Als du geboren wurdest...

Es ist ein drückend heißer Tag als die Söldnertruppe sich auf den Weg macht. Von Beetletun aus, geht es zu den Kessexhügeln gen Süden. Die großen Pferde stampfen ruhig, trottend und die Planwägen, in denen die Söldner zuweilen wohnen, rumpeln gemütlich vor sich hin. Eile hat niemand hier, auch wenn es dem nächsten Auftrag entgegen geht der schon vereinbart wurde. Die großen, gut genährten und gepflegten Pferde werden begleitet von einigen Hunden die allesamt so groß sind, dass ein Kind leicht auf ihnen reiten könnte. Stattdessen ziehen manche der gewaltigen Hunde einen kleinen Wagen in dem Dinge verstaut sind, andere begleiten ihre berittenen Besitzer und halten Wache. Das geschäftige Gerumpel der gut organisierten und 20 Mann großen Gruppe, wird untermalt von rauem Gelächter und Gesprächen der Leute. Es ist eine fröhliche, wenn auch raue und professionelle Truppe, straff organisiert und keine von den abgehalfterten Banden die man zuweil als Wegelagerer antrifft. In einem der großen Planwägen, liegt Lillian Harper auf der mehr oder minder bequemen Lagerstatt, auf der sie sonst mit ihrem Mann schläft. Der große, runde Bauch zeigt wie weit fortgeschritten ihre Schwangerschaft inzwischen schon ist, bald müsste es soweit sein. Sie schnauft müde und reibt sich den Bauch als das Baby darin tritt. "Du wirst auch ein Kämpfer mh?" Sie selbst und auch ihr Mann sind davon überzeugt, dass es sich um einen Jungen handeln wird. Einen Stammhalter sozusagen. Die Schwangerschaft verlief bisher gut, doch das Kind war zeitweise recht unruhig, immer wieder Knuffe, Tritte, Schläge die Lillian einstecken musste. Raymond war damals überglücklich als sie schwanger wurde, oft passierte dies nicht in der Truppe. Denoch wurden die Neuigkeiten freudig aufgenommen und mehr als einer der Männer begann sich wie eine Glucke zu benehmen gegenüber Lillian, die eigentlich keines Schutzes bedarf. Sie selbst war wie ihr Mann schon jahrelang Söldner, hatte viele Kämpfe geschlagen und Schlachten überlebt, beherrschte den Umgang mit Bogen und Schwert meisterlich... Und doch konnte sie in den letzten 9 Monaten kaum zehn Schritte tun, ohne das einer der hart gesottenen Söldner ihr unter die Arme griff und selbst bei den leichtesten Arbeiten zur Hand gehen wollte.


