Tief in den Eingeweiden des vertrakten Tunnelsystems stand die Luft. Jahrhunderte alter Staub, frisch aufgewirbelt durch Eindringlinge verschleierte in Gestalt körnigen Nebels der Vergessenheit den Weg geradeaus. Es waren nicht mehr viele Schritte, bis dieser Gang, der nach modrigem Stein und alten Gebeinen müffelte in der Krypta münden würde.
"Pass auf, dass du nicht auf den da trittst." Ein Handrücken, der ihn gegen die gepanzerte Schulter traf. Zaeed nickte und beachtete die frische Leiche des Norn nicht weiter, als er es musste, um sie zu übersteigen. "Eklige Sache. Habt ihr die Gesichter gesehen? Was fürchten die Hurensöhne Svanirs?", flüsterte vor ihm ein weiterer Novize, der als Fackelträger mit drei Schritten Abstand den beiden Priestern folgt. "Frauen.", entgegnete Zaeed mitsamt einem scharfen Grinsen und kassierte dafür unterdrücktes Gelächter der anderen beiden. Ein scharfer Blick des angespannten Priesters Vosque über die Schulter unterband es sogleich.
Fünf Schritte Schweigen.
"Nein, ich mein' das Ernst. Die sind doch verrückt und hören sich unnatürliches Geflüster und so'n Kram an. Wie kann's sein, dass die beim Kampf gegen Zerstörer so gar keine Brandwunden haben, aber stattdessen.. ja, so aussehen als hätt' sich jeder vor'm Tod in die Hose gepisst?" Das Getuschel setzte sich fort, derweil die Geweihten vorweg ihren vorsichtigen Gang weiter entschleunigten. Sie zogen an uralten, zwergischen Runenreliefs entlang, die einst mit meisterhaftem Geschick gemeißelt wurden. Gelegentlich standen breite und bärtige Statuen in Alkoven, deren grantige Blicke jedem Besucher das Gefühl geben sollten, hier nicht willkommen zu sein. Gemeißelte Inschriften deuteten auf frühere Helden des Steingipfels hin.
Eine große Leere brandete monumental vor ihnen auf. Sämtliches Fackellicht wurde durch den gähnenden Schlund der riesigen und unbeleuchteten Halle geschluckt. Hier mündete der schmale, schachtartige Gang, in dem kaum zwei von ihnen nebeneinander gehen konnten und schlug in das genaue Gegenteil über. Plötzlich der tückischen Sicherheit von Wänden links und rechts beraubt beschlich Zaeed das Gefühl er könne auch in der Tiefsee sein, unsicher, welche Monstrositäten in so einem Raum schliefen. Die Fackel des Novizen Felk war ihr einziger Anker.
"Halt!", zischte Priester Simsir schneidend durch die abgestandene Luft. Er wandte sich Felk mit einem schmalen Kolben zu, den er dem eigenen Waffengurt entnahm. Das Rascheln der Karte verriet Zaeed, dass es jetzt nur noch eine Angelegenheit weniger Minuten sein könnte, bis sie mithilfe der lückenhaften Anweisungen ihr Ziel fanden. Die einzige Orientierung versprachen hier die riesig erscheinenden Säulen, die eine Decke stützen mussten, welche für sie in vollends erdrückender Schwärze lag. "Wir teilen uns in zwei Gruppen auf.", ließ der alte Magier verlauten. "Ich gehe mit Felk zum Grab des Hierophanten. Der Rest bleibt beim Eingang, sichert und markiert unseren Rückweg." Simsir genoss wegen seines Wissens und seiner natürlichen Autorität so viel Respekt, es wurde kein Widerwort erhoben.
