Tractatus Höggeri Speckfaustus IV

Tractatus Höggeri Speckfaustus IV


Högger Speckfaust war nun also in der Laune sich unter die Leute zu mischen, auf dem Feste zu tanzen und auf dem Feste zu trinken. Da Högger Speckfausts Beine lang und seine Schritte groß waren, dauerte es kaum eine Stunde bevor er an den Toren des Hofes stand, von welchem er das Lachen und Jauchzen der Feiernden, das Spielen der Musikanten und den Duft des feinen Essens vernommen hatte. Da grinste der Riese breit und trat durch das Tor. Bei dem Fest handelte es sich um eine Hochzeit. Es war die Vermählung zweier Königskinder, die, so wie es damals nur allzu selten war, einander aus tiefstem Herzen liebten. Sie waren einander schon von Kindesbeinen an versprochen und sollten sich doch erst in ihrer Jugend das erste mal zu Gesicht bekommen. Er, Prinz Klarfunkel, war ein schöner Bursche mit gelocktem blonden Haar.
Er war groß gewachsen, stramm und hatte die zarten, hellen Züge, die so üblich waren für die Menschen aus seinem Hause. Er war ein formidabler Jäger, ein geübter Fechter und hatte man ihn auf dem Rücken eines Pferdes das Land durchreiten sehen, da glaubte man er jagte den Wind. Er selbst war die Verkörperungen der Tugenden eines Edelmannes. Er war stark am Leibe und stark in seinem Willen, er stand für Gutes und Gerechtes ein und war bereit mutig gegen jedes Unheil, dass er erfuhr, zu ziehen. Sie, Prinzessin Morglanzia, war ganz anderer Art als ihr Prinz und doch stand sie ihm in Pracht und Schönheit in nichts nach, ja übertraf ihn sogar. Ihr Haar war lang, glatt und schwarz und floss ihre sanften Schultern und den schlanken Rücken hinab, wie ein Fluss der die Nacht durchwandert. Ihre Haut war dunkel und glatt wie Kastanien und ihre Augen funkelten in einem Grün, wie es Smaragde tun. Wo sie keine Jägerin, Fechterin oder Reiterin war, war sie doch eine Gelehrte, von einem Wissensdurst getrieben den ein Ozean nicht hätte stillen können, eine Dichterin, deren Werke das Herz rührten und bewegten. Eine so angenehme, von feinem Witz und eleganter Sprache beseelte Gesprächspartnerin, dass man im Austausch mit ihr ganz versinken konnte, bis dass der Morgen des nächsten Tages anbrach. Mit ihrem Verstand und ihren Worten und einem so guten und gerechten Herzen, wie es ihr Gemahl in der Brust trug, vermochte sie soviel Unheil zu verhindern, wie es ihr Prinz mit dem Schwerte tat.


