Vor einigen Jahren hatte Leon Iorga beschlossen, dass er ein neues Lager für seine Waren brauchte. Schmuggelgut und Rauschmittel. Irgendwo hatte er es unterbringen müssen. Darum hatte er seinen besten Freund Hermes losgeschickt. Dieser erfuhr von einer Frau namens Breena, ein vorlautes Mädchen, das im Flaschenhals gearbeitet hatte und in irgendeiner Weise mit Sate, dem Pächter jenes Etablissements verbandelt war, dass im Ossa-Viertel ein Laden leer stand. Das alte Tabakgeschäft von Malcom Blythe, der vom neuen Morgen in seinem eigenen Geschäft aufgeknüpft worden war. Breena hatte den Rat gegeben, sich in der zerbrochenen Wunderlampe an eine Frau namens Diarmai zu wenden. Über Diarmai hatte Hermes Kontakt zum Minister Lando Stark hergestellt und bald darauf wurden Papiere unterschrieben und aus der Idee mit dem Lagerhaus war der Lächelnde Meridian geworden.
Das Lagerhaus kauften die Iorgas trotzdem. Es befand sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo ein Mann namens Cird täglich herumlungerte und ungewollt oder gewollt die Lage überwachte. Das Geschäft brummte, Leon Iorga war ein anerkannter und allseits gern gesehener Bonvivant und seine Geschwister, der eigentümliche Ilie mit dem starrenden Blick und die muntere, etwas wählerische Helena, halfen dem Laden zum Aufschwung. Und für alles, was sie nicht tun konnten oder wollten gab es Hermes und seine unsichtbare Schar von Stadtsoldaten. Der Erfolg führte weitere Familienmitglieder in die Stadt. Da war Victor Iorga, ein alter Trunkenbold, der laut lachte und jeden Raum mit Rasierwassergestank überfüllte, Alexej der Schnapsbrenner und seine Schwester Sneshana und über die Jahre viele andere, Levi, Nikolaj, Vanea, Rasvan, Nevia, Florim und das sind nur ein paar.
Leon Iorga war ein Redner, ein Freund, ein Bruder, ein Spieler, ein Zecher. Die viele Arbeit und sein unverantwortlicher Lebenswandel verlangten schließlich ihren Tribut – er wurde vom Schlag getroffen. Einmal erholte er sich, doch er fing wieder an zu trinken und stieg viel zu früh wieder ins Geschäft ein. Als ihn der Schlag das zweite Mal traf, wusste er, dass er das Familiengeschäft nicht mehr anführen konnte. Der nächste in der Reihe wäre sein Bruder Ilie gewesen. Doch dieser starrte nur, wie er es immer tat, und zog aufs Dorf. Jetzt richteten sich die Augen auf Helena. Doch was war mit ihr?
Sie hätte einen reichen Plantagenbesitzer aus Löwenstein heiraten sollen. Einen Mann namens John Tavington, eine gute Partie, Leon hätte zurückgelehnt sein Geschäft erweitern können. Aber sie wollte den Mann, der gegenüber des Meridians an der Mauer stand. Sie wollte Cird. Für ihn stellte sie sich so lange ihrer Familie entgegen, bis die Familie keine Wahl mehr hatte, als ihn zu akzeptieren. Und trotzdem glaubte keiner, dass Helena die Familie anführen konnte. Zumindest glaubte sie selbst es nicht. Sie schrieb nach Löwenstein. Sie schrieb an Adrian.
Adrian Iorga war ein Vetter, Sohn von Nicolae. In seinen frühen Kindertagen hatte er eine Weile bei Leon, Ilie und Helena gelebt. Um dieser alten Zeiten Willen ließ er seine Geschäfte in Löwenstein ruhen und kam nach Götterfels. Er nahm Leons Position ein. Er stand ihm in nichts nach, erweiterte das Geschäft, häufte Reichtum an und schlug eine Karriere ein. Die Frauen warfen ihm ihre Herzen zu, die Männer ihr Geld. Mit sich brachte er seine Schwester Veruca, die Schöne. Und die Familie Libanez.
Der Einfluss der Familie Iorga wuchs weiter. Cird, dem man stets nachgesagt hatte, sich keinem anzuschließen, war ein Teil davon geworden. Er hatte Helena nicht geheiratet. Er hatte einen anderen Weg gefunden. Sie waren verlobt, aber sie waren nicht glücklich. Zwischen Cird und Victor Iorga gab es eine Feindschaft, die Helena zerriss, und die so groß war, dass Victor schließlich die Familiengeschäfte verließ und Adrian Cird nach Löwenstein übermittelte, damit er ihn für seine begangenen Frechheiten nicht hinrichten musste. Helena hatte beide verloren.
Eines Tages kehrte Adrian nach Löwenstein zurück. Sein Vater Nicolae lag im Sterben. Die angesehene Gwennis von Weißenstein, eine „Adelige der Extraklasse“, an der Hand, ging er, um Nicolaes Posten zu übernehmen. Aber Nicolae starb nicht. Er wurde wieder gesund und ergriff die Macht zurück. Adrian blieb dennoch in Löwenstein.
In Götterfels hatte Alexej Iorga eine Weile lang das Szepter in der Hand. Victor ging eigenen Geschäften nach, so war es vereinbart, man duldete einander, man stand einander nicht im Weg. Auch Levi agierte weit jenseits des operativen Geschäftes. Man duldete einander, man sah nicht so genau hin. Helena, die den Verlust ihres Verlobten nicht hatte überwinden können, verbrachte die Nächte volltrunken, die Nase tief im Puderschnee, bis sie eines Tages ihre Tasche packte und der Stadt entfloh.
Als sie wieder kam, trat sie ihr Erbe an. Sie führte Verhandlungen, sie richtete das Geschäft wieder her. Sie verkehrte mit all ihren Verwandten, erpresste ihre Brüder, ihr den Meridian zum Spottpreis zu verkaufen und übertrug einen Teil davon an Alexejs Frau Lynn. Sie lockte weitere Verwandte an, wie Eugen-Pauls Sohn Trajan, und nahm Banel und Narcis Iorga unter ihre Fittiche, als sie aus dem Gefängnis entlassen wurden. Sie ging ihren Leidenschaften nach und brach die Knochen und Herzen mancher Männer und einiger Frauen. Sie ließ die, die sie liebten, links liegen und weinte, wenn auf einem Ball kein Mann sie zum Tanz aufforderte. Sie schloss Freundschaft mit Bettlern wie Tin und Leyla und Feindschaft mit Sigrich Lauterwald und Nicolae Iorga. Sie wollte besser sein als alle anderen, machte viele Fehler und vereinsamte ohne ihre Brüder. Sie ließ die, die sie liebte, links liegen und weinte, weil sie die Einsamkeit nicht ertrug. Sie war untröstlich und überglücklich und sprach nicht über ihre Angst, die sie vor vielen Dingen hatte. Sie bedauerte ihr kaltes Verhältnis zu Levi. Sie vermisste Victor. Sie vermisste viele. Sie vermisste sich selbst. Als ihr Onkel Nicolae ihr drohte, es wäre besser, das Geschäft „den Männern zu überlassen“, beschloss sie, dass die Zeit einer neuen Generation gekommen war.
Sie sagte: „Ich sage: wir stürzen Nicolae.“
Sie verstand, dass überall in ihrem Haus Mitglieder der Familie Libanez arbeiteten. Adrian hatte sie damals mitgebracht. Helena hatte sie behalten. Adrian war Nicolaes Sohn. Helena hatte Adrian geholt. Sie hatte sich ihre eigenen Fesseln angelegt.
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