"Aber weshalb muss es immer gleich so rau sein?! Warum kann man nicht erst miteinander reden, eine Lösung finden, was ist der Grund für diese ganze ... diese barbarische Wut?"
"Das ist keine Wut, das ist Eifer! Wir würden die Sohlen unserer Feinde lecken, wenn jeder Funke einfach so mit verblendetem Friedensglaube erstickt wird!"
"Siehst du, da ist es wieder. Dieses Gerede von Feinden, von Konflikt und Krieg ... Es gibt auch noch andere Dinge im Leben, man muss doch nicht immer von dem sprechen, was vielleicht mal irgendwann irgendwo passiert."
"Vielleicht irgendwann irgendwo?" Der Mann blies ungläubig einen Schwall Luft aus. "Hast du das auch Vitayev gesagt?"
Zwei offenstehende Münder. Stille. Bis das Geklapper eines Tellers und des Essbestecks darauf den Tränen der Mutter Barthel zuvorkam.
Die junge Frau im Sommerkleid stieß sich beim impulsiven Aufstehen ihre Oberschenkel an der Tischkante, aber die Mischung aus hochkochender Trauer und Wut betäubte jeden Schmerz. Mit wehendem Blau flüchtete sie unterdrückt schniefend in die Küche.
Ein glasiger und alter Blick humpelte verletzt über frisch gepflückte Frühlingsblumen aus dem eigenen Vorgarten, über emailleweiße Sonntagskerzen, über die Reste von Moabrust, Bratkartoffeln und heller Sauce. Im gedämpften Licht der durch helle Vorhänge fallenden Sonne saßen sie schweigend.
Ohne ein Zeichen von Schwäche über den zwischenmenschlichen Unfall drückte er die Knöchel schließlich auf die zarte Tischdecke und presste seinen Körper in die Senkrechte. Er hätte dem Rat von Priester Vosque folgen sollen. Die Kämpfe, die keinen Sieger kennen, sollten gemieden werden. Jetzt galt es lediglich Schaden zu begrenzen.
Kein weiteres Wort, als sein Blick auf die zünftige Schwiegermutter brach. In Hemd und Weste und, das musste er sich nun eingestehen, überfordert in die Hosentaschen geschobenen Händen zog er der blonden Frau hinterher, der er vor zwei Jahren die Liebe gestand. Sie stand, mit einem Taschentuch den Fluss schüchterner Tränen stauend vor dem einzigen Fenster der Küche und sah von dort auf die Marktstraße ein Stockwerk tiefer.
"Du weißt, dass ich das alles gar nicht so schlimm finde. Man kann sich streiten, Streit ist wichtig für anhaltende Harmonie. Das ist wie bei uns, hm? Wir haben uns schon mal in den Haaren, aber am Ende genießen wir das gute Gefühl, dass wir uns jetzt besser verstehen."
Die Bedeutung der Worte ließ den Flechtzopf in absolutem Widerspruch über ihren Rücken rollen. "Aber nicht -sie-, Zaeed. Alles, was sie sich für heute gewünscht hat war ein ruhiges Sonntagsessen mit ihrer Tochter und ... und ihrem baldigen Schwiegersohn. Ist das für dich so schwer?"
"Wenn sie unbedingt eine Grundsatzdiskussion anfangen muss, ja. Zu so einem Konflikt gehören eben auch immer zwei."
Entsetzt hauchte Valerie ihren Unglauben aus. Sie drehte sich um, ihm entgegen, aber ihr Rücken drückte gegen die nahe Küchenplatte. Sie suchte so viel Abstand wie es in diesem kleinen Raum nur möglich war.
"Das ist deine Ausrede dafür, einen einfachen Familientag zu sprengen? Sorgfältig aufgebautes Vertrauen und .. Gemütlichkeit, -Familie- zu zerstören?"
Ungewohnt gelassen zuckten die Schultern des jungen Zaeed. "Ich verdreh mich nicht, um irgendjemandem zu gefallen. Du willst ein schlackerndes Fähnchen im Wind? Fang es dir. Du willst jemanden, der so wichtige Themen mit Stammtischparolen abtut? Such dir in deinem Buchclub irgendeinen Milchtrinker."
"Du ... du hast dich so verändert. Das ist nicht der Zaeed, den ich damals kennengelernt hab. Der mir den Einkauf quer durch Ebonfalke nach Hause trug, der so charmant gesprochen hat.. dessen Abenteuerlust mir nicht nur eine Erkältung beschert hat. Diese beschissene Priesterschaft verändert dich!"
In dem Augenblick zog Zaeed die Hände aus den Taschen. Sein Schmunzeln ließ jugendliche Verbitterung und Härte erkennen. Der Grad an Ungnade, der sich in seinen Fäusten ansammelte sollte ihn noch Jahre später selbst schockieren. "Zum Besseren. Die Jahre, in denen wir verblendet durchs Leben gestolpert sind, sind jetzt vorbei."
"Zum Besseren?! Du bist in die Dienste von einem Feuergott getreten, aber trotzdem spüre ich da nur noch ... Kälte. Willst du mich oder deinen beschissenen Gott heiraten?!"
Der Druck auf seinen Kiefern bereitete ihm selbst Muskelschmerzen, aber er konnte die aufkeimende Glut rohen Zorns nicht beherrschen. Ihre Tränen brachen in einer Sturmflut über die blassen Wangen und Valerie vergaß, dass nur ein Raum mit offener Tür weiter ihre Mutter noch immer am Tisch saß.
"Immer dieses Gerede von Krieg dort, von Eroberung und Feuer hier! Du hörst dich an wie ein Verrückter! Wie ein ... wie so ein Kultist!"
Dieser Damm an ehrlichen Worten war gebrochen. Das, was sich in den letzten Monaten anstaute, entlud sich jetzt und hier. "Warum kannst du nicht einfach normal sein?" Blitzartig brach ihre Stimme. Aber als sie dem Mann in die Augen sah, erkannte sie dort nicht mehr den Menschen, mit dem sie sich oft genug eine Zukunft erdachte.
Es war zu spät. Drei Finger der linken Hand schoben sich an den rechten Hemdärmel und öffneten den Manschettenknopf. Er schob den weißen Stoff langsam in die Höhe und was sich Stück um Stück den Augen Valeries enthüllte ließ sie den Atem anhalten. "Zaeed, was hast du...-"
"Eine Entscheidung getroffen." Er fiel ihr ins Wort, gerade, als das auf seinem Arm für sie lesbar wurde. Plötzlich griff er nach ihrem Hals, hob die rechte Faust und schickte einen blutrünstigen Schlag in ihr Gesicht. Sie keuchte erst auf, stieß dann ein spitzes "Zaeeeed!" aus, doch das nächste Wort wurde mit einem knackenden Treffer abgewürgt.
Es bedurfte bloß dieser beiden Schläge. Sie brach auf der Küchenplatte zusammen und sollte nicht mehr die aufgeweckte Frau sein, die sie vor diesem Sonntag war.
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