In ihrer Einheit kam das menschliche Geschlecht zur Vollkommenheit. Alle Tugenden des Mensch-Seins, alles was ihn im Besten vom Tier erhob und so besonders in seiner Eigenart machte, war mit ihrer Hochzeit verwoben und nichts von dem Schlechten blieb über. Denn aller menschlicher Makel ist ein Mangel an einer Stelle, an der eine Tugend Platz finden würde. Die Häuser aus denen Klarfunkel und Morglanzia stammten regierten stets weise und gerecht und es sollte kein Urteil gefällt sein, das nicht gut war und keine Steuer erhoben, die nicht nützlich. Wohlstand, Frieden und Güte regierten in diesen Landen und so kam es auch, dass die Hochzeit rauschend und groß war. Im ganzen Land feierten die Leute auf ihren Höfen und Straßen und erfreuten sich an der Vollkommenheit dieser Vereinigung. An nichts herrschte ein Mangel. Die Tische wogen schwer von besten Speisen, die Fässer waren voll mit bestem Wein und frischem Bier. Sie stapelten sich wo immer man hinsah bis unter die Decke. Die Musikanten waren die besten des Landes und so von Freude ergriffen, dass ihre Lieder wie das Zwitschern der Vögel und das Säuseln des Frühlingswindes so natürlich durch die Hallen und den Hof hallten, dass kein sterblicher Fuß der Verlockung des Tanzes widerstehen konnte. Morglanzia und Klarfunkel, ob all ihrer hohen Würden, waren so vom Glücke des Fests ergriffen, dass sie wild und ausgelassen unter den Gästen tanzten und es war als tanzten zwei Sterne in einem Schwarm von Glühwürmchen.
Högger Speckfaust trat nun also durch das Tor auf den Festplatz und damit, da er von einer Größe war die jeden dort weit überragte und von einem Wesen das man nicht übersehen oder überhören konnte, traten sogleich einige der Gäste an ihn heran. Als er sie fragte, was dies für ein Fest sei, erzählten sie ihm, dass es sich eben um jene Hochzeit von Morglanzia und Klarfunkel handelte. Högger Speckfaust klatschte erfreut in die Hände und lächelte sanft. So blutig sein Handwerk war, so virtuos er die Klaviatur des Todes spielte, so weich war sein Herz doch in Sachen der Liebe. Högger Speckfaust liebte und hasste vieles und alles von tiefstem Herzen.Doch reine Liebe zwischen Zweien, die einander fanden und am anderen nichts außer das ureigene Innerste begehrten, das war etwas das Högger Speckfaust schätzte und genoss. Da diesesFest ihm gefiel, stellte sich der Riese vor, als der, der er war. Mancheiner der Menschen hob überrascht die Brauen, andere tuschelten und wieder andere jauchzten auf. Sogleich rannte einer der Gäste zum Brautpaar und holte es herbei; Einen solchen Gast hatten sie noch nicht gesehen! Klarfunkel und Morglanzia kamen heran, die Wangen noch ganz rot vom Tanze und ein Lächeln auf den Lippen, so schön und ehrlich, wie sonst nur die Sonne lachte. Klarfunkel trat hervor, stramm und männisch reichte er dem Riesen die Hand und hieß ihn willkommen. Er lud ihn herzlich ein mit ihnen zu feiern und ließ ihm sogleich einen Krug, voll bis zum Rand, bringen. Högger Speckfaust sah den kleinen Mann wohlwollend an, denn er erschien ihm ganz und gar vernünftig und für seine Winzigkeit doch mutig und kräftig. Nun stellte sich Högger Speckfaust auch hier vor, denn das Brautpaar hatte seinen Namen wohl noch nicht vernommen. „Högger Speckfaust, größter und bester, erster und letzter Riese südlich des nördlichen Endes der Welt. Meine Geschichte so lang und Abenteuer so viele, dass begänne ich heute sie zu erzählen, ihr unter der Erde läget, bevor ich am heutigen Tage angekommen wäre. Feindfluch, Knochenspieler, Nimmervolles Fass, Blutgurgler, Sturmtänzer, Donnerbringer, Säufer der Ozeane, Wangenröter der Schenkelöffner, Freund aller Dinge, Feind aller Dinge, und noch so viele Namen wie die Menschen Worte haben.“



