher als mir lieb war. Doch war es nicht Grenth an den die Erscheinung meines liebsten Mesmers mich übergab. Immer noch Mesmermagie, seltsam vertraut und doch verändert, befremdlich und mächtig.
„Meine hübsche kleine Ellinor.“ Die Stimme, welche an mein Ohr drang war basslastig und rau sodass es mir Schauer über den Rücken jagte. Das Bild, welches sich zu der Stimme bot, konnte ich ebenso wenig zuordnen wie den Rest. Ein Mann, hoch gewachsen mit dunklem Haar, welches von grauen Strähnen durchzogen wurde. Gekleidet war er eher praktisch, doch nicht minder elegant im Vergleich zum grauen Fuchs. Die Gesichtszüge markant, deutlich als ascalonisch zu identifizieren. An den Augen blieb ich schließlich hängen, sie waren als blickte ich in einen Spiegel. Blau wie das Meer und ebenso stürmisch wie auch unerbittlich.
„Wer bist du?“ fragte ich ihn nun und ich fragte mich kurz ob dies schon die Schikane war, die Grenth für mich bereithielt. „Das ist noch nicht wichtig, Liebes. Wichtig ist, dass du aufgeben willst, obwohl das Ziel noch nicht erfüllt wurde, wofür du hergekommen bist.“ Lange sah ich ihn an und vielleicht wunderte ich mich schon nicht mehr, weil ich ohnehin keine Wahl hatte als ihm zuzuhören. Vielleicht arbeiteten aber auch bereits die ersten Schutzmechanismen, welche die menschliche Psyche ihr Eigen nennt.
„Er lebt. Und du willst ihn davonkommen lassen?“ fragte er und er schlug den provokanten Tonfall an, welchen ich nur allzu gut von mir selbst kannte. Ich konnte es kein Stück leiden wenn jemand sich nicht davon reizen ließ, was ich aber noch viel weniger leiden konnte war, wenn man versuchte, mich mit meinen eigenen Methoden auszutricksen. Ich hatte keine Zeit und keine Nerven mehr für Spielchen. „Es ist vorbei. Ich habe verloren.“ Seufzte ich schwer und die Leere um mich war plötzlich nicht mehr so wichtig. „Hast du das wirklich? Ich denke nicht. Ich habe dich nicht ohne Grund ausgewählt, dich nicht ohne Grund heute hierher gebracht.“ Nun wirkte er direkt erbost, konnte ich doch sehen wie es in seinen Augen funkelte und ich stellte mir langsam aber sicher die Frage, ob Sterben am Ende nicht mehr war als ein schlechter Scherz. „Warum denn dieser ganze Mist?! Kann sich denn nicht einer mal klar ausdrücken? Möglicherweise könnte ich auch tun was ich für sinnvoll erachte wenn alle aufhören würden solchen kryptischen Blödsinn zu verzapfen. Wer bist du und was willst du von mir?“ Ein paar Wimpernschläge lang war es still und ich spürte das Feuer in mir auflodern. Es machte mich so schrecklich wütend. Nicht einmal im Tod hatte ich Frieden vor den Nervensägen dieser Götterverlassenen Welt.
„Wer ich bin ist nicht wichtig. Wer du bist ist entscheidend. Du wirst eines Tages mächtig sein. Du solltest stark werden für das, was kommt. Und der Mann, den du für deinen Vater hältst hat das für mich arrangiert.“ Ich konnte kaum fassen was ich hörte. Dass ich keine befriedigende Antwort erhalten würde war mir klar gewesen. Aber mit Lügen hatte ich nicht gerechnet. „Und warum bei allen sinnlosen Göttern sollte ich dir glauben? Warum sollte ein Jared Marle sich von dir dazu bewegen lassen?“
Er hob die Mundwinkel zu einem Lächeln, das von Arroganz nur so strotzte. Ich kannte es so nur von Arian, nein, selbst Arians maßlose Selbstsicherheit war nichts gegen das, was sich mir da bot. „Frag ihn doch einfach. Und dann töte ihn, das wolltest du doch ohnehin.“
Wenn Blicke töten könnten, ich hätte ihn vernichtet binnen dieser wenigen Sekunden wäre er tausend qualvolle Tode gestorben. Aber so geschah nicht das Geringste. All die Wut mochte sich auf ihn konzentrieren wie gebündeltes Licht, doch es rührte sich nichts. Nicht die kleinste Wenigkeit. Ich konnte grade noch sehen wie er seine Mundwinkel wieder hob bevor alles erneut schwarz wurde.
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