Wendepunkt

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„Als wir uns kennenlernten, fand ich dein Auftreten arrogant, gespielt und ziemlich berechnend. Du warst umgeben von schönen Frauen und allein beim Anblick deiner Grübchen verdrehte ich innerlich die Augen. Ein Kompliment jagte das nächste, eine freundliche Geste, einer lapidare Gefälligkeit, selbst wenn es die Organisation von Perlenwasser vom Tablett eines Pagen war. Oberflächliche Gespräche, versteckte Spitzen und ein furchtbar extravaganter Modegeschmack."


...


Vorsichtig bettete Marlene ihre Hand auf die Decke. Stundenlang hatte sie an dem Stück gesessen und sich bewusst für die Wellen und den Sternenhimmel entschieden. Für Dorian. Neben glitzerndem Seidengarn hatte sie sogar kleine Perlen in den teuren Stoff gestickt. Als junges Mädchen hasste sie jede Stunde, die sie mit Handarbeit verbringen musste. Heute zauberte ihr der blassblaue Stoff ein Lächeln auf die schmalen Lippen. Kurz erinnerte sie sich an die vergangenen Wochen und die wachsende Vorfreude auf die vorherrschende Gegenwart. Einige Tage waren bereits vergangen, gar Wochen schon. Und mit jeder Stunde, die verstrich, wurde Marlene nur bewusster, dass all ihre bisherigen Entscheidungen und der Weg, den sie gegangen war, sie zu eben diesem Punkt in ihrem Leben bringen mussten. Ein Wendepunkt. Alles war plötzlich anders.
Zwei Jahre war es nun her, dass sie die damals, wichtigste Entscheidung ihres Lebens getroffen hatte. Sie fühlte sich zu dem Zeitpunkt unvorbereitet und überfordert.Ihre dunklen Locken rutschten von der Schulter als sie sich hinab bückte und das Bündel an sich nahm. Eingewickelt in die blassblaue Decke hielt sie die manifestierte Liebe zwischen Dorian und ihr. Sie strich ihrem Sohn zärtlich über die Wange und lächelte dabei.

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