Ein nachdenklicher Blick fiel über Morglanzias schönes Antlitz, dann sprach sie leise:„Der, der die Sonne rötet!“ Dann lächelte sie voller Freude und Triumph. Denn sie, Morglanzia, kannte diesen Riesen. Sie kannte ihn nicht persönlich. Das konnte sie nicht, denn als Högger Speckfaust das letzte mal unter den Menschen wandelte, da waren ihre Großeltern nicht einmal geboren. Doch da sie Bücher und Geschichten so liebte und von einem Verstand und Wissen war, wie es nur die wenigsten je sein könnten, erkannte sie ihn. Sie kannte viele Geschichten über den großen Riesen, seine großen Taten und seine kleinen Taten und doch waren es so viele, mit so vielen Namen und aus sounterschiedlichen Zeiten, dass kaum einer noch verstand, dass es stets der selbe Held oder das selbe Ungeheuer war, von dem dort gesprochen wurde. Diese Erkenntnis sollte Morglanzia erst später in ihrem Leben treffen und doch noch die Erste sein, die genug Verstand hatte, all diese Geschichten, Namen und Begebenheiten zu ordnen und das Leben und Wirken des Högger Speckfausts zu verstehen und in einer Chronik niederzuschreiben, die als der Tractatus Höggeri Speckfaustus bekannt werden sollte. Doch dies war noch lange Jahre hin. Sie erkannte den Riesen als den Riesen, den sie aus einer ihrer liebsten Geschichten kannte. Die Geschichte von dem, der die Sonne rötete. Es war eine Geschichte, die sie gerade in den kurzen Jahren ihrer Jugend nur zu gern las, sich mit ihren Freundinnen darüber unterhielt und sie in verlegenes Gekicher verfielen, betrachten sie gemeinsam das Morgen- und das Abendrot. Es war eine Geschichte, die von etwas erzählte, das vor langer Zeit geschehen sein sollte.


Die Geschichte von dem, der die Sonne rötete
In einer Zeit als die Sonne, das schönste Geschöpf unter und überdem Himmel, noch von früh bis spät ihre Schönheit zeigte, wandelte auch Hegrög Pestafucks über die Welt.Hegrög Pestafucks war einer jener Namen, die durch vielerlei Übersetzungen und Interpretationen Högger Speckfaust verliehen wurden und erst von Morglanzia geordnet und wieder zusammengeführt wurden. Doch durch einen glücklichen Zufall in der Sprache der Menschen von denen Morglanzia abstammte, war Hegrög Pestafucks, übersetzt man es an dieser Stelle: “Der Ögg mit den Fäusten, die wie Schinken sind“. Dieser Glücksfall führte die schöne Prinzessin auf die richtige Fährte und begründete ihr späteres Lebenswerk. Hegrög Pestafucks wanderte durch die Weiten dieser Welt und sah verstohlen zu der strahlenden Schönheit am Himmel hinauf und sie gefiel ihm ach so gut. Doch auchSonne selbst, die so stolz und schön war, schien gerne auf den Riesen, denn er war von allem was dort auf der Erde lebte ihr das liebste was sie bescheinen konnte. Nun vergingen die Jahre langsam und obwohl sie keinen Tag an Schönheit verlor, wurde doch der Blick von Sonne müder und kühler. Kaum etwas auf der Welt das sie nicht schon gesehen hatte, kaum etwas das ihr noch Freude bereitete. Die strahlende Freude und wärmende Liebe, die sie für die Welt am Anfang ihrer Tage hatte, wurde schwächer und so wurde es kälter. Hegrög Pestafucks grämte sich sehr über diesen Umstand und entschied die Wärme zurückzubringen. Es war nicht so, dassHegrög Pestafucks fror, ihm war Wetter und Welt kaum etwas anderes als verschiedene Einrichtung seines Hauses. Manches gefiel im besser als anderes, aber nichts von dem berührte ihn darüber hinaus. Er fürchtete keinen Hunger und keine Kälte, wenn er auch trotzdem lieber einen vollen Magen und ein warmes Feuer hatte. Nun, da Hegrög Pestafucks groß gewachsen war, so groß, dass er die Berge wie Blümlein zog und die Wolken wie Schäflein hütete, machte er einen Satz und sprang zu Sonne hinauf. Diese erschrak, da sie stets dachte, dass sie in einer Ferne wäre die keiner jener dort auf der Erde zu überwinden vermochte. Da stand nun Högreg Pestafucks vor Sonne und war froh ihr endlich so nahe zu sein, war sie doch kälter geworden, aber doch kein bisschen weniger schön. Und Högreg Pestafucks, stattlich und schön, wild und stark, beugte sich vor und flüsterte Sonne Worte, die bis heute kein Sterblicher kennt. Da glühten ihre Wangen voller Hitze und Röte und sie stieg mit Högreg Pestafucks in sein Haus hinab und sie vergnügten sich viele Stunden. Das rote Glühen ihrer Wangen auf dem Weg in seine Hütte ward das erste Abendrot auf dieser Erde. In jener Zeit, als die Sonne in Högreg Pestafucks Hütte war, herrschte die erste Nacht auf dieser Erde und finstere Gestalten hatten ihre erste Möglichkeit, jenseits der wachenden Blicke von Högreg Pestafucks und Sonne, ihre schändlichen Taten zu begehen. DennHögreg Pestafucks und Sonne hatten in diesen Stunden nur Augen für sich. Als Sonne erwachte war sie voll Wärme und ihre Wangen glühten nun nicht mehr vor Erregung sondern vor innerer Zufriedenheit rosig und rot und sie stieg auf ihren Platz am Himmel zurück. Es sollte das erste Morgenrot aufdieser Erde sein. Seit diesem Tage, wann immer es sie oder ihn nach dem anderen sehnt, steigt Sonne hinab in die Hütte des Riesen und sie verbringen Zeit miteinander. Und seit jener Zeit wechseln sich Tag und Nacht, Abendrot und Morgenrot ab und solange Högreg Pestafucks und Sonne sich lieben, wird dies sich nicht ändern. Und da kein Mensch sich an jene Zeit erinnert, als Tag und Nacht sich nicht wechselten, wissen sie, dass diese Liebe unsterblich ist.
…..................................................................................................................…......................................


