Die unwahrscheinlichen und wunderlichen Begegnungen des M., 2
2. Das Lied vom lieben König Adelberrn
Vorbemerkungen
Letzte Änderung: 30.5. 12:00
M. träumte diese Nacht einen dunklen Traum. Er stand inmitten eines Ödlandes. Auf der Bergkuppe vor ihm, die schwer mit Wällen befestigt war, rauschten und flogen Feuerbälle, Blitze und Geschosse durch die Nacht. Er stieg den Berg herauf, ohne Furcht. Er hatte keine Angst und wunderte sich selbst darüber. Die Geschosse jagten an ihm vorbei. Pistolensalven, sich entzündetes Schießpulver flackerte auf und die Kugeln zischten an ihm vorbei. Überall war Qualm und der süßliche Geruch der Verwesung, der sich über allem ausbreitete. Lichter brannten am Himmel und regneten herab. Aber er sah niemanden. Kein Schütze, kein Magier, kein Lebewesen war zu erkennen. Als er auf dem Hügel heraufgestiegen war, verschwamm alles...
Draußen, war nach dem Stand der Sonne schon beinahe Mittag als er aufwachte. Sein Vater hatte ihn nicht geweckt, aber das hämmern eines Schmiedehammers verriet, das er schon arbeitete. M. schlurfte die Treppe herunter und trat heraus, wo sein Vater mit sehr ernster Miene heftig das glühende Eisen schlug.
"Hast du ausgeschlafen?" Er sagte das ohne jede Häme, aber seine furchige Haut, seine rauen Hände und sein angegrautes Haar verrieten, das sein Leben nicht all zu mühelos von statten gegangen war.
M. sagte nichts.
"Du hast nichts gelernt, M. Wärest du nur hier geblieben und hättest einen ordentlichen Beruf erlernt, aber lieber...." sein Satz ging unter dem klirrenden Schlägen des Hammers unter.
M. schwieg und lehnte sich an die Türe.
"...aber lieber wolltest du Priester werden...aber nicht mal das hast du zustande gebracht," redete sein Vater fort und fort.
Er löschte das Eisen und humpelte zu einem Stuhl, straßenseitig gelegen, von dem man aus die Außenmauern von Götterfels sehen konnte. Auch die Staumauer war zu sehen und Fluss, der sich in die Vorstädte herabschlängelte. Die Stadt verschwand ab und an hinter milchigen Wolken und Nebel, aber heute strahlten ihre verputzten Türme und Mauern in eitlen Glanz. Sein Vater konnte diesen Ausblick nicht genießen.
M. schwieg noch immer. Eben war er aus seinem schlechten Traum erwacht und nun machte K. auch noch Anstalten ihm eine Lehre zu erteilen. Er verzog einfach nur das Gesicht.
"Ich brauch Geld", sagte M. und sein Vater vergrub das Gesicht unter seinen Händen und wogte Hände und Kopf hin und her und sprach etwas undeutliches. M. fand das Verhalten seines Vaters lächerlich. Anscheinend überlegte sein Vater, überwand und verwand sich in quälenden Gedanken. Gedanken, die M. nicht quälten. Dann sagte er: "In all den Jahren hast du uns nicht besucht, jetzt kommst du des Nachts heim, wie ein Dieb und willst mir auch noch mein Geld stehlen!"
"Spiel dich nicht so auf, ich bin dein Sohn." sagte M.
Sein Vater beugte sich noch weiter ein Stück auf seinem Stuhl herab. Sein Kopf berührte fast den Boden. "Ein Nichtsnutz bist du", und er strich sich mit den Händen über seine karge Haarpracht, ohne seine Sohn anzusehen.
"Ich bin nicht vor dem Krieg davon gelaufen, obwohl mich die Götter mit diesem elenden Bein gestraft haben", sagte er. Aber wo warst du, ... davon bist du gelaufen, du elender Verräter!"
Das Wort Verräter riss den M. aus seiner schlafbedingten Lethargie. Sein Herz raste und er biss sich auf die Lippen. ...Aber er verlor die Haltung, und redete ganz undeutlich, aber laut genug, das es jeder in der Gasse verstehen konnte, denn es hallte durch jede Wand, und in jedes Ohr, und in jedes hörende Herz.
