Geschichte in Spoiler aufgrund von Gewaltdarstellung.
„Toni, du musst kommen.“ Ein Beben schüttelte Helenas leise Stimme. Sie stand blass wie ein Toter in dem Bau, den sie das Gesindehaus nannten, und rang um ihre Haltung. Antonia sah auf, sofort fragend aufgrund des unwahrscheinlichen Anblicks dieser wackeligen Beine. „Olaf. Er hat ihn umgebracht.“
Zuvor...
Als Adrian das Herein sprach und Olaf in das Büro des Patriarchen trat, fand der junge Mann, dessen große, schnell errötende Ohren ihm doch keinen Vorteil einbrachten, wenn es darum ging, die Einstellung eines Menschen aus seiner Stimme herauszuhören, seinen Herren in hingebungsvoller Haltung hinter seinem Schreibtisch, wo er, den Ellenbogen aufgelegt, ein großes Messer aus einer gefestigten Handgelenkbewegung immer wieder über einen gehalterten Schleifstein zog.
„Olaf“, grüßte Adrian über das kratzende Geräusch hinweg, das er mit viel Druck verursachte. „Was gibt es, mein Freund?“
In seinen Händen hielt der Hausdiener einen Brief, den er näher brachte. Ihm fiel nicht auf, dass eine Facette an Adrians Stimme sich ebenso unrein und schrammend vom Rest des Tones abhob wie das wiederkehrende Geräusch der Schneidkante auf der groben Körnung, aber ihm war, als habe sich etwas an seinen Augen verändert. Hinter das ausfüllende Braun war ein Schwarz getreten, ein pulsierender Schatten aus dem Hintergrund, nur ein Eindruck und keine echte Farbe, aber tiefreichend genug, die Wärme, die seinen Blick ausmachte, auszulöschen. Olaf legte den Brief von der Außenseite her auf Adrians mächtiges Arbeitspult. Als er sprach, schoben zwei seiner Finger ihn vorwärts.
„Victor hat einen Brief hinterlassen“, sagte er. „Du hast ihn, glaube ich, übersehen.“
Adrians Bewegungen hörten auf. Er hob den Kopf. Seine Augen trafen Olaf und jetzt merkte der Bedienstete umso deutlicher, dass etwas Abstoßendes darin war.
„Glaubst du?“, wiederholte der Mann mit der strengen Stimmung einer nicht auszuschließenden Herablassung. Dass er klang als würde er fragen verdeutlichte nur mehr die Absicht seines Übergehens. Dennoch nahm er den Brief jetzt mit einem nachsichtigen Dank an und las, ohne dem Überbringer einen Deut an Achtung zukommen zu lassen. Die Anspannung, die im Raum lag, musste wohl von Olaf ausgehen, der den Inhalt des Briefes kannte und längst seine Ahnungen darüber angestellt hatte, wie das Oberhaupt dieser Familie kurzer Lunten die darin enthaltene Botschaft auffassen möge. Aber Adrian lachte. Das Papier raschelte unschuldig, als er es auf den Tisch zurücksegeln ließ, das Messer wieder aufhob und noch einige Male über den nach canthatischem Vorbild gearbeiteten Wasserstein zog.
„Es sollen sich nicht alle so wichtig nehmen“, klang seine Stimme in vertrauenserweckender Harmonie durch das Büro. Olaf wunderte sich. Zwar konnte er die Erheiterung nicht einschätzen , noch wusste er, weshalb sie alle Warnung aus Adrians Erscheinung getrieben hatte, er wusste aber, dass sein Herr nicht selbst urteilte, sondern aus dem Brief zitierte, und so war es wahrscheinlich die Absurdität, die ihn lachen ließ. Der Hausdiener sah Adrian das Messer heben. Mit dem Daumen fuhr er die dem Schleifstein abgewandte Seite entlang. „Und das sagt ausgerechnet Victor.“, ergoss sich der Mann in Heiterkeit. „Hol mir einen Schnaps.“
Olaf goss ihm aus der Hausbar im hinteren Teil des Büros ein. Als er mit einem vollen Glas zurückkam, hatte Adrian den Schleifstein gegen einen feinkörnigeren ersetzt und den Hauptschliff beendet. Die Schneidkante, die er verfeinerte, glänzte im Licht. Fünf bis zehn langsame Züge auf jeder Seite, dann legte er das Messer weg. Es musste ein Vermögen gekostet haben.
„Weißt du, was die Kunst am Messerschleifen ist?“, fragte er Olaf, als er das Glas nahm. Er trank große Schlücke, pausierte atmend, um dann den zweiten Teil des Inhalts mit einem tiefen Zug zu leeren. Er nahm das Messer wieder auf, schmunzelte und zog einen Lederriemen an die Tischkante. Immer wieder fuhr die Klinge in entgegengesetzter Richtung darüber. Sein Sprechen war, wie auch das Kratzen des Schleifsteins nachgelassen hatte, angepasst zärtlich. „Den richtigen Winkel zu erwischen. Olaf. Das ist die Kunst am Messerschleifen. Den Restgrat zu entfernen, damit du später einen sauberen Schnitt machen kannst. Das Messer muss wie von selbst durch das Material gehen. Du bist nur die Hand, die es hält. Was schneidet, das darfst nicht du sein. Es muss das Messer sein, das deinem Willen folgt. Verstehst du, was ich dir damit sagen will?“
Der Hausdiener nahm einen schwachen Geruch von Polierpaste wahr.