Morglanzia lächelte zu dem Riesen hinauf und sprach leise: „Ich habe von euch gehört Högger Speckfaust, tanzt mit uns, speist mit uns, selten hat solch ein schöner Festtag noch schöner werden können.“ Da lachte der Riese, senkte dankend das Haupt und tanzte und trank mit den Gästen. Viele der Gäste fragten den Riesen nach seinen Abenteuern und immer antwortete er voller Freude und doch stahl er dem Brautpaar nicht ein einziges Mal ihr Fest. Nun, da das Fest schon einige Zeit von statten ging, bevor Högger Speckfaust eingetroffenwar, waren die ersten bereits müde und wollten sich mit schweren Beinen auf den Heimweg machen. Als Högger Speckfaust das sah, tanzte er in wenigen Schritte zu ihnen und sprach: „Nun bleibt doch noch ein wenig, das Fest hat doch gerade erst begonnen!“ Er sprach es mit einer Freude und Aufrichtigkeit, dass jeder sich dazu bewegen ließ doch noch eine Weile zu bleiben. Die Musiker spielten immer ausgelassener und Fass um Fass wurde geleert. Selbst der große Högger Speckfaust hatte das Gefühl satt zu werden und widmete sich nun ganz dem Trinken, Tanzen und munterem Plaudern. Es war nun viele Stunden her, dass das Fest begonnen hatte und so mancher der bereits gehen wollte entschied nun, dass es Zeit wäre und machte sich Richtung Ausgang auf den Weg. Högger Speckfaust zögerte nicht und legte den Menschen freundlich die Hand auf die Schulter und sprach:„Nun bleibt doch noch ein wenig, das Fest hat doch gerade erst begonnen!“ Er sprach es mit so einer überschwänglichen Fröhlichkeit und einladender Stimme, dass selbst jetzt keiner widerstehen konnte und sich letztlich doch entschied noch auf dem Feste zu bleiben. So vergingen noch einige Stunden und es kam dazu, dass am Ende jeder der Anwesenden doch schon gehen wollte und von Högger Speckfausts Worten doch zum Bleiben verführt wurde. Die Musiker spielten schon langsamer, denn es schmerzten ihnen die Finger und Kehlen. So brach bereits der neue Tag an und Högger Speckfaust tanzte und wirbelte noch immer über das Fest, als wäre er gerade erst auf die Tanzfläche getreten. Nun waren die Leute bereits recht müde und einige waren an den Tischen eingeschlafen, andere versuchten hin und wieder an den Ausgang zu treten, doch immer legte Högger Speckfaust seine Hand auf ihre Schulter und sprach: „Nun bleibt doch noch ein wenig, das Fest hat doch gerade erst begonnen!“In seinen Worten lag Einladung und Freundlichkeit und doch eine Bedrohung, die es keinen wagen ließ, das Fest zu verlassen. Klarfunkel und Morglanzia, selbst noch ganz im Rausch ihrer Liebe, hatten noch keinen Blick dafür und tanzten munter und fröhlich mit dem Riesen weiter.