Von draußen dringt lautes Gebell durch die Plane und Lillian seufzt erleichtert als das Gerumpel stoppt und der Wagen zum Stehen kommt. "Machen wir Pause?", laut rufend steckt sie den Kopf aus dem Zelt und schaut sich um, Leery grinst seine 'Schwester' breit an und nickt. "Hey Kugelchen, soll ich dich aus deinem Wagen rollen?", der Mann ist etwa einen Kopf größer als Lillian, mit ungewöhnlich breitem Kreuz und kräftigen Armen. Lillian lacht und macht eine rüde Handgeste in seine Richtung. "Ich tret dir gleich so in den Arsch, das du meine Stiefelspitze lecken kannst du Dämlack!" Ungewöhnlich ist es nicht für die beiden, dass sie so miteinander umgehen. Sie kennen sich schon ewig, haben eine leichte Vertrautheit und ein festes, wenn auch rein freundschaftliches Band. Leery lacht und hilft Lillian dann doch aus dem Wagen. Dankbar ist sie über die Hilfe, auch wenn sie das niemals zugeben würde. Ihr runder Bauch macht ihr vor allem bei diesen Temperaturen zu schaffen und so atmet sie schwer als sie endlich aus dem Wagen geklettert ist. Mit einem lauten Seufzen streckt sie sich und drückt den Rücken durch. "Soll ich Ray holen? Der ist eh hibbelig ohne Ende... Wache halten kann der nicht. Was hat eigentlich die Heilerin gesagt?" Leery hilft seiner Schwester zu einem kleinen Hügel hinüber, dort setzt sie sich ächzend ins Gras und streichelt ihren kugelrunden Bauch. "Hol ihn ruhig, wenn wir eh Pause machen... Und die Heilerin meinte, es ist alles in Ordnung mit dem kleinen Würmchen... ich hoffe nur er kommt bald, wenn mein Bauch noch dicker wird, brauche ich bald einen Schubkarren." Das Lachen der beiden hallt über die staubige Straße und einige Leute schauen sich kurz um. In der Truppe herrscht generell ein hohes Niveau an Wachsamkeit, eine Söldnerkrankheit möchte man meinen. Lillian schaut sich um und schmunzelt als sie ihren Mann auf sich zureiten sieht. Der große braune Hengst auf dem Raymond sitzt, schnaubt leise und schnuppert am Gras sobald Raymond abgestiegen ist und neben seiner Frau kniet. "Nach Dickerchen? Wie geht's dir?", trotz der neckenden Worte, bekommt Lillian einen Kuss auf die Schläfe. Kraftlos boxt sie ihrem Mann in den Bauch der lachend schauft und Leery zunickt. "Danke das du auf sie aufpasst Bruder. Harrison fragt nach dir, er meinte vorhin ein paar Zentaurenspuren gesehen zu haben und will dein Urteil hören." Leery nickt und entschwindet zu Fuß in Richtung der Karavane. Lillians grasgrüner Blick folgt ihm noch eine Weile, schließlich schüttelt sie den Kopf. "Ich bin immer wieder erstaunt wenn ich sehe, wie lautlos er sich bewegt." Auch Raymond nickt. "Ja, aber er ist unser bester Fährtenleser und Jäger." Die beiden unterhalten sich leise, Lillian lehnt sich entspannt zurück und massiert leicht den riesigen Bauch. Für gewöhnlich trägt sie Lederrüstung oder Kleidung, im Moment jedoch nur einen locker sitzenden Wams. Es dauert einige Minuten, dann sind jedoch fast alle Mitglieder der Truppe gemütlich am Rand der Straße verteilt. Es wird gerastet, gegessen, einige der Hunde streifen herum und legen sich dann zu ihren Besitzern. Lillian hat die Beine gerade von sich gestreckt, als ein scharfer Schmerz durch ihren Unterleib fährt. Sie zuckt merklich zusammen und keucht. "Ah..." Raymond wird bleich als ein leises, platzendes Geräusch erklingt und das Gras unter Lillian plötzlich nass ist. Für ein paar Momente wirkt der große Mann in Lederkluft, mit Waffen behangen und Narbe im Gesicht fast pansich. Dann gedoch fängt er sich und schreit nach der Heilerin, die die Truppe zusammen mit ihren beiden Lehrlingen begleitet. "HANNAAAAAA! ES GEHT LOS!" das Brüllen fährt einem durch Mark und Bein, nicht umsonst ist Raymond einer der Offiziere die auf dem Schlachtfeld Befehle geben.


Es dauert nicht lange, da eilt die blonde Frau mit grauen Strähnen im Haar schon herbei, zwei junge Damen begleiten sie und sie schleppt eine große Ledertasche. "Ah, das Wasser ist gebrochen." Lillian nickt und hechelt angestrengt als die nächste Wehe durch ihren Körper jagt. Sie stöhnt schmerzerfüllt auf und packt Raymonds Hand. Der große, bärige Mann verzieht das Gesicht, so fest hat nicht mal ein Ettin seine Hand gequetscht. Lillian schreit laut auf als die nächste Wehe ihren Körper überrollt wie eine Welle. Die beiden Lehrlinge haben inzwischen sauberes, Wasser beschafft und es mit Magie erhitzt, genauso liegen einige Bündel für den Notfall bereit, sollte etwas schief gehen. Weder Lillian noch Raymond bekommen davon viel mit, der Hüne zuckt bei dem Geschrei seiner Frau nur zusammen und Hanna übernimmt das Ruder. Die alte Heilerin hat schon einige Kinder zur Welt gebracht, kein Wunder also, dass sie Ruhe bewart. Raymond wird hinter seine Frau dirigiert um ihr aufzuhelfen, dabei hält er ihre Hände und stützt ihren Rücken. Lillians Körper wird auf ein sauberes, dickes Leinentuch verfrachtet wo sie sich schlicht niederkniet. Hanna begutachtet sie kurz, dann nickt sie auch schon zufrieden. "Liebes, das nächste Mal musst du pressen, ja? Wenn die Wehe kommt..." Lillian nickt schwach, Schweiß klebt ihr schon jetzt an den Schläfen und sie schnauft angestrengt. Der arme Raymond fühlt seine Finger schon gar nicht mehr, so fest hält seine Frau diese im Klammergriff. Um die beiden hat sich inzwischen eine kleine Truppe Söldner gesammelt die allesamt Wache stehen. So mitten auf der Straße eine Geburt abzuwickeln, ist alles andere als ideal, doch es geht nicht anders. Wieder und wieder hallen Lillians Schreie durch die Luft, abgelöst nur von Hannas ruhigen Kommandos und Raymonds leise geflüsterten Worten die ihr Mut machen sollen. Es dauert ein wenig, doch schließlich hört man das laute Schreien eines gesunden Babys... Hanna wickelt das kleine Würmchen fest in ein sauberes Tuch nachdem sie es gewaschen und gesäubert hat, dann reicht sie das Baby Lillian. "Es ist übrigens ein Mädchen."


