Die Welt da draußen

Die Zeit verging. Ruki wuchs ein wenig, dennoch immer noch ein wenig klein und schmal für sein Alter. So langsam schien die gesunde Phase einzutreffen und er lernte fleißig. Saß Stunden da und übte mit Tusche und dünnem Pinsel möglichst feine, schöne Buchstaben zu schreiben. Wenn es nicht das war, las Ruki oder aber er schlich ans Klavier, obwohl er dies nicht ohne die Mutter anfassen durfte. Dennoch saß er dann da und klimperte vor sich hin – noch nicht mal völlig ohne Talent. Der Zofe erschien es, als wollte er die Melodien nachspielen die er gehört hatte. Da sie nur kein Klavier spielen konnte..


In diesem zarten Alter hatte er bereits lange Haare gehabt. Oft waren sie in einem geflochtenen Zopf und reichten ihm beinah bis zur Hüfte. Es gab Personen, die klein Ruki im ersten Augenblick für ein Mädchen hielten und dann darüber staunten einen 8jährigen Jungen vor sich zu haben. Die Frage nach der Zierlichkeit kam in jedem Gespräch auf. Manchmal saß er dabei und hörte den Gesprächen zu. Sicherlich saß er dabei nicht auf dem Schoß seiner Mutter, sondern dann auf dem Sofa neben ihr oder dem Stuhl. Es war so oder so immer ein ÜBER ihn reden und nicht MIT. So schnell kam man nicht auf Idee einfach das Kind zu fragen, was es dachte und fühlte. Stattdessen wurde breitgetreten welche Mühe ein kränkliches Kind machte – als sei dies eine Medaille wert. Dass er durchaus schulisch hinterher hin und es ihm unerklärlicherweise schwer fiele Freunde zu finden, dabei vergaß seine Mutter nur zu gern, dass er viel zu oft an sein zu Hause gebunden war und mit der Zeit immer mehr Regeln aufgestellt worden waren, um ihn vermeintlich zu schützen.


Spiel nicht allein am Klavier.


Geh nicht allein raus. Und wenn es raus geht, dann nur mit deiner Maske und ja nicht zu weit weg laufen.


Bist du in der Lage, dann lerne!


Haustiere? Auf keinen Fall.


Absolute Hygiene! Ständiges Hände waschen, baden.


Da war noch mehr, so dass er von sich aus einfach alles ließ, was die um ihn herum aufbrausen lassen könnten. Er wartete lesenderweise bis seine Mutter soweit war. Sie wollten dann noch zum Markt. So lange saß er hinten im Sofa angelehnt und las ein Buch. Eine von diesen Märchengeschichten, die andere Kinder zum Weinen brachten, weil sie gruselig waren. Und er las das allein: Jorinde und Joringel.


Und dann hörte doch noch seine Mutter, die ihn aufforderte, die Seite zu markieren, damit sie aufbrechen konnten. Sofort getan. Lesezeichen hinein, Buch zusammengeklappt rutschte Ruki vom Sofa, um verabschiedete sich leise aber durchaus höflich. Noch bevor es aus der Tür ging, ließ sie ihm keine Wahl. Die Maske musste auf, dann konnte es los gehen. An sich machten solche Tage schon Spaß. Er kam mal raus, fühlte sich beschäftigt und nicht nur zur Seite abgestellt. Dennoch hielt Ruki sich immer ein bisschen im Hintergrund, spiekerte um die Mutter herum, um die Auslagen an den Ständen sehen zu können.

Es wurde vor allem Obst und Gemüse gekauft. Ein Laib Brot, ein wenig Geflügel. Da er unbedingt auch helfen wollte, wurde lange genug nachgefragt bis er dann den Laib Brot tragen durfte. Es sah schon ein wenig aus, als ob er Brot und Buch beschützen wollte.


Aber so… das reichte schon.

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