Stille Wasser

Die letzten Stunden nahm der Seegang
sogar noch etwas zu. Selbst ein gestandener Seemann konnte das nicht
mehr abstreiten, sei er noch so lang auf See und habe sich daran
gewöhnt. Das Transportschiff des alten Kapitäns wurde zum Teil
stark geschüttelt, sodass auch einiges an Meerwasser über die
Ränder der Decks spritzte. Noch dazu machte die starke Strömung vor
Löwensteins Hafen der Besatzung doch recht zu schaffen, das Schiff
zwischen den Inseln und Klippen hindurch zu schiffen. So erreichte
man dann schließlich das im Vergleich zu vorher recht ruhige
Hafenbecken. Trotz des starken Seewindes schien die Sonne über der
Hafenstadt. Von Westen heran schoben sich langsam die grauen Wolken
hin zur Küste. Getrieben vom Wind, der ihnen die schnelle Fahrt erst
ermöglicht hatte. Plötzlich war es vergleichsweise wieder recht
still – kein starker Wellengang mehr, der das salzige Wasser gegen
die Holzwände des Schiffes krachen lies - Sichere Gewässer. Statt
dem Tosen des Meeres war wieder das Kreischen der Meeresgeier zu
hören, die in den Klippen der natürlichen Bucht nisten. Die Befehle
ließen verlauten, die Segel einzuholen und die Fahrt zu verringern.


Der Schoner passierte einige Schiffe,
die gerade auf offene See zusteuerten. Die Brünette machte sich auf
die Treppen zum Oberdeck zu erklimmen, die kleine Kiste mit ihrem Hab
und Gut in der rechten Hand. Fasziniert von dem Anblick lenkt sie
ihren Blick auf das Geschehen am Hafen. Schiffe die ankerten und
beladen wurden. Massen an Menschen, Charr, Norn, Asura und aller
Völker die sich in dieser Stadt tummelten. Händler, Soldaten,
Arbeiter. Das Schiff segelte an den ersten Anlegern vorbei, in den
Tiefen des Beckens sah man verschwommen die Ruinen der alten Stadt,
'zurückerobert' vom Meer. Zwischen den Gemäuern der alten Gebäude
schlängelten sich die Meerespflanzen empor. Fische – jeglicher
Größe – schwammen wie in einem riesigen Goldfischglas durch sie
hindurch. Der blaue Himmel und die Wolken spiegelten sich etwas auf
den kleinen Wellen des Wassers. Trotzdem die grauen Wolken noch fern
waren, legte sich nun auf verschiedene Orte der Stadt ein klar
definierter Schatten, die sich schnell fortbewegten.


Im nächsten Moment war schon das laute
Krachen von Kanonen zu hören. Schnell aufeinander folgten die Salven
der Geschütze. Vollkommen aus der Illusion der freien und
friedlichen Welt gerissen schaute die Brünette sich sogleich um und
der Blick fixierte schließlich eines der rot-grauen Luftschiffe, das
direkt über dem stillen Gewässer zu schweben schien –
majestätisch und erhaben wirkte es wie es dort hoch oben in der Luft
stand. Dann entlud es erneut die zerstörerische Fracht auf die armen
Seelen am Hafen. Es dauerte nicht lang und Bewegung kam in die
dichten Reihen an den Anlegestellen und Arbeitsplätzen. Schneller
und schneller wurden diese, begleitet vom immer lauter werden
panischen Schreien der Leute. Mehr und mehr Luftschiffe senkten sich
perfide langsam wirkend hinab zur Stadt. Noch nicht in Position
feuerten sie wahllos in die Masse und auf die ankernden und auch auf
die sich bewegenden Schiffe.


