Erste Sonnenstrahlen hoben sich über die Straßen der Stadt auf dem Felsen der Götter, begannen die Herzen der kriegsgebeutelten Bürger mit frühlingshafter Wärme zu erfüllen und letztendlich - später als sie die Hochstraßen und die königlichen Gärten trafen - fanden sie auch ihren Weg in die Wohnung der dunkelhaarigen Schankmaid des Maidenwisperns. Durch das offene Fenster hinein, hinab auf den festen Dielenboden, auf kleine Topfpflänzchen und Sheilas Lieblingssessel. Früher war dort immerzu eine Weinflasche mit einem Glas gestanden. Jetzt allerdings lag da nur mehr ein Buch.
Routine, Normalität und fast schon Ruhe war in das Leben der jungen Frau eingekehrt. Sich um die Tiere kümmern, ihre Arbeit im Gasthaus verrichten und ein paar Stunden des Abends durch die Stadt spazieren, wenn sie keinen Dienst hatte. Sie hätte es außerordentlich genossen, hätte nicht ein elementarer Teil des kleinen, perfekten Lebens gefehlt. Und würde die Ruhe nicht durch gewisse Dinge durchbrochen.
Gewisse Dinge, die die Sonnenstrahlen nicht nur dazu brachten, den Dielenboden zu wärmen, sondern auch eben jene zierliche Bewohnerin, die dort barfuß und mit vollkommen zerwuschelten Haaren auf diesem lag. Geschehnisse, die das Holz und die Fensterbank um das offene Fenster im Licht funkeln ließen - noch nass vom Regen der vergangenen Nacht, der sich bis in den Morgen gehalten hatte.
Das dunkle Haar fing die Energie, aber nichts davon erreichte den Geist der Frau. Ohnmächtige Müdigkeit umfing diesen, verhinderte für den Moment, dass der aufkommende Morgen sie weckte - wo sie um diese Uhrzeit normalerweise schon lange den Besuch des Stalls und ihres Federviehs abgeschlossen hatte - und sie von ihrer zweifelhaften Schlafstatt aufscheuchte. Dabei wären es nur ein paar wenige Schritt weiter zum Bett gewesen.
Ihr Lieblingsbäcker hatte seine Semmeln sicherlich schon alle verkauft, als sie den Kopf hob. Dröhnen ging ihr durch den Schädel. Furchtbares Hämmern, das nicht zuließ, dass Sheila einen klaren Gedanken fassen konnte. Wo war sie eigentlich? War das ihr Boden? Wieso.. lag sie am Boden? Sie hustete, denn das Atmen fiel ihr unangenehm und unnatürlich schwer. So ein rasselnd-keuchendes Geräusch war sie von sich selbst gar nicht gewohnt. Wäre der Denkapparat wacher, sie hätte sich gewundert.
Ja, doch, das war ihr Boden. Wieso - bei den Sechsen - der Boden? Hatte sie sich erkältet? Hatte sie geraucht? Ihr Hals fühlte sich nach tagelangen Exzessen an. Selbst ein zaghaftes Schlucken ließ sie vor Schmerz zusammenzucken. Den Schmerzenslaut, den sie dazu formen wollte, brachte sie nicht über die Lippen.
Flache und angestrengte Atemzüge später, tastete sie sich mit der Linken ins Gesicht und rieb sich die brennenden Augen. Sie fühlte Feuchtigkeit. Schweiß, sicherlich, immerhin lag sie in der Sonne. Die Rechte lag seltsam begraben unter ihr.
Hatte sie geweint? War sie gestürzt? Erkältung, das konnte sein. Am Heimweg war sie durch den Regen gestiefelt. Mit der geschickteren, stärkeren Rechten wollte die junge Frau sich abstützen, aufrichten und sich umsehen. Irgendetwas sehen, das ihr auf die Sprünge helfen sollte. Ihr Unterarm ließ das nicht zu. Von erneuter, stechender Qual gezwungen, knickte sie wieder ein und sank zurück auf den Boden.
Erste Erinnerungsfetzen erreichten den Verstand. Sie war gestürzt. Und Götter, kein Wunder, dass ihr Kopf pochte, als wären Zentauren darüber geritten.
Sheila begrüßte es, als die Summe an Reizen sie ein weiteres Mal in den dumpfen Mantel des gedankenlosen Schlafes hüllte.
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