Das plätschern der Quelle war allgegenwärtig. Er war wieder zurück, entfernt vom Schmerz, entfernt von der Machtlosigkeit, wieder in dem grünen Raum, dem steinernen Weg der direkt zum plätschern führt. Ein hoher Felsen am Ende des Weges von wo das Wasser aus hinunter läuft. Es war friedlich und berauschend zugleich. Beruhigend und doch wieder erquickend, eine Massage für die Seele. Die Luft roch nach frischem Nadelwald, getüncht mit etwas, was entfernt an einem Geruch von Wald am morgen erinnert, dann wenn die Sonne gerade erst aufgegangen ist und der Tau noch die Gräser bedeckt. Ein leichter Nebel lag auf dem Boden, er verdeckte nicht die Sicht, noch störte er großartig, doch passte er gerade zu dem Gesamtbild was ihm vermittelt wurde. Nur Sekunden später fällt ihm auf, das er immer noch bis zur Hüfte im Wasser steht. Er watet hinaus, kleine Wellen erzeugend, welche sachte ans Ufer gelangen und dann schon wieder verschwunden sind.
Immer noch waren die Bambusröhren, links und rechts vom steinernen Gang zu sehen welche aus dem Wasser gen Decke ragten. Sie waren selber fast so groß wie Bäume und rundeten das Bild am ende ab. Er hatte die Gestalt am Ende des steinernen Weges sofort wiedererkannt. Sie sitzt dort, die Beine seitlich von sich gestreckt während sie sich mit dem linken Arm abstützt. Die etwas dunkelbraunen Haare gehen ihr bis zur Hälfte des Rückens und fallen sehr lockig aus. Feral muss nicht lange nachdenken, er weiß wer vor ihm sitzt und die Lippen werden kurz zusammengepresst ehe er über den steinernen Weg, Schritt für Schritt zu ihr geht. Als er die hälfte des Weges erreicht hatte, dreht sie ihren Kopf und sofort erkennt er ihr Gesicht wieder, die kleine Nase, die hellgrünen Augen und der geschwungene Mund. Gerade will er zu einem weiteren Schritt ansetzen, schaft sogar noch drei ehe sie sich erhoben hatte und sie ihre linke Hand gen ihn ausstreckt, ihm zum stoppen zu bewegen.
Das weiße Kleid in das sie steckte. Ihr damaliges Hochzeitskleid was sie ausgesucht hatte. Der Ort an dem sie sich kennen gelernt haben, geheiratet haben, er verbindet so vieles damit und gerade in dem Moment wo er denkt er hat sie wieder wimmelt sie ihn mit einzigen Geste ihrer Hand ab. Verständnislos sieht er sie an. "Noch nicht, Feral." spricht sie in ihm bekannten Tonfall. "Wenn du hierherkommst, kannst du nicht mehr zurück." Die Bedeutung dieser Worte sind ihm sofort klar, er ist Tod und auch wieder nicht, er schwebt zwischen einer Sekunde wo er sich entscheiden kann aufzugeben, oder weiter zu machen. Er atmet mehrmals den vorhandenen Duft ein der hier vorherscht, er will etwas sagen, doch er bekommt keinen Ton raus. Die Zähne drücken sich geräuschlos aufeinander während die rechte Hand sich zu einer lockeren Faust bildet. Er senkt den Kopf ein wenig und muss mit dem was er sieht erst einmal zurecht kommen, es ist zu, einfach zu viel für ihn. Er öffnet den Mund und atmet mehrere male durch, es sieht erst so aus als wolle er was sagen aber es fühlt sich eher an als würde ihm etwas gerade die Luft abschnüren. Als er sich einiger maßen wieder gefangen hat sieht er zu ihr hin, betrachtet sie in Ruhe ehe er ihr antwortet. "Vielleicht will ich nicht mehr zurück, ich bin es Leid und ich will nicht warten bis mich das Ende ereilt, ich will frei sein." Sie schüttelt ermahnend den Kopf, es wirkt gar mütterlich von ihr und gerade kommt er sich vor wie ein verzogener Junge der auf seine Schokolade besteht die er nicht essen darf.
"Was du willst ist nicht von Belang, Geliebter. Du hast jemanden vergessen, ich bin enttäuscht." Härter hätten die Worte ihn nicht treffen können. Natürlich konnte er Elaine nicht alleine lassen aber gerade jetzt ist er hin und her gerissen gar nicht in der Lage einen so vernünftigen Gedanken zu fassen doch im inneren weiß er das sie recht hat. "Ich weiß, doch ich vermisse dich." Sie schaut ihn mit einem angeschrägten Kopf an, ein sanftes lächeln auf den Lippen. "Ich vermisse euch beide, doch ich werde Geduldig sein, so wie du es sein wirst und musst, du bist nicht der einzige der leidet." Es vergingen mehrere Sekunden und Atemzüge ehe er einfach nur sachte nickte, er wusste was sie sagen will, natürlich vermisste sie ihn auch, doch gerade war sie die starke von ihnen beiden, sie musste es sein, selbst wenn es ihr schwer viel und sie es aber nicht zeigte. Sie zeigte ihm das es eine Selbstverständlichkeit war, weil er es nicht konnte, jetzt musste sie ihn auch noch bemuttern um ihm wieder die klaren Gedanken zu geben die er brauchte. "Ich muss gehen." sprach er dann auch schon zu ihr und sie schenkte ihm ein lächeln. "Du weißt das ich dich Liebe, oder?" kamen die Worte gar ein wenig unschlüssig aus ihrem Mund und kurz verengten sich seine Augenbrauen. "Das musstest du mir noch nie beweisen, ich wusste es schon immer." ein kleines lächeln konnte er sich abringen auch wenn etwas anderes gerade die Emotionen überdeckte. Ein kleines lächeln schenkte sie ihm, es sprach von Liebe und Zuneigung, dann geht er auch schon wieder rückwärts an den Rand des Ufers. Die Stiefel durchdringen wieder die Wasseroberfläche und er geht weiter bis er nur noch mit seinen Schultern und seinem Hals zu ihr schaut. "Danke Aria, ich weiß nun was ich zu tun habe." mit diesen Worten tauchte er wieder unter, er schloss die Augen und ließ sich wieder gleiten. Er fühlte sich schwerelos und mit einem mal kam der Schmerz und es fühlte sich für einen kurzen Moment an als würde er fallen ehe er aufschreckte und die Augen aufschlug.
