Verständnis


Sie blickte ihn nun völlig unverwandt an, nickt aber - zwar zögerlich aber sie nickt. „Ich mag es nicht, wenn du plötzlich so...“ Sie fand die richtigen Worte nicht, wedelte mit der behandschuhten Hand und rümpfte einfach nur die Nase. „Sei weniger nett, sonst…“ Sie verstummte plötzlich. „Wenn ich selbst nicht damit zurechtkomme, werde ich zu dir kommen.“ Ein knappes Nicken bestätigte ihn nochmal. „Sonst... ?“ Seine Mundwinkel zuckten nach oben. Auch wenn sie es nicht sah, hallte dieses gefällige Lächeln in dem einzelnen erfragten Wort nach. „Es war nur so daher gesagt… Was soll schon passieren.“ stotterte sie etwas verloren und presste die Lippen aufeinander. Den Blick abgewendet kramt sie nach dem Schlüssel zu dem roten Herrenhaus. „Ich danke dir für den Abend.“
Sie schloss die Tür hinter sich ab und drehte sich herum. Er stand noch dort. Mit Sicherheit stand er noch dort.
Die Augen blickten in der Dunkelheit zur Decke und sie seufzte lautlos auf.


„Du wirkst nüchterner als ich es erwartet habe.“ Bei der Stimme schreckte sie auf und blickte sich im Flur um. Rupert lehnte am Türrahmen zum Salon. „Als würde dich das was angehen. Du hättest einfach mit Vater und Mutter mitfahren sollen.“ Blafft sie ihn direkt an und löst sich von der Tür, hinter der nun die Schritte zu hören waren die verrieten, dass er den Weg nach Hause angeschlagen hatte. Ihre Mundwinkel zuckten nach oben, doch sie erinnerte sich daran, dass der Wachmann sie noch immer beobachtete und bemühte sich direkt um ein ausdrucksloses Gesicht. „Er ist nicht der Richtige Marlene. Das würde dein Vater auch so sehen.“ Sie schnaubte auf und funkelte ihn nun erbost an. „Vater und du teilt oftmals eine Meinung Rupert. Liegt das vielleicht daran, dass er dich als seine erste Wache gut bezahlt, mhm?!“ zischte sie ohne darauf einzugehen. „Komm doch einfach zurück nach Garrenhof. Auch wenn er stur ist… Du bist seine einzige Tochter und er wird über all DAS hinwegsehen.“ „Was meinst du mit all DAS?“ „Dieses Theater hier in Götterfels. Der Fischer, der Graf, die geplatzte Verlobung, der Baron.“ „Welcher Baron?“ schmunzelte sie nun und ging an ihm vorbei, die Tür zum Salon mit einer Hand öffnend. „Such es dir aus Kleines.“ Sie schüttelte den Kopf. „Falls es dir nicht aufgefallen ist Rupert: Mit keinem von Ihnen habe ich noch Kontakt.“ „Und warum dann mit ihm? Der gehört doch auch zu der kleinen Sippschaft die dich beinahe in den Wahnsinn getrieben hätte.“ Sie antworte ihm nicht, sondern wischte sich mit dem weißen Ärmel über die Lippen und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht Rupert. Es ist spät, solltest du nicht im Bett sein?“ Er stand noch im Türrahmen, während sie sich, samt Schuhen und dem teuren Kleid aufs Sofa niederlegte und den Blick ins Feuer im Kamin wandte. „Es wird Zeit, dass du dir nun endlich bewusst wirst was du willst Kind.“ Sie schloss die Augen und ließ die Worte, die bereits ihre Mutter an sie gerichtet hatte noch einmal durch ihre Gedanken schwirren. „Marlene. Ich meine das ernst. Keine Tanzabende mehr, kein Ausführen lassen von wem auch immer. – Denk an deine Zukunft und beweis es deinen Eltern, beweis es allen. Das ist es doch was du willst!“ Sie öffnete den Vorhang zu den gelben Seelensteinen und ließ die Beine vom Sofa gleiten, während die rechte Hand sich bereits nach dem Cognac streckte, hielt sie inne und blickte auf ihren Ärmel, der Lippenstift war der Kontrast den sie sich den Abend über gewünscht hatte. Addisons Lippenstift, Marke Extrarot. „Aufstrebend in der Gesellschaft…“ wiederholte sie die Worte der Hexe zu der sie aufsah und schmunzelte in sich hinein, während der Abend in allen Gesprächsfetzen noch einmal an ihr vorbeizog.


„Männer sind unser Spielzeug Marlene, nicht anders herum.“


„Warum fröstelt es mich hier plötzlich so?“


„Schwarz. Wie mein Herz.“


„Ich schicke dir eine Wache, die dich zu mir begleiten wird. Verstanden?“



Ein loses Lächeln lag auf ihren Lippen als sie ihren eigenen Gedanken eine Antwort formulierte:
„Verstanden. Ich habe euch alle verstanden. Aber Ihr müsst auch mich verstehen...“

Kommentare 18

  • Rupert ist sicher auch so einer der stundenlang im Dunkeln im Sessel sitzt und wartet, bis jemand heimkommt und erschrickt. Oder war das Aedan?

  • <stellt ein Schild vor Marlenes Haus> Eigentum von Hexe Incorp.

  • *zieht sich schon mal ne Decke über den Kopf und lässt sich dickes Fell wachsen*

  • Kann ich Motte nur zustimmen :D


    Und es liest sich sehr toll!

    • Ich finde die Hexe hat recht, trotz des Alters und der angeblich senilen Art!


      Dankeschön. <3

    • Natürlich hat die Hexe recht :D

  • „Männer sind unser Spielzeug Marlene, nicht anders herum.“


    Doch anders herum! Hör nicht auf die Hexe, die ist senil.

    • Also wenn sich Marlene jemals nicht allein fühlen will, sollte sie Spiele vielleicht grundsätzlich aufgeben. Ich kenne da wen, der kann das wärmstens empfehlen xD

    • Aber, aber.. Man muss sich doch dem Umfeld anpassen. :D

    • Definiert noch mal "Spielzeug"... *pfiffel*

    • Hört ihr wohl auf ihr abzuraten auf meine tollen Ratschläge zu hören? :D

  • Die Situation kommt mir vage bekannt vor. Schön geschrieben, allerdings bist du nicht ans Präteritum gewöhnt, kann das sein? Du rutschst ab und zu zurück ins Präsens ;)

  • As black as your heart...