Es ward nun zwei Tage her, dass Högger Speckfaust auf das Fest gekommen war. Keiner der Gäste hatte den Platz verlassen, die meisten schliefen in den vom Tanze verschwitzten Kleidern auf den Tischen und Stühlen, doch sobald sie erwachten, forderte der Riese sie zum Tanze und Gezeche auf. Das Fest war so rauschend und groß angesetzt worden, dass noch immer keine der Speisen oder Getränke zur Neige gingen. Nun war es aber so, dass die Freunde und Familien der Gäste sichSorgen machten, dass diese nicht vom Feste heimkehrten. Also machten siesich auf um ihre Brüder und Schwestern, Kinder, Eltern und Freunde zu suchen. Als nun diese Leute am Feste ankamen, sahen sie diese in den Stühlen schlafen oder auf dem Platze tanzen, mit angestrengtem Blick und müden Augen. Da traten sie auch auf das Fest und fragten ihre Freunde und Angehörigen, ob sie nicht mit nach Hause kommen wollten. Sie reichten ihnen ihre Arme als Stützen und hievten sie zum Ausgang. An diesem wartete doch bereits der tanzende Riese und sprach:„Oh wie schön neue Gäste! Bleibt doch noch ein wenig, das Fest hat doch gerade erst begonnen!“ Er sprach es mit freundlicher Bestimmtheit und keiner verließ das Fest. Die Musiker, deren Finger und Münder nun lahm waren, wagten es nicht ihr Spiel zu beenden. Wann immer sie stockten trat er zu ihnen und sprach „Seht ihr nicht, das Fest ist in vollem Gange. Morglanzia und Klafunkel lieben sich so sehr, liebt ihr sie etwa nicht?“ Da packte die Spielmänner das schlechte Gewissen und sie spielten weiter und doch wussten sie nicht, ob es aus Furcht vor dem Riesen oder der Liebe zu Morglanzia und Klarfunkel war. So zogen die Tage ins Land und es war nun mittlerweile so, dass jeder Mensch des Dorfes auf der Suche nach seinen Angehörigen selbst zum Gast auf dem Feste geworden war. Nach all diesen Tagen gingen nun auch die Lebensmittel zur neige. Högger Speckfaust sandte eine weiße Taube, die überall auf dem Hochzeitsgelände in güldenen Käfigen gehalten wurden, aus undbestellte so viele Fässer und Speisen wieersich vorstellen konnte. Als die Lieferanten nun ankamen, eröffnete sich ihnen ein seltsamen Bild. Sie kamen an den Festplatz, der nun über und über mitTanzenden und Schlafenden übersät war. Speisereste und schmutzige Kleidung schufen eine fürchterliche Unordnung. Die Musiker spielten nun in Schichten, so dass stets nur müdes und halb besetztes Spiel zu hören war. Die Lieferanten traten auf den Festplatz und wunderten sich arg was hier geschehen war, sie suchten nach den Veranstaltern des Festes und traten so an Högger Speckfaust heran. Dieser deutete auf Morglanzia und Klarfunkel, die nun mittlerweile selbst müde und erschöpft am Rande des Festes saßen. Klarfunkel hielt Morglanzia im Arm und hatte einen grimmigen Blick. Morglanzia war kraftlos. Wo sie doch den stärksten unter allen Geistern hatte, so war sie doch am Körper schlank und schwächlich. Klarfunkel sprach zu den Lieferanten: „Dieser Riese dort, Högger Speckfaust, lässt diese Fest nicht enden. Oh bei allen Geistern und Göttern, ihr armen Seelen seid nun auch Teil dieses Fests.“ Die Boten sahen einander ungläubig an, luden ihre Waren ab und schickten sich an, dasseltsame Fest zu verlassen. Doch als sie mit ihren Wagen am Tor angekommen war, stand dort Högger Speckfaust und sprach: „Nun bleibt doch noch ein wenig, das Fest hat doch gerade erst begonnen!“Und keiner der Lieferboten wagte es das Fest zu verlassen. Klarfunkel, der Inbegriff der Tugenden und desMutes,erhob sich nun, er ging zum tanzenden Riesen und sprach voller Wille und Ingrimm: „Horche, Högger Speckfaust, dies ist mein Fest und ich gebiete es nun zu beenden! Wir sind müde und keinem steht mehr Lust nach Tanz! Gehe nun oder erkenne du hast dieses fröhliche Fest zerstört!“ Högger Speckfaust hielt inne,sah überrascht auf den grimmigen Mann und sprach: „Sag Klarfunkel, ist es nicht ein Fest zur Ehre eurer Liebe zu Morglanzia? Sagt ihr eure Liebe ist so begrenzt wie dieses Fest und wollt ihr mir sagen, dass sobald ihr etwas müde werdet, eure Liebe nicht mehr gefeiert werden soll?“ Da erkannte Klarfunkel, denn er war ein kluger Mann, dass Högger Speckfaust schon viele totgeschlagen hatte, die ihn nur schief ansahen, und dasses sein Glaube an die Wahrhaftigkeit der Vollkommenheit der Liebe zwischen Klarfunkel und Morglanzia war, die ihn zügelte nicht alles totzuschlagen. Da lächelte Klarfunkel nur, senkte sein Haupt entschuldigend und forderte die Gäste zum Tanze auf. Hier darf niemand denken es wäre Feigheit oder Schwäche von Klarfunkel gewesen, es war die Vernunft und die Sorge um alle Gäste und seine Liebste diesen Riesen nicht zu erzürnen. Doch auch wenn Klarfunkel nicht über den Verstand seiner Liebsten verfügte, so war er doch listig und ideenreich und hecktemit ihrer Hilfe einen Plan aus. Sie griffen eine der Tauben und banden ihr eine Botschaft an, und als der Riese fragte was sie denn dort täten, erklärten sie ihm, dass sie noch weitere Gäste zum Feste laden würden. Das erfreute Högger Speckfaust sehr und er tanzte munter weiter. In der Zwischenzeit war das Festgelände ein Chaos aus Schmutz, Unrat und müden unsauberen Leuten. Aus den Tischen wurden kleine Unterkünfte gebaut und da nun langsam der Herbst anbrach, dicke Kleidung aus den Tischdecken gefertigt. Der Brief, den Klarfunkel und Morglanzia schickten, war eine Bitte an die großen Königshäuser eine Armee zu schicken, die dieses Fest beenden sollte. Sie sollten Nahrung, Decken und Medizin bringen und letztlich diese elende Feier endlich ausklingen lassen. All dies war Klarfunkels kühnem GeistundMorglanzias klarem Verstand entsprungen undso konnte niemand, der diese Botschaft erhielt, auch nur zögern ihr nachzukommen. So kam es, dass ein ganzes Heer eines Tages an den Toren des Festes auflief und es waren viele tausend Mann, sie stürmten ohne ein Wort zu sagen auf das Gelände und umstellten Högger Speckfaust und kümmerten sich um die hungernden, müden Leute. Die Musiker, die seit dem Tage des Festes Tag ein Tag aus gespielt hatten weinten vor Glück, wo doch schon einer zwei Finger an den Saiten seiner Laute verloren hatte und ein andererschon offene Lippen vom Spielen seiner Flöte hatte. Und so drangen immer mehr Soldaten auf den Festplatz und einige umstellten Högger Speckfaust, doch dieser merkte es gar nicht. Alsalsnun die Kranken und Müden auf Pritschenverladen waren und das Fest als aufgelöst erklärt wurde, marschierten die Soldaten, die Ärzte mit den Tragen auf denen die Kranken sich krümmten, die Gäste die noch gehen konnten und selbst Klarfunkel und Morglanzia zum Ausgang.