Es brauchte einige Zeit und schon
blitzten erneut die Rohre im Rumpf des Luftschiffes auf.
Sekundenbruchteile später donnerte es laut los. Der Ohrenbetäubende
Lärm drang an die Ohren der jungen Frau und schien sie für einen
Moment zu betäuben. Die Kugeln flogen durch die Luft und trafen
Wasser, Schiff und Männer. Das Zerbersten von Schiffen war zu hören
- Explosionen, die die Splitter des Holzes nach außen hin trieben
und gegen alles schleuderten, was ihnen im Weg stand. So wurden die
ersten Matrosen auch schon von den hölzernen Projektilen durchbohrt
und aufgespießt. Ein Treffer an Bord des Schoners zwang sie
schließlich zurück in die Realität zu kommen. Langsam neigte sich
schon das Schiff in Richtung Backbord - Ein Schuss durchschlug die
Bordwand auf Höhe der Wasserlinie. Das Chaos kam näher und näher
an die junge Frau heran: Panik machte sich nun unter den gestandenen
Männern der Besatzung breit und einer holte sie bei seinem
unachtsamen Versuch der Flucht von den Sohlen. Hart kam sie mit den
Knien auf dem rauen hölzernen Boden des Oberdecks auf. Leise war das
Reißen der Textilfasern ihrer Hose zu hören und Blut sickerte in
den einfachen Stoff an ihren Beinen.


Mit dem Blick hinauf in den Himmel
liegend sah sie, wie einer der beiden Masten des Schoners zerschlagen
wurde. Kleine und größere Splitter drohten auf sie hinab zu
prasseln und so drangen einige in die zarte junge Haut der Brünetten.
Leicht drückte sich das Blut zwischen Holzfaser und Fleisch hindurch
an die Frische Luft, doch das Adrenalin in ihr verhinderte nun, dass
sie den Schmerz sonderlich wahr nahm. Ein großer dolchartiger
Splitter streifte ihre Seite und riss Oberteil wie Fleisch von ihrem
Körper. Nun half auch das Adrenalin nichts mehr und sie schrie laut
und qualvoll ihren Schmerz in die vom Kampfeslärm durchflutete Luft.
Mit Schmerz verzogenem Gesicht lag sie nun da und schien wie an das
Deck des Schoners gekettet. Sie wand sich auf dem rauen Holz. Ihre
linke Hand glitt sogleich hin zu ihrer rechten Flanke, Finger und
Handfläche fest auf die Wunde pressend. Die Zeit schien für sie wie
in Zeitlupe zu vergehen, ihr Warmes Blut rann zwischen ihren Fingern
hervor, doch sie musste weg. Langsam versuchte sie sich aufzurichten.
Ihre rechte Hand griff an die Reeling und sie wollte sich hoch
ziehen, doch war sämtliche Kraft mit dem Verlust des Blutes aus ihr
gewichen. Die Flammen kamen ihr von oben näher, fraßen sich Mast
und Segel entlang hinab zum Deck auf dem sie hilflos lag und dem
Feuertod in die Augen sah.


Der Schoner gewann mehr und mehr an
Seitenlage bis sie schließlich auf dem Deck begann zu rutschen. Ihr
Körper drehte sich mit dem Kopf voran in Richtung der nahekommenden
Flut. Wrackteile und Leichen schwappten in den Wellen des Beckens hin
und her, dunkle Fäden des vielen Blutes durchwoben das klare
Meereswasser. Schneller wurde sie und ihre Kleidung hängte sich
wieder und wieder an den leicht heraus stehenden Nägeln des
Oberdecks auf. Sie rissen ihr Fetzen von Stoff und Haut vom Leib.
Hölzerne Splitter trieben sich unter die Haut der offenstehenden
Wunden, die sich bildeten. Die Lippen zu einem schmalen Strich
zusammen gepresst fiel sie schließlich hinab in das kühle und
zugleich brennende Nass. Das salzige Wasser berührte die frischen
Wunden und brannte sich tief in ihr Fleisch. Zusammen mit
Schiffsteilen und Leichen trieb sie im Hafenbecken hinaus in Richtung
Meer. Dann plötzlich verebbte ihr Schreien, wie an so vielen
anderen Stellen der Stadt. Alles wurde schwarz um sie herum.




Quelle: Schooner, Ship, Sail Ship, Ocean, Smoke, Fire, Battle | HD Wallpapers