1327 N.E.
Gendarran-Felder, Siedlung Ascalon, Anwesen zu Sherbrook
Er hatte die Vorhänge zugezogen, sperrte das Tageslicht ebenso aus, wie neugierige Blicke und platte Nasen diverser Klatschbasen und Blätter, welche nur darauf warteten aus dem Fall der Familie Sherbrook ein florierendes Spektakel zu formen.
Im Teesalon war es still. Nur das Ticken der hohen Standuhr, welche Cathlyn seit ihrer Geburt durch ihre Kindheit und ihr Studium hin begleitet hatte. Das leise Klackern einer Teetasse, welche auf einen sündhaft teuren Porzellan Unterteller gebettet wurde zerschnitt die einträchtige Monotonie wie ein Peitschenknall. Scharf biss das Geräusch bis in die Untiefen von Cathlyns Migräne geplagten Synapsen und sie stöhnte verhalten auf. „Esme... hast du die Güte...“, begann sie zaudernd, wurde aber von besagter älteren Schwester unterbrochen, die ihre hübsch gebräunten Wangen aufblähte. „Ich verstehe nicht, warum so ein Aufhebens gemacht wird. Bezahlen wir die Schuld doch einfach und bestechen jene, die davon wissen. Dann wird niemand davon erfahren... mein Mann...“
„So einfach wird es dieses Mal nicht.“ Die Stimme ihres Bruders klang tief, scharf und militärisch, als er sich aus dem Sessel am Schreibpult des Hausherren empor hob, um befangen durch den Salon zu wandern. Dabei trug er das Handgelenk auf dem Steiß. Eine neue Marotte, die er sich wohl in Ebonfalke eingefangen hatte und die Cath unweigerlich schmunzeln ließ. Sie nippte am Tee. Die süße, teure Minze schmeichelte ihren Sinnen und ließ sie vergessen wie schal der Tee zuweilen im Kloster schmeckte, wenn nicht Novize Whyting Hand daran gelegt hatte. Oder der gute Lhucan. Doch wurden die Gedanken an die Novizen und Anwärter ebenso verdrängt, wie die Erinnerung an andere Dinge, wie der hilflose Blick Lilys, als sie sagte, dass sie gehen musste. Oder die Tatsache, dass man jemand anderem überhaupt nicht Bescheid gegeben hatte... auch wenn sie es hätte tun sollen.
„Warum nicht? Wir könnten...“ Esme palaverte munter weiter, schlug kostspielige Lösungen vor, mit welcher man die Familienehre wieder herstellen konnte, ehe die Pranke des Bruders sie zum Schweigen brachte, welche harsch auf den Schreibtisch nieder fuhr. „Wir haben nicht die Mittel! Wir haben GAR nichts mehr!“
„Aber... die Schiffe...“
„Sind mit Löwenstein gefallen.“- „Die Ländereien?“- „In Kessex? Großteilig verseucht durch die toxischen Angriffe dieser Sylvari Schlampe...“
„Ian.“ Es war nur ein Wort, welches die Lippen der Priesterin verließ, doch es animierte den Bruder in seiner Triade inne zu halten und ihr einen nachdenklichen Blick zu schenken, ehe er nickte und schwer schluckte, so dass sein Adamsapfel munter auf und ab hüpfte.
„Und der Schmuck? Die Bilder? Unsere Rücklagen... das Familienerbe...“, warf die Schwester nunmehr ein, die Fäuste lagen geballt auf den entzückend dekorierten Knien. Ein auf Taille geschnittenes Kleid in Nadelstreifen zierte ihren hübschen Körper, der noch immer sündhaft jung wirkte. Sie sah aus wie zwanzig, mit ihrem süßen Schmollmund und den großen, hellblauen Augen. Kaum einer würde annehmen, dass sie sogar älter als Cathlyn war.
