Von Füchsen, Hasen,Katzen, Ratten und anderem Getier...
„Wir haben übrigens eine Schwalbe in der Stadt.“, sagte ich und sah dabei in die Gesichter meiner Kameraden. Ich fand dort Verständnis und Interesse, aber auch Ahnungslosigkeit und Unverstand. „Eine Schwalbe“, begann ich meine Erklärung, „ist ein Agent, der losgelöst von der eigentlichen Operationsbasis agiert.“ Damit konnten sie etwas anfangen. Um ehrlich zu sein war es ja auch nicht besonders schwer die Essenz des Satzes zu erfassen. „Wir wissen nicht wer es ist. Ob Mann oder Frau, jung oder alt. Und das ist gut so. Versucht es nicht heraus zu finden. Solltet ihr es wider Erwarten doch tun...teilt es mir mit, denn dann muss sie abgezogen werden.“ Allgemeines nicken. Was sollten sie auch sonst tun ? Ich war, muss ich sagen, ziemlich zufrieden mit dem Ausgang des Gespräches, das mir zum Ende hin doch beinahe entglitten wäre. Nun verlief alles wieder in seinen geordneten Bahnen und ich konnte mich zufrieden abwenden. Es gab andere Dinge zu tun, denen ich meine Aufmerksamkeit schenken musste.
„Eine Schwalbe?“, stellte sie mir ein paar Tage später die gleiche Frage, die ich schon einmal beantwortet hatte. Es kümmerte mich nicht, denn sie war ja nicht dabei gewesen. „Ja. Ein Agent, der...“ und es begann von neuem. Ausführlicher dieses Mal, denn sie wusste noch weniger als die anderen. Sie war die Neue...noch immer und obgleich ich sehr zufrieden mit ihrer Arbeit war, lag doch ein Schatten über ihrer Person. Wortwörtlich. Ich sah in ihre dunklen Augen und musste mich unwissend geben. Ahnungslos in einer Sache, über die ich eigentlich nicht schweigen wollte. Es war allerdings meine Pflicht, also kam ich ihr nach. Ich wusste, dass es nicht meine Aufgabe war sie aufzuklären. Dieses zweifelhafte Vergnügen lag in der Hand anderer. Trotz allem...sie tat mir leid. Ich kannte den Verlust und die Folgen, die er zuweilen mit sich brachte. Kannte die Träume und Dämonen, die einen plagten, wenn man nicht wusste was es zu wissen gab. Manchmal genügte ein einziger Satz, ein Wort nur sie zu vertreiben. Ein Schlüssel, der all die bösen Gedanken, die Schatten und Formen, den Unbill und Zorn, der in uns loderte wegzusperren im Stande war. Sie musste ohne ihn auskommen und sie würde es. Ich war mir da ziemlich sicher. Sie war stark und hatte bereits ihren Wert bewiesen. Gezeigt zu was sie fähig war. Nein, ich machte mir wirklich keine Sorgen. Nicht mehr als nötig jedenfalls, denn Sorglosigkeit konnte unser aller Tod sein.
Ich kam nicht umhin eine gewisse Schadenfreude zu verspüren als ich sah wie die Haut des armen Kerls Blasen schlug. Verdient sicherlich, keine Frage. Es war mir gleich ob er Schmerzen hatte. Ich wusste nicht einmal wer er war. Immerhin hatte er gleich eingegriffen, auch wenn der Versuch meiner Rettung kläglich gescheitert war. Es amüsierte mich. Ich konnte es natürlich nich offen vor den anderen eingestehen, aber diese kleine Ratte genoss auf eine sonderbare Art und Weise der Selbstkasteiung meinen Respekt. Er war ein Blender, da war ich mir ziemlich sicher. Ein Großmaul, auf das die Leute mit ihren schäbigen Fingern zeigen konnten und das durchaus auch taten. Jemand, der Aufmerksamkeit auf sich zog, im Grunde aber nicht mehr war als das. Heiße Luft, die obendrein auch noch stank...aber genauso schnell verflog wie ein Furz im Winde. Furz im Winde...scheiße...soweit ist es schon gekommen ? Langsam gleiche ich mich dem allgemein um mich herum herrschenden Niveau an. Ich lachte. Es war keine Geste, die der ehrlichen Freude entsprang. Wenn ich ehrlich war, dann tat ich mir leid. Hin und wieder hatte ich diese Phasen. Aber auch sie würden vergehen. Vergessen werden wie das alles hier. Es war eben mein Opfer. Genug des Selbstmitleides jetzt !
