"Och nö." tönte die junge Frau voller Unlust, als sie viel zu spät in der Nacht nach Hause kam und das Kärtchen fand, dass Alesha ihr hinterlassen hatte. "Klar, jetzt soll ich nochmal raus. Ich war heute ja noch nicht genug unterwegs." grollte sie weiter und warf den Hunden, die sich geduldig nahe der Zimmertür zusammengerollt hatten, einen prüfenden Blick zu. Immerhin, beide blickten sie aufmerksam, stoisch und wachsam genug drein, dass die junge Frau vollstes Verständnis hinein interpretieren konnte, hätte sie das gewollt. "Was guckt ihr jetzt so? Wollt ihr etwa auch nochmal raus?" Unelegant beugte sie sich vornüber und rubbelte sich mit dem Handtuch durch die nassen Haare. Das Bad hatte nach diesem verkorksten Tag gut getan, ihren Unmut aber auch nicht gelindert. "Ihr wisst ja überhaupt nicht, was heute los war." schimpfte sie weiter. "Es ist eine Sache, wenn deine Familie deinen Geburtstag vergisst, aber eine völlig andere an deinem Geburtstag beschossen zu werden. Be-schoss-sen!" präzisierte sie, nur für den Fall den Hunden wäre bisher noch nicht bewusst gewesen, wie heikel das Ganze eigentlich war. "Und den Rest des Abends habe ich dann damit verbracht, einen Asura zu beschatten." Sie klang gerechtfertigt empört, richtete sich wieder auf und warf das nasse Handtuch auf das Bett. "Wisst ihr was der gemacht hat? Der war im Hals und hat sich betrunken!"
Die Hände in die Seite gestemmt, wandte sie sich um und starrte auf ihre beiden Zuhörer hinab. Einer von ihnen wedelte, der willkommenen Aufmerksamkeit sei Dank, angedeutet mit dem Schwanz. "Hör auf damit!" zischte sie das Tier an und stieß den Finger anklagend in seine Richtung. "Ich habe heute einem Asura dabei zugesehen, wie er sich betrinkt! Seht mich an, ich bin vollkommen nüchtern! Das ist doch nicht fair!" Für einen kurzen Moment stand sie so, dann ließ sie sich auf das Bett sinken und fuhr sich entmutigt durch die Haare. "Sie haben ihn einfach vergessen..." Dieses Mal klang sie enttäuscht, ehrlich enttäuscht. Vielleicht sogar gekränkt. "Wisst ihr..." begann sie abermals und nahm die Hunde wieder in den Fokus, verwarf den Gedanken gleich darauf und stand wieder auf. "Ja, natürlich hätte ich was sagen können." rechtfertigte sie sich unerwartet vor den Tieren, von denen eines jetzt aufgestanden war um desinteressiert an den Füßen eines Bücherregals zu schnuppern. Er unterließ es, als Lynn begann das Zimmer mit energischen Schritten zu durchmessen. "Nein. Nein! Sie hätten dran denken müssen. Und was fällt diesem blöden Kerl überhaupt ein sich heute anschießen zu lassen!" Lynn blieb stehen und starrte einen Augenblick die Wand an, dann wandte sie sich Baskar und Bregan wieder zu. "Es geht ihm gut." beschwichtigte sie beide sanfter, griff nach einem Glas auf dem Beistelltisch, holte, einem inneren Impuls folgend, weit damit aus und ... stellte es dann behutsam wieder ab. Genauso behutsam griff sie nach der Glaskaraffe, goss sich zwei Finger breit ein und trank einen Schluck. Sinnierend hielt sie das Glas dann noch ein oder zwei weitere Augenblicke, ehe sie es mit solcher Wucht zurück auf das Tischchen knallte, dass es davon einen Sprung bekam.
"Vielleicht sollte ich mich auch anschießen lassen!" platzte sie heraus ohne dem Glas weitere Beachtung zu schenken. "Nein, besser!" fiel es ihr dann ein, den rechten Zeigefinger belehrend gehoben. "Ich setze mich runter in die Küche und heule, weil mich niemand lieb hat. Das wird helfen." Es gelang ihr nicht ganz den beißenden Nebenklang aus ihrer Stimme zu verbannen. Es gelang ihr ebenso wenig ihn selbst zu überhören. Grund genug zwei weitere Schritte zu tun und ihr Gesicht in dem großen Spiegel zu betrachten, als wäre es nötig ihre eigenen Motive zu ergründen. War es nicht. Natürlich nicht. Kopfschüttelnd drehte sie sich wieder fort und griff sich geordnet ein paar neue Klamotten aus dem Kleiderschrank, die sie sich eher nachlässig überstriff. "Ich hab ja gar nicht viel erwartet." sprach sie dann leise weiter. "Ich weiß ja, das wir grad alle nicht fröhlich sein dürfen. ...ein paar Worte hätten doch schon gereicht..." Abermals blieb sie vor dem großen Spiegel stehen. Beiläufig befand sie, dass Alesha's Hemd ihr nicht stand. Die Ärmel waren zu lang und verhinderten, dass ihre Fingerkuppen das kalte Glas berührten, als sie die Hand nach ihrem Spiegelbild ausstreckte. "Alles Gute zum Geburtstag, Lynn." sprach sie dann zu sich selbst, ihr Ebenbild betrachtend. Sie nahm sich die Zeit traurig zu sein. Sie nahm sich die Zeit sich einzugestehen, dass dieses einfache und vermutlich nichtmal böswillige Übergangen werden sie viel mehr traf als sie zugeben würde. Ganze acht Sekunden Zeit, bis sie die Hand wieder fortriss und sich entschieden weigerte, sich wie ein verratenes, ungeliebtes Kind zu fühlen.
Stattdessen zog sie die Zimmertür auf. "Ich gehe jetzt." verkündete sie den Hunden uneinsichtig und trat hinaus auf den Flur. Es dauerte abermals einen Moment, bis sie den Kopf nochmal hinein steckte: "Na kommt schon." lud sie die Hunde dann ein und musste unwillkommen lächeln, als die beiden treuen Seelen übermütig aus dem Zimmer stürmten und sich ihr anschlossen, als sie sich aufmachte um wenigstens einem Iorga die Chance zu geben diesen völlig mislungen Tag noch zu retten.
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