Der verschmorte Leichnam war ganz frisch - tatsächlich stiegen sogar noch feine Rauchfäden davon empor. Godfrey schob sich das Monokel vors Auge, zog dann die Finger hinter dem Rücken zusammen und tat so, als fülle der durchnässte Tote ihn mit nüchternem Unbill, obschon seine gute Laune in Wahrheit garnicht zu trüben war.
"Hättet Ihr nicht erwähnen können, dass das passiert?", brummte Galgenbrenner, dessen Verstimmung zweifelsohne echt war.
"Hättet Ihr meine Anweisungen nicht besser durchgeben können?", konterte der Inquisitor, während er über den verstorbenen Banditen hinweg stieg. Der weite Schritt hatte gelassen wirken sollen, aber als unter seinen Stiefeln ein kleiner Rest violetter Blitzenergie britzelte, machte Godfrey einen hastigen Satz. "Huch.", sagte er und strich sich den Mantel glatt. "Seht es positiv, Clodiver, wir wissen nun... Ihr wisst nun zweifelsfrei, dass es funktioniert."
"Mhr..", grollte Galgenbrenner.
Godfrey zeigte Inquestur-Techniker Taaz einen erhobenen Daumen, und der Asura sandte nüchtern ein bestätigendes Nicken hinüber, während er einige Kalibrierungen an der arkanen Konsole eingab, die er auf nicht gänzlich nachvollziehbare Weise aus der würfelartigen Verteidungsanlage beschwören konnte. Taaz' Bruder, Vorr, schnürte gerade aufbruchbereit seinen schweren Rucksack fest, der fast so groß war wie der Asura selbst.
"Zugegeben, ist clever.", meinte der Bandenführer, dessen halbes Gesicht eine einzige Brandnarbe war. Während sie weitergingen, sah er nochmals über die Schulter zu seinem toten Gefolgsmann, dessen nasser und doch verschmorter Mantel garnicht aufhören wollte zu dampfen. "Tödliche Kombination, direkt hinter dem Wasserfall."
Durch ebendiesen stiefelten sie gerade, und Godfrey gestattete Galgenbrenner großzügig, sich kurz mit unter den Regenschirm zu zwängen, auch wenn der Mann ungepflegt war und widerwärtig stank. Umso schneller nahm der Inquisitor Abstand, als sie hinter der rauschenden Wasserwand aus dem Sprühnebel traten. "Natürlich ist es das.", kommentierte er nüchtern, so als sei es seine Idee gewesen, obwohl ihn in Wahrheit Billy, dem er nun wie üblich den Schirm reichte, auf den Gedanken gebracht hatte. Nicht dass Clodiver Galgenbrenner das wissen musste. "Verschwendet wendigstens die Verstärkung nicht, Clodiver, ich habe Euch ein paar gute Männer und Frauen zugeteilt."
"Ein paar.", knurrte der Räuberhauptmann. "Gute Leute. Natürlich, Herr Inquisitor."
"Gut, gut.", sagte Godfrey und ignoriere die Beinahe-Spitze seines Untergebenen, nachdem dieser den Satz gerettet hatte. Ihm war entschieden nicht danach, sich schon wieder das Handgelenk zu verstauchen. Sie stiefelten durch das Dunkel der tropfendem Kaverne, Billy und Frank mit außerhalb abgegriffenen Fackeln vorweg, der Verschworene und Inquestur-Techniker Vorr hintendrein. Die watschelnden Füße des Asura erzeugten einen feuchten Widerhall an der Höhlendecke. Schlapp, schlapp, schlapp.
"Und das zweite Gerät geht an Nair Kell?", hakte der verwahrloste Bandenführer nach einiger Zeit des schweigenden Spazierens an. Es war immer wieder erstaunlich, wie lange man in diesen Stollen und Hohlräumen unterwegs sein konnte, ohne einen Engpass zu erreichen. Solange man freilich den Weg kannte. Insgesamt ein beneidenswert sicherer Standort für einen Stützpunkt - aber manche Menschen waren eben mit Nichts zufrieden. Der missgünstige Neid zumindest war Galgenbrenners Worten deutlich anzuhören, und das obwohl er nichteinmal glücklich über seine neue Ausstattung wirkte. Dem zum Trotz konnte Godfrey ihm beides nicht so recht verübeln. Auch wenn die Antwort, selbstredend, völlig klar war.
"So ist es." Wenn man das so sehen möchte.
"Ihr erwähntet, wir kriegen noch mehr von dem Zeug, Sir?"
"Bei guter Führung." Bei schlechter erst recht.
"Und es ist sicher, dass es da keine Fehlfunktionen gibt?", murrte der betagte Bandit unverändert skeptisch.
"Clodiver-", seufzte Godfrey langgezogen. "Wie lange arbeiten wir jetzt schon zusammen? Habe ich Eure Leute jemals leichtfertig in Gefahr gebracht?" Galgenbrenner öffnete andeutungsweise den Mund und klappte ihn rasch wieder zu, aber selbst wenn er etwas hätte einwerfen wollen, hätte der Inquisitor ihn nicht aussprechen lassen: "Für Euch hier im Königintal mag das alles neu sein, aber diese Anlagen haben sich in unseren Stützpunkten weiter westlich bereits hervorragend bewährt. Und Ihr wäret weise, unsere Bündnispartner nicht mit Misstrauen zu beleidigen." Tatsächlich wäre ein völliger Mangel an Misstrauen so alarmierend wie unterwältigend gewesen, aber auch das musste der Mann ja nicht wissen.
