Früher..
Es war nur ein Traum. Seine Erinnerung gaukelte ihm eine wirre, skurrile Kollage vor. Das schlechte Gewissen, manifestiert in einer Abfolge von Bildern, welche am gesunden Verstand nagten, mit dem einzigen Ziel, diesen nachhaltig zu vergiften. Fiebrig stieß Tyler seinen frostigen Atem aus dem Mund. Nur ein weiteres Indiz für eine Illusion. Schließlich, befand er sich gegenwärtig im Wasser, umgeben von tiefem Blau und unendlicher Stille. Woher er das wusste, gleichwohl weder Haar noch Kleidung von dem nassen Element vollgesogen wurden? Um ihretwillen. Wie ein Geist schwebte Sie~ vor sein markant geschnittenes Antlitz.
Ihr Haar befand sich im Griff des Wassers und tanzte abstrakt, unter dem seichten Wellengang. Das Gesicht präsentierte sich ihm Aschfahl, unter eingefallenen Wangenknochen und stark geweiteten Augen, in jenen sich die pure Anklage spiegelte. Einzig die Lippen bewegten sich nicht und unterstrichen den stummen Vorwurf nur prägnanter. Seit beinahe 10 Jahren suchte sie ihn des Nachts heim, um seinen Geist zu malträtieren und sicherzustellen, dass er nicht vergaß! Bei Grenth wie könnte er das denn je. In jener Sekunde, als ihr Blick brach, tat es sein Herz gleich und zersprang in viele kleine Mosaikstücke, für immer verloren in den unendlichen Weiten des Ozeans.
Später..
Im pissfarbigen Gelb seiner Augen, mischte sich das Rot vereinzelter, blutunterlaufender Adern, als Folgeerscheinung der geschlossenen Faust, die mehrfach im Gesicht des Piraten explodiert war. Sein über die Jahre angewachsener Bauch, bebte unter der schnaufenden Atmung sichtbar. Das scharfe Seil hatte sich unlängst in seine Handgelenke geschnitten und die kalte Kette um sein Bein, spottete jeder Bewegung im verächtlichen Klimpern.
Damit beschäftigt zu ergründen, wie es dieser verlauste Schmuggler nur vollbrachte, ihn – einen gestandenen und gefürchteten Piraten in diese missliche Lage zu bringen, spannte sich sein wohlgenährter Leib an, um einen nächsten Hieb entgegen zu nehmen. Diesmal überreizte der, durch den gesamten Unterleib nachbebende Treffer, das sensible Kostüm des Magens und der bärtige Pirat mit den Knopfaugen, erbrach sich herzergreifend über den Plankenboden seines eigenen Schiffes.
„Du bist ein ekelhaftes Dreckschwein.“ Kommentierte Tyler angewidert die stinkende Folgeerscheinung seines kleinen, grausamen Spielchens. Eine graue Rauchwolke in Richtung des Gefesselten pustend, zupfte der Schmuggler zwei braune Strähnen, aus seinem süffisant grinsenden Gesicht. „Es wird Zeit dich aus deinem Elend zu befreien.“ Per Kinnschwenker, verwies er auf die schwere Kugel, die am Ende der Kette baumelte, welche erbarmungslos um den Knöchel, des nach Luft schnappenden Piraten geschnallt hing.
Unter zur Hilfenahme beider Hände, zurrte Tyler die todbringende Kugel über den ächzenden Plankenboden in Richtung Reling. „Warte.. Warte!!!“ Die Stimme des Piraten überschlug sich regelrecht und brachte seinen sonoren Bariton, in deutlich höhere Sphären der Tonleiter. „.. ich gebe dir Gold, Weiber.. du kannst mein erster Offizier sein..“ Die überschwängliche Fülle an Angeboten nötigte Tyler ein müdes Schmunzeln ab. Tatsächlich war das jämmerliche Gewinsel die reinste Musik in seinen Ohrmuscheln. Ein wunderbares Crescendo aus Angst und Panik, in welchen er sich, nebst dem brennenden Mittagslicht sonnte. „Mhh..“ Gab sich der charismatische Schmuggler einen Lidschlag lang grüblerisch und zupfte flüchtig an seiner Unterlippe. „Ich glaube.. ich passe.“ Mit einem letzten Kraftakt schickte Tyler die Kugel auf die Reise und überließ sie den Gesetzen der Schwerkraft.
Der freie Fall dauert nicht lange, ehe sie unter einem dumpfen Klatschen vom tiefblauen Maul des Meeres verschluckt wurde, die Kette ruckartig spannte und das Bein des Piraten in die Höhe riss. Ein abrupter, verzerrter und einem Menschen, nur entfernt ähnlicher Schrei, fuhr durch den Wohlgeleibten, als sein zitternder Körper auf schmerzhafte Weise gestreckt und überdehnt wurde. Schlussendlich, als die scharfen Fesseln an seinen wundgescheuerten Handgelenken erbarmen zeigten und rissen, erfolgte das Unvermeidliche. Der stinkende Kerl rutschte über den Boden in Richtung Reling, ehe sein panisches Gezeter zusammen mit ihm, in den Fluten ertrank.
Heute..
Sie zeigte sich nicht. Das erste Mal, in diesen vielen Jahren, suchte sie ihn nicht heim in der vergangenen Nacht. Tyler konnte die Ursache nicht ergründen. Ob es mit ihr~ zusammenhing? Seine Fliederfarbigen Augen flirrten zur Seite und ergriffen die Konturen des nackten, schlanken Leibes nebst den Seinen. Dort lag diese im Grunde fremde Frau, mit den schwarzen Locken, den hellen, sternengleichen Iriden und einer vorlauten Klappe, die ihresgleichen suchte. Der Fuchs, wie er sie ob des Tattoos am Hals auch bezeichnete.
Anfänglich als lästiges Anhängsel abgestempelt, vermochte sie den Schmuggler viel zu schnell in ihren Bann zu ziehen. Gelockt, von dem Versprechen ihn tief in das mystische Konstrukt der Mesmermagie zu geleiten, verfiel er alsbald schon den Reizen ihres finsteren Wesens. Wohin der Weg schlussendlich führen würde, war völlig offen, jedoch das Tyler ihn weiterhin an ihrer Seite gehen wollte, stand außer Zweifel. Unter einem offenen Lächeln, strichen seine warmen Kuppen über die helle Haut ihres Gesichtes, ehe er vereinzelte schwarze Strähnen, wie warmer Meeressand durch die Zwischenräume seiner Finger sickern ließ. „Guten Morgen.“