Die ersten Sonnenstrahlen stahlen sich zwischen den Stoff der Vorhänge als Madeleine allmählich erwachte. Wie genau sie nun ins Bett kam wusste sie nicht mehr, nur dass sie irgendwann mitten in der Nacht aufwachte und sich barfuß vom Tisch zum Bett schleppte. Dorthin huschte nun auch ihr Blick. Zum Tisch. Immer noch lagen dort ihre Pergamente, all die Noten, wohl wieder ein selbst komponiertes Stück.
Wahrscheinlich eine ruhige Melodie, hier und dort einige Höhepunkte bis auch diese wieder in seichten Wellen fortgesogen wurden um in einer fast schon gruselig wirkenden Stille zu enden.
Irgendwie waren ihre Lieder immer gleich. Sie trugen keine Titel, nur Zahlen. Dies war Nummer Sieben. Dane erhob sich nun, strich das Nachtkleid so gut es ging glatt und löste die Kordel an den Schultern etwas sodass es ein Stück hinabrutschte. So mochte sie es. Nicht so brav wie sie sein sollte. Ein wenig Haut wollte auch sie mal zeigen. Zeigen, dass sie nun auch eine Frau war die gerne begehrt werden wollte.
Was dies anging... ein Lächeln stahl sich dabei auf ihre Lippen, wissend. Während ihre Gedanken schon wieder abschweiften und sie sich an bestimmte Nächte erinnerte. Ein kleiner Sieg über ihren tristen Alltag. Ihr eigenes kleines Geheimnis! Dabei entschwand ihr Blick auf ihr Bücherregal in der Ecke..es war gefüllt. Nicht mit weibischem Kram über Mode, Geschichten über Liebe und all so einem Mist. Man fand Bücher über die Seefahrt, über das Meer..über die Welt. Die Welt die sie unbedingt eines Tages noch entdecken wollte. Aber zur Zeit ging dies wohl nicht. Ein goldener Käfig wie sie ihn so gerne nannte.
Insgeheim hoffte sie, sie würde eines Tages verschleppt werden..in die große weite Welt - sich dort durchkämpfen, oder an der Seite von Piraten! Söldnern! Von freien Menschen! ..so wie man es nun einmal macht. Aber das waren auch nur die Gedanken und Wünschen eines kleinen Mädchens. Eines Mädchens dass die Gefahr nicht kannte die dort draussen lauerte. Eines das nicht wusste wie gut sie es doch eigentlich hatte.
Im Nachtkleid schlenderte sie nun zum Fenster und blickte in den Hof..dort tollte Neyriens Hund herum, zumindestens versuchte er es, da er ja - zu dieser Zeit gerade zumindest - angebunden war. Mitleidig sah sie auf den jungen Rüden und zog Zettel und Stift näher um sich etwas zu notieren.
"Dem Hund mehr Auslauf lassen.. vielleicht eine Wiese umzäunen", schrieb sie... darunter noch etwas.. "...Frisches Fleisch für ihn. Und für die Dohlen..Raben..schwarzen Vögel..sofern sie es auch fressen" ...und der Blick huschte weiter zur Vogelvoliere.
"Ich verstehe wie ihr euch fühlen müsst..." flüsterte sie dabei und wand sich um. Es wurde langsam Zeit sich anzukleiden..ein Lächeln aufzusetzen und mit erhobenen Haupt aus dem Zimmer zu gehen. Niemand sollte merken wie schwach sie eigentlich war in letzter Zeit. Das durfte sie sich einfach nicht erlauben.