"Und, was meinst du?", fragte Robin Stew, als beide am Tresen standen und auf ihren Biernachschub warteten.
"Ganz ehrlich?" Stew sah rüber zu ihrem Tisch. Der Maskierte, der noch am Tisch saß, wirkte, als würde er ein Theaterstück üben: "...hörst du nicht, oh Schnodderlein, die Nachtigall ist verstummt. Es ist die Lerche, die wir hören! Ich muss mich auf machen, bevor Flunsch uns erwischt..."
Stew schüttelte den Kopf: "Ich glaube so langsam, dass wir unsere Zeit verplempern. Der hat nie und nimmer irgendwas Interessantes zu erzählen. Reich ist der sicher auch nicht. Der ist einfach nur geisteskrank."
"Ich fand's bisher unterhaltsam", Robin zuckte mit den Schultern, "Außerdem könnte man seine Waffen verkaufen. So, wie der sich benimmt, kann der eh nicht damit umgehen. Den schaffen wir. Der muss nur endlich mal was trinken."
Stew brummte und zupfte sich an seiner Augenklappe. "Aye!", ließ er dann verlauten.
Sie bestellten drei Schnäpse. In jenem Schnaps, der für den Maskierten bestimmt war, tröpfelte Robin etwas aus einem kleinen Fläschchen hinein. Zurück am Tisch, schob Robin das Gläschen Danny zu. Dieser beachtete es jedoch kaum, sondern breitete seine Arme aus, als wolle er sie aus dem Sitzen heraus umarmen.
"Ich hab Euch sooo vermisst!"
Einauge Stew brummte mal wieder. Robin ergriff das Wort: "Hey, Kumpel. Erzähl uns doch einmal, wie es mit dir und diesem...diesem Ben weiter ging."
"Den fandest du kühl, hmm? Also gut, weiter im Text. Ben lehrte mich nicht nur das Anbauen von Zitronen und das Kämpfen und bla bla bla - hatten wir ja schon alles - sondern er half mir auch, mich in seinem Orden verdient zu machen. Dafür sollte ich eine Tesmission angehen, die..."
"Moment, Orden?" Stew runzelte die Stirn. "Was für ein Orden?"
"Der SMGOTT!"
"SM...Gott...?"
"Der Super-Mega-Geheime-Orden-Toller-Typen!"
"Ahja..", Stew nickte langsam und brummte erneut, "Den gibt's nicht wirklich, oder?"
"Sagen wir mal so, den gibt es schon, aber er heißt anders. Aber wenn ich Euch den super geheimen Namen verrate, wäre er nicht mehr geheim, nicht wahr?"
"Aye, macht Sinn."
"Siehste! Also...anfangs wusste ich von dem Orden nichts. Auch nichts von Bens Mitgliedschaft. Aber so ist das ja bei einem Geheimbund auch vorgesehen..."
Danny fuhr sich durch sein kurzes Haar, als er mit dem Kehren des Gartenwegs fertig war. Er hatte das ganze Herbstlaub auf dem Weg zu kleinen Hügeln aufgeschichtet. "Am liebsten würde ich gleich wieder da rein springen!", verkündete der nun Zwanzigjährige seiner Schwester, die auf einer Bank saß und an einem Schal strickte. Sie sah zu Danny auf und lächelte ihm nickend zu, hob jedoch auch ermahnend einen Finger. "Ja ja, du hast recht. Ich lass es." Der Bursche packte seinen Besen und schlenderte zum Geräteschuppen. Als er diesen öffnete, hörte er ein eigenartiges Geräusch. Fest umklammerten seine Hände den Besenstiel, als sich Danny langsam ins innere des Schuppens schlich. Einer der Schränke schien etwas verschoben worden zu sein. Er sah ein diffuses Licht. Zwei Männer flüsterten. Mit einem Satz sprang Danny zu den Unbekannten.
"Erwischt!"
"Oh nein!", rief Ben aus. Neben ihm saß eine vermummte Gestalt. "Wie hast du unser Versteck nur gefunden?! Daniel, du bist einfach zu gut. Möchtest du dem Orden de.."