„Verpfändet, verspielt, verloren...“, erklang Ians nüchterne Antwort. Sein Blick wanderte zur Jüngsten. „Ferguson sitzt im Schuldenturm. Spätestens Morgen steht es in allen Klatschblättern. Die Schuld ist zu hoch um ihn wieder frei kaufen zu können... er wird darin versauern und unsere Familie ist brüskiert.“
„Wie viel?“, fragte die Priesterin milde und nippte nochmals am Tee. Sie lächelte nicht, ihre Miene war streng und eisern. „Wie teuer ist das Leben unserer Bruders?“ Ian lachte trocken und hustete kurz auf. „Mehr, als wir uns je wieder leiste können.“
„Vielleicht könnte mein Gatte...“, warf Esme vorsichtig ein, doch allein ihr geduckter Anblick verriet Cathlyn, dass es hoffnungslos war. Ihre andere Schwester Tiara, war gar nicht erst aufgetaucht, hatte sich von der Familie los gesagt und dem Skandal, der sich um ihren Namen auftürmte wie Sand um eine Ruine.
„Du könntest heiraten.“, kam es unerwartet von Ian und brachte Cathlyn derartig aus dem Konzept, dass sie ihren Tee über dem Rock ihres Kleides verschüttete. Ein stiller Fluch kreuzte den hübschen Mund der Blonden und mit einer Stoffserviette begann sie das Malheur wieder aufzutupfen, während sie ihren Bruder entgeistert ansah. „Du vergisst dass ich die am wenigsten lukrative Sherbrook bin. Ich habe meinen Titel aufgegeben. Schon vergessen? Ich diene Dwayna als Priesterin.“
„Nichts, was sich nicht annullieren ließe.“, warf der Bruder daraufhin kaltherzig ein. „Ich meine mich zu erinnern, dass du es damals ohnehin nicht wolltest.“
Das stimmte. Cathlyn, jung und reich, hatte sich gewünscht wie ihre Schwestern gut heiraten zu dürfen. Teure Kleider tragen zu dürfen und den ganzen Tag damit zu verbringen Seidendeckchen auszusuchen und Hüte zu dekorieren.
Beim ersten Anblick von Blut war sie ohnmächtig in sich zusammen gesunken. Tragisch mit der Pfote auf der Stirn, bis ihre Lehrmeisterin sie am Ohr packte, sagte sie solle sich nicht so anstellen und ihr ein Haufen Eiter verseuchter Tücher in die Arme drückte, auf dass sie diese waschen möge. Cathlyn hatte geweint, getrotzt, geschrien und sich ihrem Selbstmitleid ergeben. Und dann, irgendwann hatte sie eine kleine Patientin zahnlückig angelächelt und aus der verwöhnten Adelstochter ward eine Dienerin des Glaubens geworden. Und das war sie bis jetzt.
„Ich möchte nicht.“, erklang nun die eisige Antwort der Blonden. „Ich habe mich schon zu oft dem Wunsch der Familie gebeugt. Blut mag dicker als Wasser sein, aber ich bin nun meine eigene Herrin. ICH bestimme über mein Leben und ich lasse mich nicht verschachern wie eine teure Zuchtstute...“
„Aber du bist jung... du könntest ein Kind bekommen, einen Erben... du wolltest doch immer wieder ein Ki-...“
Ihre Tasse fiel zu Boden und die Hand erzeugte ein lautes Geräusch, als sie die Wange des Bruders traf. „Nie wieder!“, warnte sie in Eiseskälte. „Hörst du... Ian... nie... wieder!“ Und dann begann Cathlyn zu weinen und sank in die Arme des Älteren, die Stirn an seiner Schulter und die Hände auf die Wangen gepresst. Nein, sie konnte sich nicht dem Wunsch der Familie fügen. Es hatte sich zu viel verändert, was sich nicht mehr rückgängig machen ließ. Auch wenn dies gleichbedeutend ward mit dem Untergang Fergusons und dem Namen Sherbrook.