Die goldene Ähre

Die junge Dame besah das Feld vor sich, majestätisch erhob es sich und die Ähren reckten sich stolz zur Sonne, unaufhaltsam und stark.

Ihr Vater liebte das, er sprach immer von einer unsichtbaren Kraft, die doch alles beherrschte.

Und natürlich liebte auch sie es, es hatte ihr jedes Mal das Gefühl gegeben, sie könne sich einfach durch das Feld bewegen und die Sorgen würden zwischen den Ähren zerschellen.

Wie eine Welle an der Brandung.

Doch heute schienen die Ähren die sie mit ihren zarten Finger ertastete verbrennen und

verletzen zu wollen.

Unsicher blieb sie vor dem Feld stehen, hätte es doch am liebsten selbst in Brand gesetzt

und ihren Vater in den Ruin getrieben, doch sie wusste, dass dieses riesige Feld sein

größter Stolz war.

Dieses Feld hatte schon etliche Zentaurenübergriffe überlebt und auch Ungeziefer

der hartnäckigen Art.

Kurz zuckten die Mundwinkel nach oben, ehe sie das fahle Gesicht von dem einst

schützenden Feld abwendete und sich verräterisch vorkam als wäre sie selbst

Teil von etwas Bedrohlichem und Verängstigendem geworden,

wovor sie sich früher immer gefürchtet hatte.

Sie hatte immer gesagt,dass die Welt sich verändert hatte, doch vor ihrem

einst geliebten Feld merkte sie, dass sie sich selbst belogen hatte.

Die Einzige die sich verändert hatte war sie selbst, sie war zu einer Frau geworden

über die sie früher gelacht hatte- ja- vielleicht sogar Angst gehabt hätte.

Wie sollte sie das ihren Eltern erklären?

Dass aus ihrer Tochter eine eigensinnige sture Kuh geworden war, die sich

nicht mehr an den häuslichen Interessen beteiligten wollte und einfach nur noch

ohne dieses Feld und diesen Reichtum leben wollte.

Ja, diesen Weg wollte sie gehen... aber war ihr Wille überhaupt gefragt?

Hatte ihr Vater überhaupt je ihre Wünsche und Vorstellungen

akzeptiert, oder war das Teil einer Welt die nun in dem Feld lag, unerreichbar

für sie?