Ein einzelner Bluttropfen hatte gereicht. Die aufgeplatzte Wunde auf meiner Wange war meine Rettung, mein Blut für meine Freiheit. Ich flüsterte leise Worte, die in der Hysterie von Snezana untergingen. „Maya, MAYA!“ Seine Stimme überschlug sich. Ich konnte ihn nicht gut sehen, denn meine Augen waren zugeschwollen und so war es nur seine abgehalfterte Statur und sein mageres Gesicht, das mir immer näherkam. Seine Hände an meinem Gesicht, er streichelte eine Haarsträhne hinter mein Ohr. „Lass sie gehen, ich stehe allein dafür gerade. Es war meine Idee! Ich habe dich hierhergelockt.“ Er schüttelte mich an den Schultern. Snjezanas Wimmern bereitete mir unheimliche Kopfschmerzen. Ich wünschte mir in diesem Augenblick, dass sie für immer verstummen würde. Keine Lieder, keine Schreie – ich wollte nichts mehr von ihr hören. Einige Schläge hatte ich durch die Hand meiner Schwiegermutter ertragen müssen. Für den Tod ihres Sohnes. „Niemand weiß, ob er wirklich tot ist, Ljubo. Ihr wisst es nicht, ich weiß es nicht.“ flüsterte ich leise. Sie standen längst in dem Bannkreis, den ich geformt hatte, dessen Mitte mein gefesselter Körper auf diesem Stuhl war. „Maya, bitte!“ flehte er wieder weinerlich. „Mach mich los.“ Er zögerte und keinen Augenblick später ließ ich ihn die Schreie seiner Mutter hören – es war nicht nur Angst, es war Schmerz, den sie fühlte und je wilder sie in ihrer Furcht um sich schlug, umso schlimmer die Pein. Er sackte an meinen Knien zusammen und legte die Hände um meinen Schoß. Er wusste was ich tat, was ich konnte und bewegte sich deswegen kaum. Nur seine Finger griffen um meinen Körper und lösten die Fesseln. Ich spürte seine Tränen auf meinem Schenkel und rieb mit den Daumen über meine Gelenke.
Es war still im Raum, friedlich fast schon. Ich war müde und erschöpft.
„Verschwindet.“ raunte ich mundfaul und beobachtete sie bei ihrer wackeligen Flucht. Ich hatte mich entschieden sie nicht zu töten – ihn nicht zu töten.
Kommentare 4
Diadrah
Hat sich gut gelesen. Für jemand, der sich ja unheimlich mit Nekromantie beschäftigt hat, gefiel es mir sehr gut.
Minna Autor
Dankeschön!
Ich freue mich, wenn die Geschichten gefallen (in all ihrer Kürze).
Saso
Maya wird mir immer symphatischer. 👀
Schön kurz und bündig geschrieben!
Sagt trotzdem irgendwie viel aus. *Nick Nick*
Minna Autor
Ich finde es immer noch seltsam sowas zu schreiben. Irgendwie waren (bis auf Marlene) all meine Charaktere eher... Blümchen. 🤣