Schwarzes Fell, weich wie Seide streift die alte elonische Töpferkunst in Form einer Vase. Ein Band aus gelben und grünen Tupfen schlängelt sich in Wellen um den tönernen Körper. Bereit zum Sprung, studiert das Geschöpf mit einem Quellteich aus türkisgrünem Sternenstaub in den Augen jede Bewegung des Mädchens. Welch neuartiges, fremdes Wesen. Noch nie gefühlt, noch nie gehört und erst recht nie gerochen. Fiona duftet verführerisch nach dem altem Rinnsal hinter der Taverne im Salmaviertel, wo der Saft aus Fleisch- und Fischresten von der Nässe in die Fugen des Pflasters sickert. Und interessant nach gerösteten Kastanien, die sie in der Tasche trägt riecht sie auch. Links die Schalen, rechts die unangetasteten Nussfrüchte. Eine Komposition aus Kohle, Holz und aromatischer Süße der roh so herben Maronen. Wenn sie nur nicht so riesig wäre.
„Digsby?“ Der Rotschopf zuckt zusammen, als das dumpfe Pochen vierer Pfoten neben dem Läufer auf grobgemaserten, dunklen Dielen an ihr Ohr dringt. Ein tiefer, aber ungefährlicher Sprung, wenn man Menschen gerade mal zur oberen Naht des Stiefelschaftes gewachsen ist. Katzenaugen nähern sich und werden zur Schar von zwei Dutzend blauen Glühwürmchen, ehe der Gast die Lider zusammenkneift. Wie der vermeintlich gefallene Apfel eine Sinnestäuschung, der der Verstand erliegt. Fionas Nägel werden beim Griff in die nahe Tischkante blass. „Nennt ihr so eure größte Angst,“ raunt die Männerstimme durchaus interessiert, „oder zwingt euch eure Befürchtung mich so zu nennen, weil die Samen mein Äußeres verschleiern? Ein letzter Schritt zeigt euch wer ich wirklich bin und doch entscheidet ihr schon vorher, was ihr von mir haltet. Eure Stimme zittert, als hätte ich euch einem Wohlsein entrissen, das scheinbar keinen Bestand hat. Dabei wisst ihr, dass ihr keine Ahnung habt, was geschehen ist.“ Die Gestalt im edlen Sitz atmet hörbar tief durch und schnaubt zuletzt als Fiona schweigt. „Ich beneide euch darum.“ Ein Schnurren, subtil und doch nah. Das Tier umgarnt den Stiefel des hier so fremden Wesens. Der Pelz reibt nicht ab, was einer Bürste bedarf und bleibt unbeeindruckt von trocknenden Schlieren aus den Gassen dieser Stadt.
„Das ist Theodore.“ Die junge Frau weiß nicht wohin mit ihren Gedanken, als der Ungesehene den Kater vorstellt. Unruhig huschen ihre Iriden vom kleinen freundlichen Schatten zu ihren Füßen zum vermeintlichen Entführer vor dem lauschigen Kaminfeuer und wieder zurück. „Ich würde ja gerne sagen, dass er euch mag aber das wäre eine Unterstellung, weil ich ihn in Wahrheit nicht danach fragen kann. Zuneigung bedeutet außerdem immer die Ablehnung einer anderen Person, wenn auch nur für einen Atemzug. Vorzug. Bevorteilung. Und ich mag ihn nur allzu gern, denn er hätte es fast vollbracht.“ Aus dem Affekt, der Wachsamkeit und der Befürchtung verschuldet stellt Fiona eine holprig geborene Frage. „Was vollbracht?“ Ein Scheit fällt, vom Glutwurm zerfressen und bereits zur Hälfte in Asche verwandelt, die nun aufwirbelt und kleine Schatten im Feuerraum tanzen lässt. Der Mann hebt aufhorchend das Haupt in seinem Thron. Die Stimme bleibt ein Ruhepol, ungerührt von allem, was geschieht. Ja, teilnahmslos. „Gut, jetzt ist das hier eine Unterhaltung. Ihr könnt euch setzen. Links von euch, unter der Anrichte ist ein Schemel.“ Im Abstand von nur einen Schritt ist Fiona das scheue Reh, das sie nicht sein will geworden. Vom Fuchs, der benommen der Schlagfalle entkam, zum ohnmächtigen Mädchen, das sich nicht entscheiden kann ob es den Kerl wirklich sehen will. Ein sachtes Kopfschütteln soll ihm, der sie nicht ein mal ansieht Antwort genug sein.
