Um ehrlich zu sein ging sie mir mit ihrem Verhalten tierisch auf die Nerven. Es war eine Sache vorzugeben ein Gockel mit buntem Gefieder, einem glänzenden Schnabel und flammend rotem Kamm zu sein. Es war eine ganz andere sich in dieser Rolle zu verlieren und wirklich zum vermalledeiten Suppenhuhn zu werden! Ich befürchtete, dass sie sich auf geradem Wege in den Topf befand. Beweise hatte ich natürlich keine, aber zuweilen waren die gewiss auch nicht notwendig. Ich hatte Geflügel noch nie viel abgewinnen können.
Es gab so Tage an denen man einfach im Bett liegen bleiben wollte. An denen einem alles egal sein sollte und die man, waren sie einmal vergangen, gleich vergaß und ganz tief irgendwo in eine Schublade in seinem Kopf verbannte, damit man auch bloß nie wieder an sie dachte. Ich glaube heute war so ein Tag. Ich lag viel zu lange noch zwischen den warmen Laken meines Bettes auf der viel zu weichen Matratze. Am liebsten, ich erzählte es oft meinem Spiegelbild denn jemand anderes interessierte sich ja nicht dafür, schlief ich auf dem Boden. Es hatte ein bisschen was von Heimat auf den harten Dielen zu liegen und am Morgen mit einem krummen Nacken zu erwachen. Aber wir mussten alle Opfer bringen. Das sagte ich mir am Tag mindestens ein halbdutzend mal.
Während ich auf die rosafarbene Federboa starrte, die ich nicht mehr berührt hatte nachdem er ihr einen Platz zugewiesen hatte, schob ich die dicke Daunendecke von mir. Ein Stück nur, denn mit einem Mal war mir als bekäme ich keine Luft mehr. Es waren die Gedanken, in denen ich mich verlor, die mir das atmen zu einer Qual machten. Das passierte hin und wieder, denn ich neigte dazu, hinter vorgehaltener Hand konnte ich es mir ja wohl eingestehen, mich in Dinge hinein zu steigern. Von Zeit zu Zeit wurde ich richtiggehend hysterisch. Diese Gefahr bestand heute glücklicher Weise nicht.
Sie war ein Risikofaktor und ich wusste das. Schwäne waren das immer, denn sie bildeten sich zu viel auf sich ein. Dabei brachen ihre Hälse in etwa so leicht wie die von Gänsen. Ich konnte nicht anders als ihre Arbeit zu loben. Sie war wirklich gut und es gab nur selten Grund zur Klage. Aber die Mission zu gefährden war nun einmal ein Unding, das ich so unmöglich im Raum stehen lassen konnte. Ich hatte sie, der Fehler lag glasklar bei mir, nicht für so töricht gehalten. Es bestätigte mich in meiner Meinung darüber ihr die Wahrheit zu verschweigen. Zum Glück hatte er diesen Beschluss bereits lange vor mir gefasst. Ich wollte mir gar nicht ausmalen was passieren würden erführe sie die tatsächlichen Umstände seines Ablebens. Und dann tat ich es natürlich doch. Ausrasten würde sie. Vermutlich lag ein Zusammenbruch nahe. Sie war sowieso schon labil. Sie könnte uns auffliegen lassen. Mit einem Schlag. Das würden wir natürlich niemals zulassen. Sie hatte Talent und damit durchaus Potenzial, aber sie vergeudete es durch ihre Dummheit. Wahrscheinlich war auch, dass sie sich dazu berufen fühlte einen persönlichen, internen Krieg anzuzetteln. Ich gestand es ihr fraglos zu. Sie war so eine Person, die nicht zwischen richtig und falsch zu entscheiden im Stande war. Alleine der Umstand, dass sie noch immer dieses elende Zeug konsumierte. Ich hatte es so oft gesagt. Ich hatte es so oft angedeutet. Man konnte nicht klar und präzise arbeiten, wenn man seinen Geist mit Rauschmitteln und dreckigem Tabak verpestete. Aber wer ließ sich schon dazu herab auf eine Frau zu hören, die einen toten Hamster in einem Einmachglas auf ihrem Schminktisch stehen hatte?
Jetzt schlug ich die Decke ganz zurück. Es war so quälend warm darunter geworden und ich mochte es in diesem Moment nicht mehr leiden. Mit einer gewissen Genugtuung trat ich die lästigen Laken von meinem Bett, das ich jetzt ganz und gar für mich beanspruchte. Ethan war ein Idiot gewesen. Er hatte sterben müssen und ich hatte keine Sekunde daran gezweifelt. Keine Sekunde an ihm gezweifelt als er mir davon berichtete. Es hatte passieren müssen und diese dumme Kuh musste sich endlich damit abfinden. Emotionale Menschen waren mir ein Rätsel. Ich war nicht emotional. Ich war allenfalls in der absoluten Kontrolle meiner mentalen Zurechnungsfähigkeit in gewissen Bereichen zum Teil unerheblich eingeschränkt. Ich meine...der Narr hatte ihm in den Rücken schießen wollen. In den Rücken! Nicht dass ich das nicht auch schon getan hätte, aber es war einfach von vorn herein schon eine ziemlich dumme Idee gewesen. Was hatte er denn erwartet? Dass er als Märtyrer in die Geschichte einging? Dass er den Putsch hätte dadurch noch aufhalten können? Es war einfach an der Zeit für einen Wechsel gewesen und dass er sich das nicht hatte eingestehen wollen war am Ende das beste Zeichen dafür, dass er zum Ballast verkommen war. Zu Unrat, den die Witwe am Morgen auf ihren Kompost geworfen hatte. Naja...wenigstens in meiner Vorstellung. Die Wirklichkeit sah zu meinem Leidwesen etwas anders aus. Einerlei. Wieso beschwerte sie sich eigentlich? Sie hatte einen Ort der Trauer. Sie hatte eine neue Familie bekommen. Wir gaben ihr was sie brauchte und wollte, aber sie gab sich einfach nicht damit zufrieden. Krönte sich auf eine widerwärtige Weise selber und verlor aus den Augen, was zu schützen ich geschworen hatte. Unwirsch schwang ich meine Beine aus dem Bett und federte in den Stand. Der Schwindel, der mich daraufhin befiel, holte mich in die Wirklichkeit zurück. Mir blieb einfach nichts erspart. Ich hasste Federvieh. Ich konnte es nur immer wieder sagen. Dann steckte ich mir die goldene Gänsebrosch an mein Halstuch.
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