Revierkämpfe II

Der späte Nachmittag hatte einzug in der Stadt gefunden und trug die letzten Reste des schwindenden Sommers nach Löwenstein. Der Küstenwind war an diesem Tage nicht mehr als ein laues Lüftchen und schaffte es so auch nicht, den eisernen Duft von vergossenen Blut aus dem Büro zu vertreiben. Die Säuberungsaktion war zwar im vollen Gange, doch der Geruch...ja der würde noch einige Zeit im Raum haften, würden sie nicht binnen der nächsten Stunde etwas dagegen unternehmen. Streichen. Sie mussten noch heute streichen, befand Veruca, während sie sich das erste Blut von den Fingern wusch, kaum die dünne Schürze in der Feuertonne versenkt. Und der Schreibtisch musste entsorgt werden. Und die billigen Gemälde von der Wand, ebenso der ruinierte Schirmständer. Wirklich leid tat es ihr um die Balthasarskultpur auf dem Tisch, die das Intermezzo vor drei Stunden und den Wurf nicht überlebt hatte. Sie war nicht groß, aber massiv und aus dunklem Granit- und jetzt fehlte dem armen Balthasar sein Schwert und einem seiner Köter der Kopf. Sie zu reparieren wäre letztendlich kein Problem, aber wollte sie das? Wollte sie wirklich dem feigen Hund die letzte Ehre damit erweisen, seinen kleinen Schreibtischgott zu reparieren, nachdem er ihn in seiner Tobsucht zerstört hatte? Nein, sie würde ihn höchst selbst entsorgen, oder wenigstens erst mal fern der Öffentlichkeit verwahren.


In aller Seelenruhe drehte sie den Wasserhahn zu und trocknete sich die Finger am mitgebrachten Handtuch ab, noch ehe auch dieses in der Tonne künftiger Branntopfer landete. Robrindt und Ainfean hatte gute Arbeit geleistet, denn bis auf die drei fest verschnürten Leichensäcke in der Raummitte und den nassen Waschflecken auf dem Parkett und den Wänden, war kaum mehr etwas zu erkennen und auch die Einschusslöcher würden gleich verschwinden, wenn sie mit dem streichen begannen. Sobald sie damit fertig waren, konnten sie auch die Leichen in der Dämmerung verschwinden lassen. Offiziell würde es heissen, Amerak Steinhuber habe sich mit seinen zwei Komplizen in die Gendarran abgesetzt, weil er mit seinen Aufträgen nicht hinterher kam und ihm alles über den Kopf gewachsen war. Die ersten Gerüchte hierzu, hatte sie schon vor über zehn Tagen gestreut, nachdem er den Fehler tat, einen ihrer Mitarbeiter in einen Baustellenunfall zu verwickeln. Jetzt lag Revin mit geschienten Beinen und Rippenbrüchen zuhause, konnte nicht mehr arbeiten und bangte darum, seinem Beruf vielleicht nie wieder nachkommen zu können. Für ihn alleine wäre es nicht schlimm gewesen, doch die Tatsache das er zwei Kinder und eine Frau zu versorgen hatte, hatten Veruca jegliche Nachsicht mit Steinhuber genommen, stand Revin doch mit ihr im Vertrag und somit unter ihrem Schutz. Sie hatte ihn gewarnt, hatte ihm gesagt, er solle sich von ihren Baustellen fern halten und um seinen Scheiss kümmern. Nun hatte er die Rechnung für sein Verfehlen gezahlt und es tat ihr nicht einmal leid. Der kurze Moment Sorge über den eigenen Zustand, wurde weg gelächelt und dann endlich blickte sie zu Robrindt auf, der Ameraks Leiche mit weiteren, gewachsten Leinen umwickelte, damit kein Blut hindurch sickerte. Der Mann gehörte erst kürzlich zur Truppe und obwohl sie anfänglich noch nicht sicher war, was sie mit ihm gewonnen hatte, erwies sich der ehemalige Hafenarbeiter als stiller, loyaler Wachhund der nicht hinterfragte und ohne Aufforderung die Arbeiten übernahm, die laut seiner Aussage nicht für dürre Frauenärmchen geschaffen waren. Er hatte ihren Konkurenten fest gehalten, nachdem man ihr eine schallende Ohrfeige mit dem Handrücken verpasst hatte.
Er hatte ihn fest gehalten, als Vera ihm die ersten zwei Kugeln aus der Pistole in die Knie schoss.
Er hielt Amerak auch noch fest, als er nach seinem jaulen und wimmern, immernoch über die Inkonsequenz und Dummheit der Iorga frotzelte, da ihr Mitarbeiter ans Krankenbett gefesselt war.
Robrindt hielt den armen Trottel auch noch, als Veruca ihren Ärger mit drei weiteren Schüssen in seinen Bauchraum kund tat, ehe die letzte seinen Schädel traf und dahinter in die Wand einschlug. Damit hatte der Spott sein Ende gefunden und während Robrindt längst begann die noch warme Leiche auf eine der Planen zu ziehen, hatte sie nur die Löcher in der Wand angestarrt.


"Wenn ihr fertig seit, sucht die Finanzbücher zusammen und bringt sie mir." Veras Stimme klang müde, hatte sie die letzte Zeit doch nur selten gut geschlafen und noch weniger gegessen, wie Ainfean wusste. Weil sie sich Sorgen machte und Unzufrieden war, auch wenn die Iorga es gerne überspielte gegenüber den meisten. Doch alleine der Umstand das sie im Moment jeglichen Kontakt zur Familie mied und heute ohne zögern einen Konkurrenten vom Feld geräumt hatte, sprach für den schlechten Zustand der Frau. Die Sylvari hatte es aber mittlerweile zu oft angesprochen und war auf taube Ohren gestoßen, sodass sie nun schlicht nickte. "Bleibt es dabei, die Firma auf Revin überschreiben zu lassen?" Veruca nickte auf die Frage und tupfte nebenbei mit den Fingerspitzen über dem linken Wangenknochen herum, wo die ersten Anzeichen einer Schwellung an der Haut zogen und spannten. Robrindt runzelte die Stirn beim Wortwechsel und blickte zu den Frauen im Raum. "Überschreiben, Lady? Warum übernimmst se nicht selbst?"
"Das tu ich. Nur nicht unter meinem Namen. Ich habe nicht die Zeit für zwei Projekte dieser Größe und Revin wird sich gewissenhaft darum kümmern, sobald er wieder auf den Beinen ist. Er wird finanziell abgesichert sein und mir nicht in den Rücken fallen." Weiteren Einspruch erstickte sie mit einer weg wischenden Geste und verzog den Mund beim widerlichen kribbeln unter dem Auge. Amerak hatte mit seinem Schlag nicht gespart und den Rest hatten die Ringe an seinen Fingern erledigt.
"Wenn ihr hier fertig seid, bringt den Müll runter zur Bucht. Aber nicht vor Sonnenuntergang. Bis dahin sollte ich zurück sein und mich um den Rest kümmern können."
"Isst du was und legst dich hin?" Fragte Ainfean noch, obgleich sie die Antwort auf ihre Frage schon mit dem Blick Verucas erahnte.
"Nein. Ich gehe zu Adya um Bericht zu erstatten und meinen Zehnt zu bezahlen." Und damit verschwand sie aus dem Büro, in der Nase noch den Geruch von Blut und Reinigungsmittel, mit dröhnenden Kopf und Ärger im Blick, über den selbst ihr übliches, vom Schalk geprägtes Lächeln nicht hinweg täuschen konnte.

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