Rosalie lag vor ihm, auf dem Wickeltisch. Ihre großen braunen Augen blickten müde, aber überaus wachsam zu ihm hinauf. Mit den kleinen Fingerchen spielte sie an den eigenen langen Locken und gähnte dann herzhaft. Der kleine Schreck am Strand hatte ihr die letzten Reserven des Tages geraubt. Bei der Erinnerung an den Biss, pochte das Nagelbett verräterisch. “Kleiner Schrecken.“ Die Stimme des Löwen ließ das Mädchen auflächeln. “Luuuc, nis böse.“ Das stand für sie fest. Er hätte vor ihr wohl brandschatzen und morden können und das kleine Kinderherz würde immer noch für ihn schlagen, in fester Überzeugung das Luc eben nis böse ist. “Stimmt. Aber Rosalie ist ein Vielfraß.“ Er hob das, fertig für den Schlaf gewickelte, Kind auf den Arm. “Hamm Hamm!“, machte sie sogleich und wollte da nach der Nase des Löwen schnappen, als ein weiteres Gähnen Rosalie überkam. “Nein. Kein Hamm Hamm. Rosalie muss jetzt schlafen. Bett, Bett.“ “Bei dis.“ Und zack, schlangen sich die Kinderärmchen um seinen Hals. “Nein. Erst alleine.“ “Nein. Bei dis“, wurde sogleich wiedersprochen, dennoch stand Rosalie kurze Zeit später im Kinderbett. “Leg dich hin Schatz. Es ist spät. Luc ist auch müde.“ Trotzig presste Rosalie die Lippen aufeinander. “Ruf mich wenn du wach wirst und dann komm ich und hol dich“, erklärte er sanft, als er Rosalie doch endlich zum hinlegen brachte. Die Schritte führten ihn gerade zur Tür, als es hinter ihm krähte. “Luuuuuc! Waaaach!“ Der Löwe drehte sich um und Rosalie stand am Gatter des Bettes, hochgezogen und gar nicht mehr brav liegend wie eben. “Wach, wach! Mit! Mich, los!“ Der Löwe konnte nicht anders und lachte. Warm und tief aus der Brust heraus, als er zurück zum Kinderbett ging. Das bekannte Lachen des Löwensteiners ließ auch Röschen erfreut aufquiecken, was aber sogleich ein langes Gähnen nach sich zog, als sie die Arme hinauf zum Löwen streckte - der sie packte, aber einfach wieder hinlegte. “Nein Luc! Nis hier! Schlafen. Los.“
“Genau. Schlafen. Rosalie in ihrem Bett, ich in meinem.“ Die Worte gefielen dem Kind gar nicht. Tränen füllten die Augen, während die Kinderfinger die große Männerhand festhielten. “Bleiben.“ Da lächelte Luc wieder. Doof war die Kleine wirklich nicht. Wenn er sie nicht mitnahm musste er eben auch hier bleiben.
“Gute Nacht Geschichte?“, fragte er da und griff schon nach dem Buch, welches er bestimmt schon gefühlte 100x in den Händen hatte. Es war ihr Lieblingsbuch. Die Kleine war so müde, das sie den Anfang eh kaum noch mitbekam und während er die ersten Zeilen von “Puupaduu, der Quaggan und du“ vorlas, streichelte er sanft über den dunklen Lockenkopf des Kindes hinweg. Als sie tief schlummerte erhob er sich leise und klappte das Buch zu. Er beugte sich über das Gatter hinunter und hauchte dem Kind noch einen kleinen Gute-Nacht-Kuss auf. Unwillkürlich lächelte es, wohl im Traum von Puupaduu gerade geküsst worden.
Sie war nicht seine Tochter. Nicht sein leibliches Kind und doch hatte die ganze Zeit mit ihr in ihm den Wunsch geweckt, genau das zu sein. Etwas das er jedoch nicht ändern konnte, aber er konnte die Kleine so lieben wie sein eigenes Kind. Und das tat er inzwischen bereits mit jeder Faser.
Luc löschte die Kerze im Kinderzimmer, ließ die Tür einen Spalt breit auf, damit das Licht vom Flur indirekt das Zimmer ein wenig erhellen konnte. Auf leisen Sohlen ging es schließlich den Flur entlang, zum eigenen Zimmer und dem eigenen Bett, in dem er schon lange nicht mehr allein geschlafen hatte....
... zum Glück.
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