Die nächste Reise

Das kleine Schiff hatte früher abgelegt als geplant, denn der Kapitän wollte die Winde des Wintersturms ausnutzen. Sie ließen Löwenstein hinter sich, malten sich in ihrer winzigen Kajüte aus, wie sie die Zeit nach ihrer Ankunft verbringen würden, tranken Wein und genossen die kostbare Zeit zu zweit. Sie hatten den Sturm bereits erwartet, auch wenn Milan gehofft hatte sie wären ihm davongefahren. Schon bei seiner letzten Reise war ihm das Meer nicht wohl gesonnen, ließ ihn zu den Göttern beten das er noch heimkommt.


Mit den Fingern seiner Hand fuhr er die Kontur der sommersprossige Schulter nach. Sie war eingeschlafen, hatte sich vom prasselndem, lautem Regen an Deck nicht beeindrucken lassen und ignorierte das Gewitter mit dem tosendem Donner. Fast schien es ihm so als bräuchte sie die Aufregung, den Nervenkitzel. Je lauter die Stimmen über ihnen wurden, je wilder die Schritte der nervösen Besatzung, umso entspannter wirkte sie.


Eigentlich hatte er ein Zimmer in Hoelbrak gemietet. Eine kurze Portalreise, ein gemütlicher Schneespaziergang und eine Nacht mit warmen Met, Kaminfeuer, kuscheligen Fellen und vielleicht der ein oder anderen Legende der Norn, hätte es werden sollen. Stattdessen lag er nun unter Deck eines Schiffes, welches nur bedingt für Personenreisen ausgelegt war. Ihre Passion für Spontanität hatte ihn zu der Idee bewogen das erst beste Schiff nach Amnoon zu nehmen und nun während sie seelenruhig neben ihm lag und bereits von Stränden, blauen Ruinen und aufregendem Abenteuer träumte, hielten ihn seine Gedanken wach, schickten ihn in die Vergangenheit.


"Na Niemand wird ja wohl nicht der Vater sein... Schon gut. Du musst es mir nicht sagen." Er war damals so müde. Müde von den Gerüchten, dem Trauern, den Zweifeln. Sie schwieg sich bei ihm aus, genoss seine flüchtige Nähe und ließ ihn ohne Antworten ziehen.


An dem Abend hatte er einer anderen, maskierten Frau beim Singen zugehört. In einem roten Kleid welches er nicht halb so aufregend fand wie alle Kleider an ihr. Trotzdem konnte ihn die vermeintliche Unbekannte in ein Gespräch verwickeln. Sie unterhielten sich über das jugendliche Streben nach Rampenlicht, Abenteuer und prickelnder Aufregung.


Damals wollte die Maskierte keine geheime Affäre abseits der Öffentlichkeit, wollte nur ihre Träume leben und für einen kleinen Augenblick jemand anderes sein. Dafür hatte er mehr Verständnis als er damals einräumte, auch wenn er sein halbes Leben jemand gewesen ist, der er eigentlich gar nicht war.


Die Frau die schwieg, war noch sehr lange in seinem Kopf, seinem Herzen. Soviele Male wollte er zurück zu ihr. An ihrer Tür rütteln, Fenster einschlagen und seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Damals.


Vor seinem inneren Auge sah er das gemalte Bild des tanzenden Pärchens - ein Geschenk welches noch immer in seiner Wohnung stand. Die strenge Haltung, den Ausdruck ihrer beider Gesichter – den Stolz der sie beide durch das Leben trug. Alles nur Fassade, die bei ihrem letzten Treffen gerissen ist und über die jemand drüber gemalt hatte, um es zu vertuschen.


Mehrere Wochen waren seit dem letzten Treffen vergangen. Wochen in denen er der Frau in seinen Armen nähergekommen war, der Frau die maskiert und im roten Kleid an eben jenem Abend gesunden hatte. Er hatte es ursprünglich als eine weitere Affäre abseits der Öffentlichkeit abgetan, fragte sich wann sie das Interesse an ihm verlieren würde.


Doch mit jedem weiterem Treffen zweifelte er daran, ob er sie richtig einschätzte. Ob er wirklich das sah was sie war oder ob er sie in die Rolle seiner Verflossenen gedrückt hatte. Sie bemühte sich um ihn, wahrte den Kontakt und zeigte Verständnis. Es war schlußendlich ein Kuss in der Öffentlichkeit, der seine Gefühle aufwühlt. War er überhaupt dazu bereit mehr zu sein als eine Liaison zwischen zerwühlten Laken?


Sie schlief tief und fest während er ein paar Zeilen an ihr Elternhaus schrieb. Eine Bekenntnis zu dieser spontanen Reise, eine Entschuldigung für die fehlende Vorstellung – eine Enthüllung ihrer Affäre. Er wusste nicht ob es mehr werden könnte, ob es richtig war, doch dieses Mal wollte er nicht die gleichen Fehler machen.




Kommentare 3

  • Ich bin tatsächlich nach all den Geschichten der letzten Wochen hier ergriffen und zu Tränen gerührt. Du zerrst ein förmlich mit in diese Geschichte hinein. Unglaublich. <3

  • Naww <3

    Moreeeeeee…

  • Woah, sehr starke Geschichte! <3