„Das Messer muss richtig geschliffen werden, damit es dann ganz leicht durch Material schneidet“, wiederholte er. Seine Arbeit hier war getan, deshalb trat er schrittweise zurück, wissend, dass er gleich darauf an den Haushalt entlassen würde.„Ganz leicht“, stimmte Adrian angetan zu. Sein Lächeln war von außergewöhnlicher Sanftheit. Es galt, wie vielleicht auch seine Worte, nicht Olaf. Sein Blick war auf das Messer gesenkt, dessen Schneide er prüfend vor seine Augen hob und anschließend mit größter Umsicht über den Nagel seines Daumens zog.
„Es beruhigt mich, diese Arbeit“, erzählte er, und obwohl er noch immer nicht Willens war, von der Waffe abzulassen, konnte er durch den Ausdruck seiner Stimme klarmachen, dass er allein mit dem Diener sprach. „Es hat etwas Meditatives. Man konzentriert sich auf das Resultat und vergisst, welche Zecken sich in eines Mannes Genick verbeißen wollen.“ Da hob Adrian den Blick. Er fasste Olaf ein wie eine Daumenschraube. „Warum bringst du mir schlechte Nachrichten an einem so schönen Tag?“ Der enttäuschte Tadel band den Diener dort am Boden fest, wo er stand. Seine hängenden Backen schoben sich hin und her. Sein Herr ließ die Klinge sinken. Er kam mit Schritten, die seiner kritisierenden Ruhe entsprachen, um den Schreibtisch.
„Warum trägst du mir das nach?“, fragte er wieder, wobei er den Brief aufnahm und ihn, weiterer Zuwendung nicht wert, gleich wieder auf den Tisch zurückfallen ließ. „Wenn ich doch“, führte er fort und seine Brauen senkten sich mitfühlend, wie er sich den Hausgehilfen aus der Nähe betrachtete, „versuche, dem zu entgehen.“
Adrians rechte Hand schloss sich um Olafs Hals. Sie war so schnell hochgeschossen, dass der andere es kaum gesehen hatte. Wer in seinem Leben einmal einen Handschlag mit Adrian ausgetauscht hatte, wusste um die Kraft seiner Finger, konnte sich aber bestimmt noch lange nicht die brachiale Gewalt vorstellen, mit der er jetzt seines Dieners Kehle zerquetschte. Der gefangene junge Mann spannte sein Rückgrat an als wünschte er sich plötzlich, mehr davon zu besitzen. Was seine aufgerissenen Augen in denen von Adrian sahen, konnte er nicht beschreiben. Er wusste auch nicht, ob es Worte dafür gab. Wem galten der Hass und die Verachtung, die wie Pech aus seinen Augen schlugen, die wie Muskelkrämpfe einen Zug um seinen Mund brachten, der ihn von sich selbst entfremdete?
„Du willst Bote sein?“, brandete die Frage gegen Olafs starren Schwindel. Adrian hob das Messer und drehte es in der Bewegung. Ganz leicht, wie er gesagt hatte, drang es in den Rumpf des Dieners, fuhr in seine Brust und widersetze sich, Adrians Willen folgend, allem Widerstand. Von unten her schmälerte sich scharfäugig der Blick des Patriarchen, als er mit Pläsier und Ekel, als stünde er mit der Menschheit auf Kriegsfuß und liebte deren Verfall, langsam, in der herzkalten Klemme eines ergrimmten Behagens, die Klinge hinabzog. War er angestrengt, so konnte Olaf immerhin keine Anstrengung an ihm sehen, als er ihm fürsorglich den Bauch aufschnitt. Hitze und Schmerz war in beider Männer Augen, doch nur in Adrians schlug beides auch in sein Gegenteil um, zerriss lohend und kalt in sich selbst, teilte sich in seine Widerstücke und fügte sich flackernd wieder zusammen. „Sei Bote. Überbring eine Nachricht.“ Blut lief, der Diener keuchte, spuckte roten Speichel. Adrian ließ von seinem Hals ab wie er in einem anderen Fall einen Kuss beendet hätte. Der Diener sackte zusammen.
Kommentare 11
Shareeva
Mensch, der braucht doch seine Beine nicht mehr, wir wollen nur seine Beine *nick*
Unfussable
Aber Olaf.
Evan Verland
Was denn, gestern erst haben Tara und Snezh beschlossen irgendwann mal einen "Beinabsägewettbewerb" zu veranstallten, um zu sehen, wer von beiden schneller beim Amputieren ist.
Heute les ich das Olaf tot ist.
Das ist ein Zeichen!
EIN OMEN
Agroman
Wie immer extrem cool geschrieben.
Estelion Autor
Ihr elenden Opportunisten, Iorga-Pack! =)
Und vielen Dank
Ich bin auch traurig.
Evan Verland
So. Wer kriegt die Leiche?
Shareeva
Oh nein Olaf! Ich unterdrücke die Nekromantin in mir und frag nicht nach seinen Organen. *schnieft*
Motte
Hammer!
Von Harmon
Wow
Mahorka
kann ich mich nur anschließen.
Wir brauchen einen neuen Olaf T.T
Cird
</3
Mehr gibt es dazu nicht zu sagen