Dort stand Högger Speckfaust, und auch wenn er nur einer war, stand er doch neben jedem und sprach:Nun bleibt doch noch ein wenig, das Fest hat doch gerade erst begonnen!“Da weinten die Leute bitterlich und doch wagte es keiner das Fest zu verlassen. So vergingen viele Tage und der Herbst kam nun über das Land und die Kälte nagte übel an den Knochen der Menschen. Es wurden weitere Briefe ausgeschickt, doch es waren nur noch mehr Soldaten, Priester, Vagabunden und was immer man hoffte Högger Speckfaust widerstehen zu können zum Teil dieses Festes geworden. Nun wagte keiner mehr einen Brief zu senden, um nicht noch mehr Leute auf diese Fest zu locken. Es waren nun mehr schon erste Kinder zwischen den Festtafeln geboren worden und einige Greise verstorben und begraben. Högger Speckfaust war immernoch bester Laune und freute sich über die Flut der neuen Gäste, die noch bis vor kurzem eingetroffen war. Die Königreiche waren nun leer, kaum mehr noch als die Könige und ihr Hofstaat waren nicht auf dem rauschendenFest. Morglanzia und Klarfunkel waren nun Herren über einen Staat von tanzenden Gefangenen. Und er und sie überlegten so gründlich wie sie es dennbeenden konnten. Klarfunkel sprach: „Ach liebste Morglanzia, er lässt uns nicht gehen, weil er so fest an unsere Liebe glaubt, dass dieses Fest so unendlich sein soll wie diese.“ Da vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen und schluchzte: „Ach süßer Klarfunkel, wie kann er dies denn glauben, wie kann er denken, dass wir einander, eingebunden in Schmutz und Schuld, noch nahe sein können?Wenn unsere Liebe zwar unendlich, unsere Sorgen doch aber so groß sind, dasswir weinen wenn wir das Elend sehen und uns nicht trösten können aneinander, weil wir um uns trauern?“ Da weinten beide bitterlich und weil diese vollkommenen Menschen weinten, weinten dort alle auf dem Fest – alle außer Högger Speckfaust. Sie weinten vielerlei Tage und beklagten ihr Schicksal. Der einzige Grund warum sie nicht verhungerten und erfroren war die Weisheit der Könige, die aus sicherer Entfernung mit Katapulten Lebensmittel und Kleidung auf das Fest brachten. Hier und da schaffte es ein Bauer einen beladenen Ochsen durch das Tor zu treiben ohne selbst einzutreten. Nun neigte sich der Herbst dem Ende zu und die vielen Gäste hatten sich nun kleine Hütten und Unterkünfte errichtet, Ärzte hatten ihre Sprechstunden und wer nicht gerade weiter tanzen musste, ging irgendeinem seiner Handwerke nach. Viele wurde zu Musikern ausgebildet und der Klampfenspieler, der zwei Finger verloren hattewurde der Rektor der sich bildenden Musikschule. Högger Speckfaust betrachtete alldies fröhlich und tanzte und tanzte. Morglanzia und Klarfunkel regierten weise über dieses kleine Volk und doch gab es keine Fröhlichkeit.