"Wie Ihr meint, Sir. Euer Wille ist mir Befehl."
"Brav."
"Sonst noch etwas, das ich wissen sollte, Sir?"
"Ihr habt Eure Anweisungen.", entgegnete er, indem sie ihre Schritte gemeinsam verlangsamten. Einige Höhlenwindungen weiter vorn konnten sie das matte Flackern mehrerer Fackeln erkennen, wo die nächste Gruppe frisch eingetroffener Mannen sie erwartete. Godfrey verharrte jedoch wo er gerade stand, wandte sich dem älteren Bandenführer zu und betrachtete dessen zerstörte, pockennarbige Brandvisage, welche im Flackern von Franks Fackel nur umso hässlicher aussah. "Und an denen ändert sich fürs Erste Nichts."
Galgenbrenner presste kurz den Kiefer aufeinander. "Ich verstehe, Herr Inquisitor. Dann werde ich mich wieder zurückziehen."
"Habt Ihr auch nicht vergessen, Eure eigene Signatur von der Anlage speichern zu lassen?" Der Inquisitor konnte nicht anders, als spitzbübisch zu lächeln.
Aber Galgenbrenner grinste nur zurück, zeigte seine verbliebenen, fauligen Zähne. "Ich hab' mich als Erster angestellt.", krächzte er. "Aber ich nehme trotzdem lieber den Umweg. Man muss gut zu Fuß sein, wie Ihr immer sagt. Gute Reise, Sir." Er tippte sich grüßend an die schuppigen Kotletten, deutete eine Verbeugung an und verschwand in der Dunkelheit.
Techniker Vorr hob eines seiner ledrigen Schlappohren und blickte dem Gesetzlosen empört hinterher, als habe die Ausrede ihn persönlich beleidigt, aber Godfrey lachte nur leise. Er wollte sich gerade umdrehen und mit seinem verbliebenen Geleit den Weg fortsetzen, als ein gedämpftes Wimmern seine Aufmerksamkeit fing. Ein verschnürtes, nasses Menschenbündel mit einem Jutesack über dem Kopf regte sich auf der Schulter des Verschworenen. Ein beinahe ebenso stumpfes Schnaufen kam aus der Vollmaskierung des schweigsamen Riesen hervor, und er schlug einmal kurz mit seiner großen Faust gegen den Sack. Danach engte der Verschworene die violetten Augen, rückte die wieder erschlaffte Fracht über seiner Schulter zurecht. So war auch das erledigt, und sie setzten ihren Weg ohne Eile fort.
Wahrlich, er war äußerst zufrieden mit den Entwicklungen. Das Gespräch mit Qayy war erwartungsgemäß hervorragend gelaufen. Man wurde, immerhin, nicht alle paar Tage von einem Asura zum Genie deklariert und bewerkstelligte es zugleich, ihm eine Wachmannschaft anzudrehen, die dem Asura weit weniger nützen würde als ihm selbst. Es wäre töricht gewesen, davon auszugehen, dass Agent Qayy in seiner Paranoia sich dessen nicht bewusst war, doch was schadete es. Der gegenseitige Profit war rundum zu groß, als dass einer von ihnen irgendeinen Konflikt riskiert hätte. Auch wenn es natürlich gut ist, über alles bescheid zu wissen.
Voraus kam der Fackelschein beständig näher, und langsam zeichneten sich die Schemen der bereit stehenden Kampftruppe im Höhlengewölbe ab. Grob anderthalb Dutzend waren noch da, auch wenn Godfrey sie nicht genau gezählt hatte - das überließ er bevorzugt Billy und Frank. Dennoch fragte er sich schmunzelnd, welche frischen Lücken diese Männer und Frauen bald füllen mochten. Die Banditin Letha hatte sich für besonders schlau gehalten; Dabei war sie haarscharf am eigenen Tod vorbei geschrammt, ohne es zu bemerken. Vielleicht hatte sie ihn auch nur herausgezögert. Das würde sich im Gespräch mit Kell herausstellen. Und noch einige weitere Dinge würden sich bald entscheiden.
Magister Sooc, der Wolf im Schafspelz. , lachte er innerlich. Meinen grenzenlosen Dank für Euren nützlichen Beitrag.
"Frank, sind die Herrschaften bereits instruiert, wie ich befohlen hatte?" Er wusste genau, dass die Erkundigung obsolet war, doch manches Mal war ihm das ob des Plauderns willen reichlich egal.
"Selbstverständlich, Euer Exzellenz." Der langhaarige Schläger neigte gehorsam das Haupt. Er drehte es grinsend nach rechts, wobei ihm fettige, schwarze Strähnen ins Gesicht sackten und die Muskelstränge seines Nackens an der Lederrüstung spannten. "Ihr werdet erfreut sein, zu hören, dass der neue Prototyp auch fertiggestellt und mitgebracht wurde. Die beiden Spezialisten sind zugeteilt, wie Ihr gewünscht hattet."
"Oh." Godfrey hob erstaunt die Brauen. In der Tat erfreuliche Neuigkeiten, die meine Stimmung nur umso mehr beflügeln. Er gab ein einstudiertes Grinsen zum Besten, als er über die Schulter sah und ganz wie antizipiert einen hellhörig glubschenden Asura erblickte. "Ihr dürft gespannt sein, Vorr...", säuselte er und zwinkerte dem Techniker zu. "...bald lassen wir es mächtig krachen."