Nerven

"Du hast es ihm erzählt."
"Natürlich habe ich es ihm erzählt. Was sollte ich denn sonst tun?"
"Es nicht erzählen. Weißt Du überhaupt was das heißt?"
"Dass ich mich nicht die ganze Zeit vor mir selbst rechtfertigen muss. Das ist idiotisch. Es war einfach nur rational."
"Du hast beinahe geheult. Wie ein kleines Mädchen. Vor einem fremden Mann. Dafür hast Du jetzt ein tolles Tuch mit lustigen Stickereien, hm?"
"Und? Wenn ich es nicht gemacht hätte, hätte ich bald wieder keine Arbeit."
"Er ist ein fremder Mann. Ein fremder, riesiger Mann mit Narben und Waffen. Was sagt Dir, dass er Dich nicht ausnutzt?"
"Ohne ihn säße ich immer noch in dieser Absteige."
"Also ist Dir Nutznießerei lieber? Leben ohne Miete zu zahlen?"

"Götter..", seufzte Cornelia und legte das Buch auf ihren Schoß, um sich mit den Fingern durch's braune, ungerichtete Haar zu fahren. Ihre Fingerkuppen wanderten genauso geistesabwesend über den Einband des Romans, wie sie die Seiten bisher nur angestarrt hatte. Ein seichter Roman über einen Sylvari auf Reisen, der sich unsterblich verliebte. Hin und wieder waren Klischees doch etwas angenehmes.


"Bist Du etwa scharf auf ihn?"
"Nein. Unsinn. Ich brauche niemanden seit.."
"Seit deine Dummheiten den Letzten vertrieben haben? 'Ich gehe reisen.' Hat wunderbar funktioniert, nicht?"
"Es -hat- wunderbar funktioniert."
"Hast Du mal einen Blick in den Spiegel geworfen?"
"Ich stehe mitten im Leben."
"Hast Du mal einen Blick in den Spiegel geworfen?"
Einen Moment war es still.
"Oder ist es der Graf? Du magst doch Bärte. Sie haben beide einen."
"Und sind verheiratet oder Riesen. Nicht mein Fall."
"Das sagen sie zuerst immer alle. Wie in diesen schlechten Büchern."


Ertappt lösten sich ihre Finger vom ledernen Einband des Buchs. Dann atmete die Frau tief ein und ließ den Kopf an die Lehne des - eigentlich ausgesprochen bequemen - Sessels plumpsen. Den Blick hoch zur Decke gerichtet. Und Genervtheit als einzigen Ausdruck.


"Du würdest gerne schlafen, nicht?"
"Wenn es endlich still wäre, würde ich das tun, ja."
"Du machst Dir ja anscheinend keine Gedanken mehr darüber, wann Du was erzählst. Dann muss ich das auch nicht."
"Ich ha-be mir Gedanken dazu gemacht. Alles andere ist Unsinn."
"Deshalb bist Du davongelaufen?"
"Er hat gesagt, dass ich gehen soll."
"Davongelaufen, wie ein geschlagener Hund. Mit eingekniffenem Schwanz."


"Ich habe keinen Schwanz." Sie schob die Brauen zusammen. Hatte sie das laut gesagt? Ja, doch, hatte sie definitiv. Unweigerlich musste sie lachen. Größtenteils doch über sich selbst. Dann entkorkte sich die Brünette eine Weinflasche und schenkte sich ein Glas ein. Die paar Minuten würde sie das auch noch überstehen, bevor der schwere Traubensaft sie träge machen würde.

Kommentare 4

  • Lieber Graf, du musst da schon genauer hingucken! Zu Anfang hab ich wirklich gedacht, es sind zwei. Beim weiteren Lesen gab auch ich es dann kapiert. Sehr fein.

  • Das ist ja super, hat die Zwölf etwa zwei Angestellte zum Preis von einer eingekauft, ja? Das nenne ich effizient.




    ...ALS HÄTTEN WIR NICHT SCHON GENUG UNSICHTBARE ANHÄNGSEL AN HAUSANGESTELLTEN GEHABT!!!!!!!!!!!!!
    *rauft sich die Haare und Floreans Bart*

  • "Er ist ein fremder Mann. Ein fremder, riesiger Mann mit Narben und Waffen. Was sagt Dir, dass er Dich nicht ausnutzt?"
    Du, liebe Zweitstimme, hast vergessen zu erwähnen...dass er auch noch ein Iorga ist. Hmhm. Hättest du das mal getan!


    Aber ich bitte dich! Welcher Mann hat denn bitte keine Narben und keine Waffen?! Pfah... Gib ihm sein Halstuch zurück! Sofort! Dumme Ziege! Looohooos!!!! :D

    • Ach das Kursive ist die Realität! Ich dachte erst der Sylvari im Buch mag halt Bärte. <3
      Aber ja, wer weiss, sie hat das Buch ja noch nicht geöffnet.