Gerade als der Winter angebrochen war und die Zeiten ausgesprochen hart wurden und die Menschen zusammenrückten um sich zu wärmen, fiel der Blick von Högger Speckfaust auf das Königspaar. Morglanzia und Klarfunkeltrugen nochimmer ihre Hochzeitskleidung und Högger Speckfaust runzelte die Stirn und sprach: „Morglanzia und Klarfunkel, was tragt ihr immernoch die Hochzeitskleidung, ist nicht Zeit für eure Hochzeitsnacht?!“ Da erhob Klarfunkel seine Stimme und sprach: „Ach, Ungeheuer Högger Speckfaust, wie sollen wir uns denn vereinen, wenn wir das Fest nicht fahren lassen können! So geht der Gastgeber doch immer zuletzt, nicht wahr?!“ Klarfunkel sprach zynisch und zornig und doch entflammte der Funke seiner Worte eine rettende Idee in Morglanzias wachem Geist. Sie legte Klarfunkel besänftigend die Hand auf die Schulter und gebot ihm leise Ruhe um ihr das Wort zu überlassen und sprach: „Ach, Högger Speckfaust, wir würden so gerne einander erfahren, so wie du es mit Sonne tust, die sicherlich auchdich erwartet. Doch wie können wir bei einem so edlen Gast das Fest verlassen, wenn er doch noch so gute Laune hat. Wir werden einfach warten, bis ihr müde seid, dann werden wir unsere Hochzeitsnacht genießen.“ Da blickte Högger Speckfaust zu Boden und schüttelte seufzend den Kopf. „Verzeiht, aber ich werde niemals müde, Morglanzia! Aber, wer bin ich schon, euch diese Freude vorzuenthalten! Vielen Dank für das schöne Fest, es ist ja nun auch schon etwas später geworden!“ Da, drehte sich der Riese auf dem Absatz um, nickte noch einmal in die Runde der Gäste und stapfte ohne ein weiteres Wort in die Winterlandschaft. Irritiert blickte der Riese auf den Schnee, er fragte sich, ob er Sonne solange hat warten lassen, dass sie schon wieder ganz kühl geworden war.