"Als ob das so einfach gewesen wäre!" Stew schüttelte verärgert den Kopf.
"Vielleicht war es auch ein bisschen anders. Vielleicht wollte Ben aber auch ertappt werden. Unterbrich mich doch nicht andauernd!"
Stew nickte brummend.
"Ich gebe zu", sagte Ben, "Dass wir wollten, dass du uns findest."
"Aber...was macht Ihr hier?" Danny sah zu den zwei Männern runter. Zwischen ihnen waren überall auf dem Boden Karten, Pläne, und Briefe.
"Danny...hast du schon einmal vom Orden der Gerüchte gehört?"
"Nee."
Der Vermummte sah Ben an: "Du hast gute Arbeit geleistet."
"Ich weiß", Ben nickte und sah zu Danny hoch, "Setz dich hin. Ich erkläre dir alles..."
Und da erzählte Ben Danny tatsächlich alles. Ein Orden, der schon uralt war. Der im legendären Elona wirkte. Ein Orden, der alles sah, alles hörte, alles wusste. Ein Orden, der sich dem Kampf gegen die Alt-Drachen und dem Schutze Tyrias verschrieben hatte. Und jeder konnte theoretisch zu ihm gehören, ohne, dass man es wusste. Dem Burschen rauchte ein wenig der Kopf. Die geschichtlichen Hintergründe waren zahlreich und für ihn eher weniger interessant. Eine Zeit lang hörte er nur mit halben Ohr zu und betrachtete Ben dabei mit großen Augen. Der lustige Bauer, den er so viele Jahre nun schon kannte, der Kerl, der angeblich beim Zirkus war, sah auf einmal ganz anders aus. Ernster. Noch souveräner, als er es ohnehin schon war. Wie konnte er ein solche Sache so lange vor Danny und all den anderen Leuten geheim halten? Wie hatte er nie etwas bemerken können?
"Hey, Mister Pelgram, hörst du mir noch zu?" Ben schnippte mit den Fingern vor Dannys Gesicht rum.
"Äh...ja?"
"Ich hab dich gefragt, ob du dir vorstellen könntest, für solch einen Orden zu arbeiten."
"Ähm...ja...ja, natürlich! Aber...das ist sicher gefährlich, oder?"
"Gefährlicher wäre es, wenn wir nichts gegen die Drachen und deren bösen Buben tun würden. Sieh her", Ben zog einen Stadtplan hervor, "Hier wäre eine Testmission. Wenn du die schaffst, wärst du dabei. Und keine Sorge, wir trainieren dafür natürlich vorher und..."
Danny hörte wieder nur halb zu. Er betrachtete den Plan, welcher ein Viertel in der berühmten Stadt Götterfels zeigte. Eine Großstadt. So etwas hatte Danny noch nie zuvor gesehen. Er blinzelte einmal mit den Augen und sah die zwei Männer an. Sein Blick hielt eine Weile bei dem Vermummten Kerl.
"Werde ich auch so eine Maske tragen müssen?"
Der Vermummte sah einen Moment zu Ben rüber, ehe er meinte: "Junge, bei deiner auffälligen Visage solltest du ganz dringend eine Maske tragen."
Danny stand vom Tisch auf. "Ich muss mal wieder Wasser lassen."
Stew schaute verdutzt drein. "Du hast doch noch gar nichts getrunken."
"Ja, aber Euch beim Saufen zu zuschauen macht meine Blase ganz hibbelig. Bin gleich wieder da."
Robin und Stew tauschten einen Blick, als Danny den Schankraum verließ. Schließlich zuckte Robin mit den Schultern und kippte sich seinen Schnaps in den Rachen. Ein paar Atemzüge später kippte er vom Stuhl. "Verdammte Scheiße!" Stew beugte sich über Robin und klatschte ihm ins Gesicht. "Aufwachen, Junge!" Verwirrt sah er zu dem Schnapsglas in Robins schlaffer Hand. Dann zu dem Gläschen auf dem Tisch an Dannys Platz. Er war sich in jenem Moment nicht ganz sicher, ob er es sich nur einbildete, aber er meinte, den Maskierten draußen lachen zu hören.
Fortsetzung folgt...
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