Felk tauschte mit Zaeed ein paar verunsicherte Blicke, denn beide wussten, dass das der entscheidende Punkt dieser Reise tief unter die Erdoberfläche war. Nur den Eingang der Höhle, die in dieses Gewölbe führte musste erkämpft werden. Das Schicksal meinte es nie gut mit denen, die zu lang einem Kampf auswichen. Nach getauschten Blicken übergab Felk die Fackel an Zaeed und der Novize schloss sich dem Kriegsmagier an. Er hatte seine eigene Laterne an einem Haken des Gürtels, die nunmehr giftig grell in blauem Licht erstrahlte. Simsir ging entschlossen voran und Felk blieb nah an seiner Flanke, der unnatürlich blaue spaltete sich vom natürlichen Schein ab.
Ab dort wurde das Licht derer, die das Grab aufsuchten immer schwächer für jene am Eingang. Vereinzelt quälten sich Lichtstrahlen zwischen den Säulen entlang und gaben eine Ahnung, wo sie sich aufhalten mussten. "Standhaft sein, Novizen. Ich habe eure schwächelnden Blicke gesehen. Priester Simsir verlässt sich bedingungslos auf uns und mit ihm ein Teil unserer Kriegsbemühungen.", ermahnte Vosque Zaeed und den dritten und jüngsten Novizen der Gruppe, Terzija. Letzterer nickte zögerlich, Zaeed verfolgte mit jungem Blick und konzentrierter Verbissenheit den Lichtkegel in der Ferne. Er kam zu einem Halt. "Sie haben es gefunden.", raunte Zaeed und warf einen unruhigen Blick zu Priester Vosque.
Erdrückende Stille. Vosque zog sein Fernrohr und hielt auf Simsir. Die Novizen an seiner Seite konnten weit weniger erkennen und behalfen sich mit zusammengekniffenen Brauen und förmlichen Stielaugen. Terzija biss eine erst vor kurzem verschlossene Splitterwunde auf der Unterlippe stellenweise blutig.
Ein Aufruhr, der durch die weitläufige Nekropole hallte. Die Stimme des Priesters beim Grab brüllte überrascht auf, das Licht schwankte, bis es erlosch. Vosque setzte das Rohr ab, als traue er den Gläsern darin nicht. "Beim feurigen Odem.", hauchte er aus. "Felk hat ihn verraten. Der ehrlose Köter hat ihn von hinten angegriffen!" Der Bericht überrollte Zaeed und Terzija so sehr, dass sie sich absolut unlgäubige und entglittene Blicke zuwarfen. Noch bevor einer von beiden die Stimme erheben konnte, bellte Vosque mit hörbarem Zorn. "Ihr bleibt hier! Wir halten den Gang!"
Das taten sie. Nur Vosque konnte erahnen, was vor sich ging. Merkwürdige Töne, gutturale Laute, jemand schien zu versuchen blubbernd mit blutgefüllter Kehle zu kreischen. Harsche Gewalteinwirkungen, Metall, das über den Boden schabte, irgendwo schmetterte Stein gegen Stein. Und schließlich war es wieder da, das vertraute und blaue Licht. Priester Vosque ließ ein kräftiges Schnaufen hören. "Er war siegreich. Der Feurige verabscheut Verräter!" Die Novizen an seiner Seite atmeten vorsichtig aus, doch dieser plötzliche und für sie unerklärliche Verrat des charismatischen Felk war wie ein Axtschlag in nacktes Fleisch. Simsir schien, nun im Lauftempo, auf dem Rückweg zum Fackelschein zu sein.
Als er ankam, überrumpelte der grimmige Kriegsmagier sie alle. Er sah verbittert aus, blutrünstig und hatte sichtlich mit dem Atem zu kämpfen. "Kommt", bekam er hechelnd ausgespuckt "wir müssen zurück zum Lager. Noch heute. Keine Rast." Die Verwirrung über alles war riesig. Vosque würde das Privileg erhalten früh davon zu erfahren, soviel war sicher. Die verbliebenen beiden Novizen mit Glück in ein paar Tagen.
Doch am Ende war der erfahrene Priester siegreich. In seiner blutverschmierten rechten hielt Simsir einen Handspiegel mit solidem Silberrahmen und krönend eingefasstem Rubin.
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