Beiden Eltern steht der Schock ins Gesicht geschrieben. Sie hatten so fest mit einem Jungen gerechnet! Lillian blinzelt auf das kleine, perfekte Wesen hinab das sich nun ruhiger an sie kuschelt und schon wieder schläft. Ein atemloses, aber erlöstes Lachen dringt aus ihrem Mund und sie lehnt sich entspannt an Raymond an. Ringsrum herrscht allgemeine Erleichterung, immerhin ist so eine Geburt auch gefährlich für Mutter und Kind. Lillian schaukelt das kleine Baby hin und her und ihr Mann kann nur starren und staunen. "Sie ist so winzig." flüstert er leise, streicht mit dem Zeigefinger sanft über die unendlich kleinen und zierlichen Fingerchen welche sich zur Faust ballen und seinen Finger fest packen. Ein leises Lachen unterdrückend küsst er seine Frau auf die Schläfe und schaut noch immer fassungslos drein. "Ich weiß... Schau mal." Lillian küsst die Nase des kleinen Mädchens welche sich ein wenig kräuselt, dann schläft das Baby weiter. "Ich finde sie sieht aus wie eine Beth." murmelt Lillian dann leise und sieht zu Raymond hinauf. Der blinzelt überrascht und lächelt dann. "Wie meine Mutter mh?" zufrieden umarmt er seine Frau und hebt sie zusammen mit dem Baby an um sie zum Wagen zurück zu tragen. Umsichtig legt er Lillian auf der Lagerstatt ab und setzt sich an den Bettrand. "Bethany also?" Lillian nickt leicht und lächelt das Baby wieder an. "Sie wird' ne Kämpferin. Wie ihre Mama." Lillian lacht leise und schaut auf als Leery den Kopf ins Zelt streckt. Neben ihm taucht der riesige Kopf eines Hundes auf der neugierig schnuppert, jedoch nicht in den Wagen springt. "He Leery, willst du deine Patentochter sehen?" Leery guckt ein wenig schief, blinzelt. "Ich dachte es wird' ein Junge?" Raymond schüttelt den Kopf und nimmt Lillian die Kleine ab. "Hier." umsichtig zeigt er Leery das kleine Bündel und aus dem großen, gefährlichen, bärbeißigen und hartgesottenen Söldner wird ein dämlich grinsender Kuschelbär. "Sie ist so winzig! Und süß!" ganz vorsichtig streicht er dem kleinen Mädchen über die Wange und gluckst als sie sich regt. "Habt ihr schon 'n Namen für das kleine Ding?" Lillian nickt müde und lächelt als sie das Kind von ihrem Mann zurück nimmt. "Beth. Bethany. Was meinst du?" Raymond nickt leicht und sieht zu Leery der breit grinst. "Ich find' da fehlt noch was. Mh? Bethany Anne? Dann habt ihr wenigstens beide eure Mütter geehrt! Weil nochmal mach ich das nicht mit! Mir ist der Arsch vielleicht auf Grundeis gegangen als du so rumgebrüllt hast! Ich dachte du gebärst eine Kuh und kein Kind!" Leery grinst breit, entwaffnend und frech. Beide Harpers fangen an zu lachen, doch Raymond wirkt zufrieden damit. "Mhr... Bethany Anne Harper? Was meinst du?" er schaut von Lillian zu dem Baby hinab das nun die grasgrünen Augen aufschlägt und herzzerreißend gähnt. "Ich glaube, das gefällt ihr."


Am Abend macht die Truppe Rast, Bethany ist der Ehrengast des Abends. Sie wird herumgereicht, gehalten, geschaukelt, besungen, begurrt, gestreichelt und es zeigt sich rasch, das sie mehr Tanten und Onkel hat sie je brauchen wird! Keiner im Lager bleibt unberührt von dem kleinen Freudenbündel das dem Offizier gebohren wurde. Irgendwo zwischen Beetletun und den Kessexhügeln... Noch Jahre später erzählt Lillian ihrer Tochter diese Geschichte. "Als du geboren wurdest, waren wir gerade auf dem Weg in die Kessexhügel. Es war ein richtig heißer Tag und ich glaube daher, hast du dein Temperament meine Kleine... "

Kommentare 4

  • Wirklich schön geschrieben und ich hab es gern in einem weg gelesen. Wenn das Leben so startet, kann es doch nur wild und frei werden!

  • Ich war ja gespoilert durch den Lexikoneintrag. Ja, die Männer habens echt schwer. xD

    • Die nächsten Geschichten sind ohne Spoiler! Versprochen :3