Theodore setzt sich im Abstand eines gestreckten Zeigefingers und hebt den Vorderlauf um mit der kleinen rauen Katzenzunge die Pfote zu benetzen, damit er sein Ohr zur abendlichen Pflege erreichen kann. „Mir das zu geben, wonach ich schon mein halbes Leben lang suche. Erst unbewusst, dann in meiner Jugend an Sonnentagen ungehemmt und in kalten Nächten nur noch lethargisch und ohne Hoffnung auf die Erfüllung meines Wunsches. Mein kleiner Freund hat mir eine andere Welt gezeigt. Eine Welt ohne Tücke und List, wenn wir unter uns sind. Er ist ehrlich, selbst wenn er mir den Rücken kehrt. Ich dachte, dies wäre der Schlüssel. Die Zweifel zu besiegen und das Zögern sein lassen zu können, aber auch das hat dem Damm in mir nicht imponiert.“ Fiona zieht die Brauen zusammen und mutmaßt wie ein leises Gewissensstimmlein hinter der Lehne, „Liebe?“ Als ihre Hand sich senkt um Theodore zu erreichen, flehmt er gen der Schatten in Richtung der Tür, die im Kontrast zum warmen Feuerschein auf der anderen Seite des langen Raumes mit einem beschlagenen Scheibenmosaik und fahlem Morgenschein darin die Freiheit verspricht. Der Mann am Kamin greift wieder zum Destillat, gebrannt aus Reben, die Fiona allzu gut kennt, wie sie nach dem Betrachten des Etiketts schaudernd feststellen muss. Es ist mit einem Mal als drehe sich der Tisch auf sich windenden dürren Beinen um ihr das flüssige Gold anzubieten, bis Daumen und Mittelfinger die Lider beieinander halten und das Missempfinden im ausklingenden Rausch verjagen. „Zu einfach,“ negiert der Fremde die Vermutung. „Liebe ist willkürlich und ich will nicht glauben, dass der Zufall mich erlöst. Nein.“
Die erste klar erkennbare emotionale Regung des Mannes besteht aus einem tiefen Seufzen der Ratlosigkeit. „Ich verstehe nicht...“ beginnt Fiona nachzuhaken, doch ihre Frage wird just in diesem Augenblick von zerspringendem Glas unterbrochen. Die klirrenden Scherben schneiden durch den Faden ihrer Formulierung und der Unhold, der dies zu verantworten hat huscht mit gehobenem und gesträubten Schwanz am rothaarigen Gast vorüber und verschwindet in der Dunkelheit der Sammelsurium an Kuriositäten. Eine Figur aus mattweißem Porzellan fängt in hundert Teilen das einfallende Licht im Gang zur Tür nach draußen und spickt so den Fluchtweg mit spitzer Wehr. Vorher noch eine Tänzerin, die sich leidvoll auf einem Felsen räkelt, nun formloser Unrat, umgestoßen von leisen, aber unwirschen Pfoten.
„Das müsst ihr nicht,“ erklärt der Mann unbeeindruckt von der Unruhe, ohne ein Fluchwort für Theodore übrig zu haben. „Ihr habt etwas, das ich erfahren, fühlen und begreifen möchte. Einen Funken, auf den ich hoffe. Vielleicht ist es das bewahrte Leben eurer Wert.“
Fortsetzung folgt...
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