ooc: Dieser Geschichte gehört zu "Bedenke wohl" von Llarrian
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Mir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken daran wie viel bei diesem Ding hier schief gehen konnte. Es war gar nicht meine Art und trotzdem kam ich nicht umhin mich zu sorgen. Der Grund dafür war ziemlich offensichtlich. Man hatte mit mir die einzige Position besetzt, von der aus ich absolut nichts tun konnte. Ich war zum zuschauen verdammt worden und ärgerte mich tatsächlich darüber. Natürlich verstand ich es, denn schließlich war ich nicht auf den Kopf gefallen. Trotzdem wurde ich die Faust, die mein Gesicht in diesem Moment war, nicht los.
Es spielte keine Rolle ob ich hier war oder nicht. Ich hätte auch einfach gehen können, allerdings wäre das nicht besonders professionell gewesen und genau das wollte ich heute mehr als alles andere sein. Immerhin war das alles hier auf meinem Mist gewachsen. Teilweise jedenfalls. Ich warf einen Blick auf meine Uhr und nickte still für mich. Bisher lief alles nach Plan. Wenn wir weiterhin das Zeitfenster nicht überschritten, dann würde ich in weniger als zwei Stunden eine dicke Portion von Clouds berühmt berüchtigtem Wintertagspudding mit Punsch essen können. Das einzig Gute an diesem ganzen, vermaledeiten Fest.
Gräfin Varyl erschauderte bei dem Luftzug, der gleich einem Finger Grenth sanft und doch so bitter kalt über ihren Nacken strich. Ihre Lippen klafften einen Spalt breit auseinander während die Frau sich mit einem lasziven Seufzen auf der Chaiselongue mit dem blauen Samtbezug nieder ließ. Sie drehte eine Strähne ihres Haares auf einen ihrer Finger und zog die dunkle Locke bis hinunter in ihren großzügig bemessenen Ausschnitt. In freudiger Erwartung fing sie ihre Unterlippe mit den Zähnen ein und biss sich darauf. Wollte ihn mit dem begrüßen, was sich nach einem Moment des innigen Beisammenseins sowieso einstellen würde. Von einem falschen Kuss geschwollen verzog der schmale Mund sich zu einem verruchten Lächeln.
Von ihrer Position aus vermochte sie es einen Blick auf die alte Standuhr zu werfen, deren Pendel in einem gleichmäßigen Takt von einer auf die andere Seite schwang. Es war ihrer beider Zeitmesser, denn ihnen blieb, es war schon immer so gewesen, nur eine begrenzte Anzahl an Augenblicken, die sie in Zweisamkeit verbringen konnten. Lisjewira nahm sich vor einen jeden davon in vollen Zügen auszukosten und zu genießen. Es war eine der wenigen Freuden, die das Leben für sie bereit hielt und sie hatte nicht vor auch nur eine Sekunde davon mit Nichtigkeiten oder dem Gedanken an etwas zu verschwenden, das nichts mit strammen Waden oder dem hitzigen Vermengen von Atemluft zu tun hatte.
Als seine Silhouette an der gegenüberliegenden Wand im schummrigen Licht der Kandelaber erschien, stellten sich die Härchen unter dem kostspieligen Seidenmantel der Gräfin auf. Sie überließ heute nichts dem Zufall und darum frohlockte sie innerlich als der teure Stoff widerstandslos ihren Arm herunter glitt, den sie blind und mit nur wenig Elan über die Lehne ihrer Liegestatt hinaus hob. Er wusste natürlich, dass sie innerlich bereits längst für ihr brannte, aber es war ihr Auftakt, ihre Begrüßung, die kleine Posse, mit der sie sich beide gerne den Einstand gaben und darum gab er sich diesem Schauspiel hin, den Moment nicht zerstören wollend.
Das Herz der Gräfin machte einen Sprung als seine rauen Fingerkuppen über die Konturen ihres Handrückens strichen. Als sie in die kleinen Mulden zwischen ihren Fingerknöcheln tauchten und sich ihre Hände nur einen Wimpernschlag später miteinander verflochten. Ein wohliges, dem Augenblick ihrer Verschmelzung angemessenes Stöhnen troff über ihre Lippen, die sich zu einem scheuen Lächeln hoben. An diesem Abend wollte sie sich einmal ganz und gar von ihm beherrschen lassen und in die Rolle des untertänigen Liebchens schlüpfen. Der Tag immerhin war anstrengend genug gewesen.