Die Spitze des Rapiers konnte er spüren, es bohrte in seinem Fleischt, wenn auch nicht tief. Er sah auf den Stahl welcher aus seinem Körper ragte und folgte der Schneide bis hin zum Fechtkorb und zu der Hand die es hielt. er betrachtete die Szenerie ehe er merkte wie die Finger den Griff langsam losließen und das Rapier in voller Länge auf seinen Leib krachte, die Spitze schneidet sich durch Fleisch und Haut und verursachte einen kleinen Riss, eine Narbe die übrig bleiben wird, so viel ist sicher. Es fehlte nicht viel dann hätte er das Herz getroffen. Die linke Hand legte sich um die Schneide des Rapiers und er zog den Rest des Metalls aus seiner Haut und warf es links neben sich, so das es auf der Leiche neben ihm aufkam. Er schluckte einmal, seine Kehle fühlte sich unendlich trocken an. Erst dann schaut er zu dem Mann der das Rapier vorher gehalten hatte. Was er sah, verstörte ihn und er stützte sich mit der rechten Hand etwas ab damit er sich alles genauer betrachten konnte. Drago schaut ihn ungläubig an und das von Narben verzierte Gesicht wirkte bis auf das recht leblos. Er sah sofort was passiert war, doch glauben konnte er es nicht. Es ragte tatsächlich die Spitze eines gebrochenen Holzbalkens hervor der scheinbar herunterkrachte und den Lärm erklärte den er zum Schluss hörte.
Er wusste nicht was er davon halten sollte, doch scheinbar trieb jemand Scherze mit ihm. Er hob die linke Hand als wollte er gestikulieren und dabei sprechen, doch es dauerte nur wenige Sekunden bis er sie wieder auf den Boden legte um sich auch mit der abzustützen, er betrachtete sich das Bild des aufgespießten Körpers dessen Blut vom Holz auf den Boden sickerte und sich mit dem anderen vermischte. Er wollte wieder etwas sagen doch das einzige was er konnte war lachen, ein leises zurückhaltendes, ungläubiges lachen voller Unverständnis über diese Situation. Gleichzeitig rannten ihm die Tränen aus dem rechten Auge und das Gefühlschaos zwischen Erleichterung und Amüsemant war perfekt. Es dauerte vielleicht ein, oder gar zwei Minuten, dann hatte er sich gefangen und doch schüttelte er immer noch den Kopf während er versuchte aufzustehen. Es sah jämmerlich aus. Sein Bein schmerzte ihm so sehr das es nicht richtig auftreten konnte und sein rechter Arm war mehr taub als alles andere. Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war doch es war immer noch Nacht. Er musste tatsächlich auf allen vieren kriechen, das Blut an seinen Händen und an seinem Wams verteilend da die Leichen in dem Raum ihren roten Lebenssaft hergaben und den Boden ein wenig damit bedeckten.
Er kroch nach und nach zur Treppe die nur wenige Stufen hatte da der Rest eingestürzt war, mit dem anderen Stück des Gebäudes einfach zusammengekracht und verschwunden. Erst setzte er sich auf die erste Stufe, dann schaffte er es sich noch auf die zweite zu erheben ehe er sich nach und nach gänzlich erhob und an der Mauer abstützte. So viel hatte er schon einmal zumindest hinter sich. Schritt für Schritt humpelte er in Richtung der Türe, sah sich den Raum und das Chaos nochmal an ehe er diesen Hort verließ wobei er nicht weit kam. An der Türe hielt er an, nun fehlte ihm jede Möglichkeit sich abzustützen und er sah einmal nach oben, ein Stoßgebet nach Grenth richtend. Aber es blieb unbeantwortet. Es würde hier kein zweites Wunder geben, keine Kutsche die aus dem nichts erschien und ihn nach Hause fuhr, keine Krücken die wie Zauberhand einfach im Schnee lagen. Jetzt war sein Wille zum überleben gefragt. Er versuchte einen mutigen Schritt, die Hand ließ das Gemäuer los und in dem Moment wo sein Bein nachgab und er den weißen Schnee auf sich zukommen sah, wusste er das er hier nicht so leicht weg kam. Das Gesicht prallte in den Schnee, erst fühlte es sich kurz heiß an, dann wurde es kalt und das noch nicht getrocknete Blut und der Schnee verbanden sich unter seinem Körper. Er versuchte sich noch einmal mit der linken Hand abzustützen und aufzurichten, doch er fühlte sich so verdammt schwach an und so unendlich Müde. Er konnte nicht mal mehr sagen was sein Blut, oder das Blut der anderen war. Er brauchte nur einen kurzen Moment auszuruhen, nur für ein paar Sekunden die Augen zu schließen, dann würde er neue Kraft geschöpft haben.
Der Schatten der hinter ihm auf dem Gemäuer saß, die langen schwarzen Haare welche seidig vom Wind getragen wurden als hätten sie ein Eigenleben, all das sah er nicht mehr.
~~Fortsetzung folgt~~