Weit und breit kein Zeichen von Menschen oder einer anderer Zivilisation. Ein kleiner Pfad schlängelte sich durch die sumpfige Landschaft, durch dichtes Geäst bis hin zur kleinen Hütte direkt am See. Mit überhängendem Dach - gestützt von hölzernen, dicken Balken. Rundherum eine Terrasse, die auf der Seeseite zu einem schmalen Steg wurde. An mehreren Stellen wurde das marode Holz schon ausgetauscht. Mal mehr und mal weniger fachmännisch, hier und da bereits mehrfach, sowohl am Haus, der Terrasse und auch dem Steg. Die Farbe der hellen Fassade splitterte witterungsbedingt ab, ein neuer Anstrich war längst fällig. Ein Besen an der Eingangstür, mit einem kleinen Häufchen Farbsplittern daneben und aufgestapeltes Holz zum Kochen und Heizen. Das einzelne Fenster zeigte zum Wald, zwei weitere konnte man finden, wenn man um den winzigen Verschlag kreiste. Man fand sogar noch eine zweite Tür – direkt auf den schmalen Steg hinaus. Am Ende des Stegs war ein kleines Boot angebunden. Es schlug dumpf gegen den Steg, während der Abendwind kleine Wellen auf das Wasser wirbelte. Aus einem dünnen, gusseisernen Schornstein an der linken Seite des Häuschens kam dichter Rauch. Ruß hatte die Seite dunkel gefärbt, doch der Ofen reichte wohl um die ganze Hütte zu beheizen.
Dicht gehäkelte Vorhänge erschwerten die Sicht nach Innen, wo auch zur späten Abendstunde noch schwaches Licht brannte. Minna gab dem dunklen Schopf einen sanften Kuss und legte Sophie vorsichtig zurück zu ihrem schlummerndem Bruder. Sie wechselten sich heute Nacht ab, beide Geschwister forderten abwechselnd Milch, Kuscheln und Aufmerksamkeit ein. Es waren sicherlich die Zähne, die sie quälten. Barfüßig schlich sie in die enge, gemütliche Wohnstube. Immernoch stand die Leiter vor dem Ofen, ragte in das provisorisch gezogene Zwischengeschoss der Hütte. Schon mancher Besucher musste sich im hinteren Bereich der Stube gebückt halten, weil die Blondine dort oben Gläser und andere Vorräte stapelte. Aber auch wenn sie Pilze quer im Raum verteilt zum Trocknen aufhang, war für hochgewachsene Freunde kaum Platz. Den großen Tisch, der hier früher stand, hatte sie gegen einen viel Kleineren getauscht und musste in dem Stübchen zumindest nicht mehr seitlich am gemütlichen, gepolsterten Sofa vorbei. Es reichte für sie und die beiden Kinder allemal. Außerdem hatten sie dadurch mehr Platz zum Spielen oder für ihre ersten Gehversuche. Die Tür des kleinen Ofens quietschte verlässlich und mindestens zwei Holzscheite passten hinein. Sie hielt inne, wartete, ob sich eines der Kinder wegen dem störenden Geräusch melden würde. Doch es blieb ruhig in der kleinen Hütte und nur das Knistern des Feuers im Ofen flüsterte zu der Blonden. Für sie war es nun auch Zeit ins Bett zu gehen. Sie löschte die letzte Lampe in der Wohnstube und kehrte zurück zu ihren beiden Schützlingen. Am Bettrand zusammengerollt, sah sie in die kleinen Gesichter und schloss lächelnd die Augen. Sie liebte dieses neue Leben abseits aller Aufregung und der Abenteuer. Ihre innere Stimme hauchte die Frage in die Nacht hinein: "Für wie lange liebst du es denn noch?" Die Antwort darauf war ein marginales Kopfschütteln und Minnas Flucht in den Schlaf.
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