„Es ist so schön, dass du heute zu mir gekommen bist.“
Seine Schritte, so federleicht dass sie kaum ein Geräusch verursachten, führten ihn um die gepolsterte Liege herum. Er ließ nicht ab von ihrer Hand, auf deren Rücken er einen sanften Kuss legte, der sich genierte die aufwallenden Flammen der Leidenschaft jetzt schon zu verraten. Lisjewira lachte.
„Ganz der Galan, mein Liebster.“
Es war das falscheste was sie in diesem Augenblick hätte sagen können. Sie sah die zweite Silhouette nicht, die sich im flackernden Schein der Kerzen in die Länge zog und sich aus den Schatten des blauen Salons erhob. Sie sah auch nicht das violette Glimmen, das sich an vielberingte Finger schmiegte und sie zum strahlen brachte. Dafür blickte sie in das Gesicht eines Fremden als sie ihrer Lider hob und ihr die Luft nun tatsächlich gänzlich aus den Lungen wich. In diesem ersten Moment des Unverstandes und des Schreckens war sie unfähig etwas zu sagen oder sich von dem Mann zu lösen, der eindeutig nicht ihr Liebster war. Ihre Finger griffen aus einem ungläubigen Impuls heraus sogar fester zu. Ganz so als könnten sie das falsche Bild korrigieren und den eigentlich Erwarteten aus dem Nichts herbei zaubern. Die Gräfin Varyl hatte nicht einmal mehr Zeit einen Schrei aus der Kehle zu entlassen, denn als der mentale Schlag sie mit Wucht durch Kirschholz und Samtpolster in den Hinterkopf traf, war es dafür bereits zu spät.
„Sieh nach den Kindern. Ich kümmere mich um unseren Herrn Grafen.“
Ihre Stimme war unaufregend und schlicht. Sie hatte weder eine beängstigende Eiseskälte an sich, noch besondere Anmut oder etwas, das sie zu etwas Außergewöhnlichem erhoben hätte. Genauso normal war die Erscheinung der Frau, die sich für den heutigen Abend ein blutrotes Kleid im körperbetonenden Meerjungenfrauenschnitt ausgesucht hatte. In ihren braunen Augen lag wenig Gefühl als sie mit zwei Fingern prüfend über das Holz des Sitzmöbels strich und sich die Hand im Anschluss mit einer fließenden Bewegung in den Blick hob. Gleich einem lästigen Flusen, der sich an ihren Fingerspitzen festgesetzt hatte, zerrieb sie sich diese Empfindung zwischen den Kuppen.
„Auf jetzt. Du weißt was zu tun ist.“
Während der Würger und die Wespe sich auf den Weg machten ihren Auftrag zu erfüllen, fluteten die Kaninchen den Sitz der Grafenfamilie Varyl. Sie waren heute die Nattern, die durch den ungesicherten Hintereingang in den Bau strömten und rissen was ihnen vor die Fänge kam. Präzise und genau schlugen sie ihre Zähne in das Fleisch der Ahnungslosen und hinterließen dabei weder ein Schlachtfeld, noch das Bild von mutwilliger Zerstörung. Und als sie wieder von dannen zogen...löschten sie sogar das Licht.
„Cloud, das ist die bahnbrechenste Erfindung, die jemals irgendjemand machen wird oder gemacht hat.“ Ich war begeistert. Ich lechzte nach mehr. Bestens gelaunt und mit vollen Backen hob ich meine belöffelte Hand im Wunsch noch einen Nachschlag zu erhalten. Der erste Teil des Plans war zu unserer vollsten Zufriedenheit ausgegangen. Für alles weitere war jetzt nicht mehr ich zuständig und darum hatte ich alle Zeit der Welt eine Schnute zu ziehen, als mir eine vierte Portion verweigert wurde. Bla bla bla...Jaja...ich wusste ja, dass ich gehen musste, aber es ging immerhin um Punschpudding. Sie konnten und durften nun wirklich nicht von mir erwarten, dass ich mich kampflos geschlagen gab.
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