Zweiundvierzig Silber hatte mir der kleine Spaß eingebracht. Ich hatte es noch drauf. Ja, gut...das war jetzt auch nicht wirklich schwer gewesen. Aber mei...ich durfte nicht wählerisch sein. Das war ich im Grunde auch nicht. Nie gewesen. Zumindest bildete ich mir das ein. Vielleicht wollte ich es einfach wahr haben und versuchte darum alle in meinem Umfeld davon zu überzeugen. Am Ende spielte es keine Rolle. Genauso wenig wie ihr Kuss eine Rolle gespielt hatte oder seine Umarmung. Das war alles vergangen und eigentlich hätte ich mich damit zufrieden geben sollen. Wir waren hier immerhin nicht zum Spaß. Es gab Dinge zu tun. Wie das klang...Als wäre ich unersetzlich. Schwachsinn. Wir waren alle austauschbar.
Ihre Anwesenheit wurmte mich noch immer. Ich hasste es wenn etwas nicht nach Plan lief. Wenn jemand sich nicht an meine Befehle hielt und ich die Konsequenzen am Ende zu tragen hatte. Sie waren so jung, meine Lieben. Jünger als vielleicht gut für sie gewesen wäre und doch hatten sie alle ihre Vergangenheit. Eine Zeit von dem davor. Sie waren nicht wie ich. Waren nicht hinein geboren worden. Verstanden meine Verbissenheit darum nicht.Ich verstand sie aber sicherlich auch nicht. Nicht so wie ich es wollte. Sie wussten es einfach nicht. Nicht wieso ich mich über Dinge aufregte, die für sie gar nicht wichtig erschienen. Sie hatten nicht meine Ausbildung durchlaufen. Hatten nicht bezahlt was ich...scheiße noch eins. Ich klinge ja wie der Prolog eines schlechten Bromleys. Und die neuen Kriminalhefte des alten Schnüfflers waren nun wirklich kaum mehr ihre Kupferlinge wert. Die Qualität hatte stark nach gelassen. Ich lächelte, denn ich wusste, dass das nicht auf mich zutraf. Dass man das nicht von meinen Leuten sagen konnte. Im Grunde genommen hatte ich keinen Grund zur Klage. Ich stellte mich an. Erwartete zu viel und bekam ja doch genau das was ich brauchte. Genau das was er erwartete. Wir waren viele. Wir waren eins. Und doch verband und zuletzt nicht ein einziges Hirn, sondern viele kleine, die alle eigenständig für sich dachten. Galt es nicht genau das zu bewahren ? Ja. Ich würde ihm niemals sagen, dass er Recht gehabt hatte in seinem schäbigen Zimmer. Oder dass ich seinen verdammten Whisky nicht mochte. Ich hatte da immerhin eine Wette mit mir am laufen über den Zeitpunkt, da er endlich begriff und mir nicht zu jeder erstbesten Gelegenheit das Glas füllte. Ich konnte ihm allerdings auch nicht böse sein. Nicht wegen solcher Nebensächlichkeiten. Es gab andere Sachen, die ich ihm übel nahm. Aber vielleicht war auch das besser so. Einerlei. Genug in den eigenen Gedanken herum gestochert...
Es war früh am Morgen als der Bote mir die lang ersehnte Nachricht überbrachte. Ich durfte bleiben. Ich musste nicht fort. Es wunderte mich, dass ich ob dieser Verlautbarung eine gewisse Wehmut in mir nicht zu unterdrücken im Stande war. Es hätte mich immerhin in eine ganz andere Position erhoben. Meiner Stelle weniger Wert beigemessen. Mich entbehrlich gemacht. Das war ich jetzt auch...aber hier gaukelte man mir vor es nicht zu sein. Steigerung der Motivation. So ein Quatsch. Ich wusste wie der Hase lief. Das wusste ich schon immer. Ich immerhin war der Hase. Bin es. So wie wir alle. Ehre dem wahren Blut.
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