Puls



~*~


Eine Stille hatte sich über die Bibliothek gelegt, als hätte ganz Eichenbruch mit einem Mal aufgehört zu atmen.

Die Welt um mich herum kam mir vor als hielte sie inne. Als warte sie darauf, dass etwas geschah. Etwas, das immer geschah, so sicher wie der Sonnenaufgang am Morgen und nur ich allein hatte vergessen was es war.


Ich schlang die Arme um meine Knie, der pochende Schmerz in meinem Bein ein scharfer Stich als ich es anzog. Mich überkam eine unerträgliche Hitze, denn mit einem Mal war ich zurück in Elona. Vor mir lag das safrangelbem Sand bedeckte Straßenpflaster Amnoons, so klar und deutlich, dass ich die Risse in den Steinen zählen konnte und über mir ein Himmel so voll von Sternen, dass schwerlich ein weiterer Platz in ihm gefunden hätte. Alles war plötzlich so lebendig so nah so spürbar, mir war als wäre ich erneut aus den Nebeln gestiegen, zurück in die reale Welt, eine Welt die mehr war als nur der Traum den das Universum träumte. Eine echtere Welt.


Mir war schwindelig. Die Luft kalt doch mein Körper erfüllt von Feuer, ein Wehrlicht in der Einsamkeit der Kristallwüste. Mir war schlecht. Mein Körper, mein Geist, sie waren zum Bersten gefüllt mit Emotionen, einem wilden wirren Geschrei aus eintausend Kehlen in einer Sprache die ich nicht verstand. Sie hörten nicht auf, sie zerrten an mir und ich griff in der Verzweiflung nach der Waffe, die ich zu führen wusste wie keine sonst. Ich wollte nichts mehr als endlich Ruhe, endlich wieder Herr über meinen eigenen Körper und Geist sein, denn sie waren mein und ich war es der über sie gebot, nicht sie über mich!


Die Flammen auf meinen Fingerspitzen züngelten wie Schlangen die drohend aufbäumen, bereit sich jederzeit auf ihr Opfer zu stürzen. Ich sah ihnen zu wie sie vorankrochen als ich es ihnen gewährte, gierig an meiner glatten Haut leckten die ich ihnen gönnerhaft zuwarf. Langsam fraß sich das Feuer in meine Fingerkuppen. Wie oft hatte es mich gebissen, mit mir gerungen, doch das war vorbei. Ich war nun sein Herr und ließ es von mir trinken wann immer es mein Wille war, so wie mein Schmerz mein Wille war. Nichts auf der Welt war je so klar.


Die Bibliothek lag im Licht der Ambritlampen, so wie ich sie betreten hatte und doch war nichts wie zuvor. Mit dem was ich fühlte kamen Erinnerungen und mit den Erinnerungen war die Welt in ein anderes Licht getaucht. Ich kam mir vor wie ein tauber alter Greis, dem mit einem Mal, das Gehör zurückgeschenkt, der Geist von Abertausenden Eindrucken geflutet ist. Mein Blick fiel auf die Ranken die sich zwischen den Buchrücken drückten wie verängstigte Novizen im Angesicht ihrer Schuld, denn ich hätte sie kaum anklagender ansehen können. Verräter. Es war Wut die in mir aufwallte, eine kalte leidenschaftslose Wut die ich hasste, denn sie führte mich vor, den krallenberaubten Pirscher der ich nun war. Ich hätte sie am liebsten alle aus den Wänden gebrannt, jede einzelne bis hinein in ihr Herz.


~*~


Was glaubte Don Vanhoven eigentlich wer er war?


Das dicke Glas brach das hereinflutende Sonnenlicht in bunte Scherben wann immer ich das Tintenfass über mir in die Luft warf.


Was glaube er, was er da tat?

‚Ihr seid von Bemerkenswerter Schönheit‘

Ich schnaubte verächtlich, auch wenn ich allein auf meinem lächerlich großen Gästebett lag. Ich grämte mich darüber, dass er diese Worte ausgesprochen hatte und ich grämte mich darüber, dass sie mir ausgerechnet jetzt in den Sinn fielen. Ich warf das Tintenfass erneut in die Luft und fing es wieder auf, die klare Flüssigkeit gluckste verächtlich.


Mir war als könnte ich es pochen spüren, sein vermaledeites Herz. In jedem Winkel, jeder Ecke dieses Hauses, in den Ranken um das Betthaupt an denen mein Kopf lehnte. Wie naiv war ich doch zu glauben, der Baron hätte seiner einfältigen Liebe zur Flora nur mit Hilfe seiner grenzenlosen Dekadenz Ausdruck verleihen wollen. Ich hatte sie für nichts weiter als plakativen Protz gehalten. Seht mich an, Baron von Eichenbruch, den Pflanzenfreund! Hätte ich gewusst, was für ein Pflanzenfreund er wirklich war…

Er durchwucherte dieses Haus und wer konnte ahnen was noch, so wie Mordremoth den Wald durchwuchert hatte, ein System zuckenden pulsierender Adern unter der Haut.


Das Fass funkelte erneut in der Luft. Draußen sang ein Vogel schon seit Stunden unermüdlich das selbe Lied. Mir klang es wie ein Hilfeschrei.


“ACKH!”


Glas klirrte in der Ferne. Der Klang verhallte in der Ewigkeit. Ich war mit einem Mal blind und taub, nur für eine Sekunde, vielleicht aber auch für Stunden. Ich wusste es nicht. Krampfhaft sog mein Brustkorb nach Luft, als hätte ich unter Wasser gelegen. Eine violette Übelkeit pochte drückend in meinem Hinterkopf wie ein Messer in meiner Schädeldecke. Ich sah nur noch gleißendes Licht und pechschwarzen Schatten, die Welt hatte alle Nuance verloren, während ein hochfrequenter Ton alles erstickte was zu mir vorzudringen versuchte.

So fühlt es sich an…das Ende.

Ich habe es schon einmal gespürt, damals auf dem Plateau über Amnoon.


Die wasserklare Tinte sickerte langsam in das Parkett während der Sonnenlauf Schatten über die Scherben zog.

Kommentare 7

  • Ohja Cybellchen! Zeig es diesem Pflanzenfreund...röste ihn gut durch >:D (man wird ja wohl noch träumen dürfen)


    Sehr schön geschrieben. Langsam vermisse ich die Cybelle und sein äußerst seltsames Innenleben. Vll hilft ihm etwas "Klarheit". Ich werde ihm ein paar Therapiestunden bei Chaye verschreiben.

  • <3

  • Ganz großes Kino! Du hast eine magische Art mit Worten umzugehen.


    Ich lieb's! ❤

    • Ich hoffe das kleine Intermezzo hat auch nicht enttäuscht! Ich war am Ende doch sparsamer mit Cygalls Gedanken und Gefühlen zum aktuellen Geschehen als zuerst geplant, aber irgendwie hat sich die Geschichte verselbstständigt. ^^"

    • Enttäuscht sagt er... .


      Ich bin alles andere als das!