Eine Kerze. Die zweite Kerze hinterher. Und drei Schritte weiter den kleinen Messingleuchter, den sie sich gegönnt hatte.
Sheila genoss Kerzenlicht. Es beruhigte sie, spendete Wärme und ein angenehmes Licht. Dabei hatte man sie schon öfter geschimpft. „Was, wenn du einschläfst und die Kerzen umfallen?“ - „Bla, bla, bla.“, murmelte die Schwarzhaarige zu sich selbst, verdrehte sogar die Augen und streckte dem unsichtbaren Gegenüber die Zunge heraus. Wenn sie jemand sehen könnte, man würde sie vielleicht für verrückt halten. Selbstgespräche, dick eingepackt in einen Bademantel und mit zauselig-unordentlicher Frisur.
Sie sahen aber so auch einfach viel passender aus.
Heute aber, da würde sie niemand sehen. Keiner der herein platzen oder sie nerven würde. Die Tür war abgesperrt, die Fenster zu, die Vorhänge davor. Nein, sie war ganz für sich. Obwohl es ihr einen Moment lang Unbehagen bereitete, dass der Gedanke von ihren Mitmenschen ehrlich genervt zu sein durch ihren Sinn huschte. Eigentlich war sie nicht so. Im Streit hatte sie es Jannis geklagt. Und Hannah hatte ihr auch schon gesagt, dass ihr Lächeln verloren ging.
Aber da war auch ihr Huhn krank gewesen.
Ein paar Tappser weiter zum Bad hin passierte sie den Esstisch und steckte sich eine Traube in den Mund. Morgen – oder so – da würden sie wahrscheinlich schlecht werden. Vielleicht würde sie die Früchte nachher mitnehmen. Aber wahrscheinlich eher nicht. Seit sie diese Wohnung hatte.. hatte sie diese Badewanne. Und darin schlief es sich eben einfach wunderbar. Es war warm, ruhig, wenn man sich bewegte, dann plätscherte es ganz angenehm. Eigentlich sollte ein jeder eine Badewanne besitzen. Und mindestens einmal täglich benutzen. Nur eine gute Creme brauchte man dann, hatte sie festgestellt. Oder hatte eher Alice festgestellt, als sie ihre rauen Hände bemerkt hatte. Aber die hatte sie auch schon immer gehabt.
Und schließlich arbeitete sie ja auch tagtäglich damit.
Das schlichte Badezimmer war schon in warmes Licht getaucht. Das Badewasser eingelassen. Alles perfekt für einen ruhigen Abend in einsamer Gelassenheit. Fast schon hatte sie das vermisst. Obwohl sie einige Tage allein verbracht hatte. Aber irgendwie schaffte sie es immer, sich keine Zeit für sich selbst zu nehmen.
„Sich um andere zu kümmern ist wichtig, Sheila.“
Die Erinnerung zwang ihr ein leises Grummeln aus der Kehle. Ja, natürlich, es war wichtig sich um andere zu kümmern. Der Tochter diese Lüge zu erzählen, weil der Sohn sich lieber mit Kämpfen, Gaunerei und Huren herumtrieb, das war aber falsch. Und es hatte viel zu lang gedauert, bis sie das herausgefunden hatte. Zurückgeführt hatte sie das alles ausschließlich auf Aaron. Sein verquerer Sinn eines Lebens hatte ihre Familie schließlich so mitgenommen. Und sie in diese Stadt geführt.
Trotzdem lag das Geschenk von ihm nach wie vor in ihrem Bett.
Die dämlichen Gedanken waren wie fort gewischt, als sie sich ins warme Badewasser sinken ließ. Die dichte Mähne glitt in den Ausläufern der Bewegung über die Wasseroberfläche und die eisblauen Augen schlossen sich.
Ein Seufzer entrang sich der jungen Frau und dann schlug sie die Augen wieder auf. Die Finger schlossen sich um das Glas am Badewannenrand, die Nase schnupperte am Inhalt. Götter, wie sie das vermisst hatte. Den Geruch. Den Geschmack. Noch vor dem nächsten Atemzug genoss sie das Getränk schon gierig.
Wunderbar lieblicher Rotwein.
Die Geschenkverpackung – man wusste ja nie – fand sich am nächsten Morgen achtlos im Müll.
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