"Schatz?! Kommst du bitte rein? Essen ist fertig!"
Die Stimme seiner Mutter durchbrach das Rauschen der Brandung, welche ihn schon fast sanft in den Schlaf gewogen hatte.
Die Sonne schien warm auf sein Gesicht, auf seine Brust und seine Arme. Die Beine wurden immer wieder vom kühlen Meerwasser überschwemmt, schoben ein erfrischendes Kribbeln über seine Haut und schafften so für die nötige Abkühlung an diesem heißen Sommertag in Löwenstein.
Lucius drückte sich hoch und klopfte sich den Sand von der Hose.
"Ich komme Mama!" Doch schon wurde seine Aufmerksamkeit wieder auf etwas anderes gelenkt. Ein großer Schatten tauchte hinter ihm auf, verdunkelte die Sandkörner vor ihm. Ein Schiff, so groß wie ein Norn. Ach was!! Groß wie mindestens zwei Norn segelte das hinter ihm entlang gen Hafen. Doch das Schiff hatte keine Flagge. Mit verwundertem Blick strich sich der kleine Löwensteiner durch den Nacken. Er zog die Nase hoch, leckte sich über die Lippen und schmeckte den salzigen Geschmack des Meerwindes auf diesen.
"Müssen Schiffe nicht immer ihre Flagge hissen, wenn sie in den Hafen einla..." BOOM! Der erste Kanonenschlag ließ den Jungen zusammen zucken. BOOM! Der zweite Kanonenschlag warf den Jungen ganz zu Boden. Mit dem Gesicht im Sand schützte den Kopf mit den Armen.
"Mama! Mamaaaa!" Der Junge drückte sich hoch, wollte los rennen - nach Hause. Doch die Beine rutschten im Sand weg und warfen den Jungen erneut zu Boden.
BOOOOM!!! machte es wieder. Adrenalin schoss durch die Glieder des Burschen, der nun auf allen Vieren durch den Sand kroch, als wäre die Kugel direkt in ihm eingeschlagen.
"Mamaaa!", rief er wieder. "Wo bist duuuu!?" Lucs Körper zitterte als er den Strand hinter sich ließ und in die Gasse kam, in der auch die Wohnung der Familie Quessar war. Harsch wurde er am Arm gepackt. Dunkelbraune Augen stierten ihn an.
"Bleib hier Junge. Ich hol deinen Vater." Andrews Stimme war hart, verbarg die eigene Angst darin nur schwer. Luc brachte nur ein Nicken hervor, als er sich gegen die Mauerwand drückte. "Alles wird gut, aber bleib hier."
Ganz in der Nähe hörte der Junge Klingen aufeinander treffen. Metall welches gegen Metall schlug.. Metall welches auf Stein traf. Und Schreie. Vor allem Geschrei hörte er. Von Frauen, Männern und den Piraten, die den Hafen plündern kamen. Peng! Peng! Knallende Schüsse ganz in seiner Nähe. Lucius riss die Arme hinauf, presste die Hände auf die Ohren.
Für den Jungen vergingen gefühlte Stunden, bis man ihn wieder am Arm riss.
"Komm! Wir müssen weg. Los!" Andrew hatte Tränen in den Augen, eine Platzwunde an der Stirn und Ruß im Gesicht.
"Wo ist mein Papa?" "Lucius nicht jetzt." Andrew packte Luc am Oberarm, zog ihn mit. Mit beiden Beinen stemmte sich Luc in den Boden, wollte gegenhalten. "Nein! Warte! Wo ist mein Pa!" Andrews Blick war voll Trauer, als er sich zu Luc hinab kniete und den Jungen an den Schultern packte. "Ich bin jetzt dein Pa. Und nun komm. Wir müssen los."
"Nein!" Luc schreckte hoch. Mit seinem Schrei hatte er sich selbst geweckt. Das Kaminfeuer in seinem Zimmer war aus. Die letzten Holzreste glimmten in hellem rotgelb, halb bedeckt von Asche in ihrem Kaminbett. Draußen war die Nacht fast vorbei.
Es war lange her das er so schlecht geschlafen hatte.... waren die schlechten Träume doch längst verschwunden gewesen.
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