"Wo war die Königin, als deine Schmiede abbrannte, Alter Mann? Wo war dein geliebtes Land, als man dich ausraubte, wo war da deine Königin? Wo?! Wo ?!", schrie M. ihn an. Ein Nachbar aus dem Nebenhaus streckte den Kopf aus dem Fenster. Als er den M. ansah, schrie dieser zu ihm herüber "Wenn das deine Mutter wüsste, M. ! Bei Dwayna, Junge, die Götter mögen dir dein Mundwerk lähmen!"
M. machte eine ungebürtige Geste in Richtung des Nachbarn, der wütend das Fenster zuschlug.
"...Und...?", sein Vater schluckte, "wo warst Du als meine Schmiede abbrannte, wo warst du, als man mir einen Dolch an den Hals hielt? Wo warst du?"
Diese Worte verdutzte den M. ordentlich. Er hatte sich den ganzen Weg hierher diesen Auftritt zurecht gelegt und dann...
"Gib mir einfach das Geld und ich hau ab. Du bist mir zu dumm", töhnte E. ihn an.
...
Aber sein Vater richtete sich zitternd auf, und humpelte ein paar Schritte zum Ofen und betätigte den Blasebalg. "Zieh dich an und geh. Im Schrank, da hinter dem Zimmer beim Eingang links sind noch Sachen, die dir passen", sprach er.
"Verdammter,...", zischte M. und zog sich unverrichteter Dinge ins Haus zurück.
Nachdem er sich angezogen und ein paar Sachen eingepackt hatte warf er einen Blick in eines der karg eingerichteten Zimmer. Dicker Staub lag auf einigen einfachen hölzernen, beschlagenen Möbeln. Auch ein Holzschwert fand sich, in der Ecke herumliegend. Er hob es auf. Als er sich umblickte, erinnerte sich er sich schwach daran, wie N. hier manches Mal ein Liedchen nur für ihn gesungen hatte, denn er hatte es oft hören wollen. Es klang ihm durch den Kopf und er vernahm wie die Stimme an Kraft und an Stärke gewann, als stünde sie leibhaftig vor ihm:
"Und nun singe ich das Lied vom lieben König Adelberrn", dann verbeugte sie sich tief
und begann mit halber Stimme und ohne sonderliches Taktgefühl zu singen:
Im Krieg gegen die Bestien, das war im Jahr Hundert und Neune,
da zog der große König Doric, mit Heer und großen Gefolge,
Im Krieg gegen die Bestien im Jahr Hundert und Neune,
gegen das Land, das man heute nennt Ascalon,
Sein Sippe wird ewig herrschen --
Ehre dir Adelberrn, Dorics eingeborener Sohn!
Dein Volk wird ewig herrschen --
Ehre dir Rurik, Ascalons gütiger Sohn!
Ein heftiger Windzug zog durch die Gasse und drückte und schlug die losen Fensterläden gegen die Hauswand. Es krachte und polterte und M. zuckte rasch aus seiner Tagträumerei zusammen. Er legte das Holzschwert auf den Tisch und trat wieder vor die Türe.
M. nahm einen Dolch aus Tasche und Halter und deutete damit in Richtung seines Vaters, der jedoch einige Meter weiter an der Schmiede hantierte und seine tolldreiste Geste kaum zur Kenntnis nahm.
"Aus mir wird noch etwas, Alterchen!", rief M. zu ihm herüber "...du wirst schon sehen."
Aber sein Vater lachte nur spöttisch.
"Geh' dich wenigstens von deiner Mutter verabschieden, du elender Geist – und komm nie mehr wieder hierher, sonst erschlage ich dich wie einen verdammten Köter. Hast du das verstanden?"
M. senkte den Dolch und ging. Er folgte der Straße nach Norden. Sie mündete nach einer knappen Stunde in einen Waldstück. Dort angekommen fand er großes Eisentor vor und öffnete es.
"Da bin ich", sagte er. Aber niemand antwortete. Nur die Vögel zwitscherten eitel. Zwischen steinernen Gemäuern, Bäumen, Gewächsen und Statuen, säumten tausende Grabsteine, sorgfältig angeordnet in regelmäßigen Abständen, seinen weiteren Weg. ...
...Das alles geschah unter den wachen Augen der Bäume. Die Götter sind meine Zeugen.