Morglanzia und Klarfunkel fielen sich in die Arme und so taten es die anderen. Es ward vorbei! Nach und nach kehrten die Leute auf ihre Höfe zurück, andere wiederum blieben, denn sie hatten dort ein neues Leben begonnen. Die Musikschule, die sich dort gründete, sollte eine der besten und bekanntesten in allen Ländern werden, denn es gab niemanden der solange spielen und üben konnte wie jene die dort gelernt hatten. Morglanzia und Klarfunkel kehrten nun endlich als Ehepaar in ihr Haus ein und es brauchte noch viele Tage bis sie einander nahe sein konnten ohne an jenes Fest denken zu müssen. Viele Jahre später gebar sie ihm ein Kind, so schön und edel wie es bei diesen Eltern zu erwarten war. Klarfunkel wurde ein nobler König und regierte mit Kraft und Weisheit, Morglanzia wurde eine der größten Gelehrten ihrer und späterer Zeiten und der Tractatus Höggeri Speckfaustus ward einer ihrer großen, jedoch nicht größten Leistungen. Auch wenn sie in ihren Leben nie wieder ein Fest feierten, so lebten sie doch alle lange und glückliche Leben.
Högger Speckfaust legte sich, nachdem er das Fest verlassen hatte, erst einmal zur Ruhe. Der Magen war voll und der Kopf vom Bier ganz schwer, er lehnte sich an einen Baum und schloss die Augen. Sein tiefes Schnarchen ließ eine Lawine abgehen und er verkroch sich unter dem Schnee wie unter einer wärmenden Daunendecke und schmatze genüsslich bei der Erinnerung an das schöne Fest.

Kommentare 3

  • Du weißt ja das ich eine der ersten wäre die ein Buch kaufen würde welches aus deinem Kopf und deiner Feder stammt. ♥

  • Oh was für ein literarisches Pampflet. Welche tiefgründigen Worte, die ihresgleichen suchen um dieses Ereignis zu erzählen. Diese Geschichte...nein, diese Legende, was erzähle ich hier..diese Sage!, diese bildliche Schilderung der vollkommenen theatralische Darbietung eines Dramas, welches sich vor den Geschichtsschreiben der Altvorderen verneigt. Die versinnbildlichende Darstellung des Aktes und der evolutionären Entwicklung ist hier vortrefflich gelungen in der hier auch die geschichtliche unterschwängliche Erzählung nicht vergessen wird...
    Ich verneige mich in Ehrfurcht..


    Morgaine Y Draig...(nur echt mit dem Waschbären) ;o)

  • So viele Enthüllungen!
    Stand die Sonne denn die ganze Zeit über wartend am Himmel?