Er drückte den Türflügel des Waffenschrankes zu, zog die Stahlketten vor und sperrte ab. Schnaufend zog er sich sein Unterhemd über den Kopf, entledigte sich seiner Stiefel und stapfte barfuß, nur noch mit Hosen bekleidet zur Drückbank hinüber. Die schweren, gusseisernen Scheiben hatte er anhand ihrer Markierungen nach Gewichtsklassen aufgestapelt, und an seinen Armen traten die Muskeln und Sehnen stark hervor, als er die Gewichte empor hievte, um sie links und rechts über die ebenso gusseiserne Stange zu schieben. Das disharmonische Kratzen von aneinander schabendem Metall lag eine Weile lang in seinen Ohren, während er vor sich hin hantierte. Scheibe um Scheibe um Scheibe. Aber die Augen bleiben immer wieder an seinen Armen hängen.
Als er mit den Zähnen knirschte, war es nicht der schweren Eisenscheiben wegen, die zu heben ihm leicht fiel. Es war das Wissen, dass er sie noch viel leichter hätte heben können. Wenn dieser ehrlose Hurensohn und sein Heckenschütze nicht gewesen wären. Das leichte Ziehen in seiner Brust erinnerte ihn daran. Seine Nase blähte sich schnaubend, während er die Stange weiter bestückte und dem Aneinanderklappern des schweren Gusseisens lauschte. Er war noch immer doppelt so stark wie jeder Mann, der ihm auf der Straße begegnet wäre, aber obwohl er sich das immer wieder ins Gedächtnis rief, fühlte er sich zu schwach. Ich werde seinen Kopf zwischen meinen Händen zerdrücken. Irgendwann. Das hatte er sich vorgenommen, auch wenn er sich immer noch nicht richtig durchringen konnte, dabei Hass zu empfinden. Nur Enttäuschung. Immer wieder Enttäuschung.
Als die Pfundsumme der kleinen Markierungen sein eigenes Körpergewicht in Eisen ergab, hörte er auf. Starrte für eine Weile auf die Langhantel herab. Und hörte dann eben doch nicht auf. Vier kleinere Scheiben wurden noch hochgewuchtet. Zwei links, zwei rechts. Warum, das wusste er auch nicht so recht. Weil du ein stolzer Trottel bist. Bei Balthasar, er fühlte sich heute so leer. Bei vierhundert Pfund ließ er es gut sein, zurrte die Schraubklammern fest und setzte sich auf die Drückbank. Ein paar gründliche Wiederholungen sollen immerhin drin sein. Er legte den Kopf in den Nacken, ließ ihn kreisen, die Wirbel ein wenig knacken, die schweren Muskeln spielen. Dann griff er nach den zerlumpten Jutestreifen und wickelte sich den ersten davon gemächlich um den linken Handballen. Gerade als er sich den zweiten nehmen wollte, fiel ihm wieder das Gebilde aus Holz und Federn auf, das noch immer daneben lag. Zuvor hatte er erwogen, es zur Lehre für den Jungen zu gebrauchen, aber nun entschied er sich dagegen.
Seine rauen Finger klaubten den nornischen Friedenskranz von der Drückbank. Stirnrunzelnd hielt er ihn sich vor Augen. Von Hand geflochten aus Zweigen, Pflanzen, Vogelfedern und einigen geschliffenen Steinchen, gab es keine Zweifel an der Kunstfertigkeit des archaischen Kleinods. Es war sogar darauf geachtet worden, die Symbolik der Tiergeister fern zu halten, obwohl die heidnische Natur des Brauches sich dadurch natürlich nicht in Luft auflöste. Insgesamt war es ein ruhiger Abend gewesen, und die Magistra Wehrgesang hatte ihn überrascht, auch wenn das durch die spätere Penetranz der Priesterin Zazan wieder ausgeglichen worden war.
Dennoch blieb die Geste der Magistra ein kurioser Fremdkörper in den neuesten Entwicklungen. Vielleicht empfand er sogar einen Funken von Respekt für ihre Überwindung, obwohl eine Duellforderung auf den Tod ihn mehr gereizt hätte. Er drehte den Kranz zwischen den Fingern seiner Rechten hin und her. Nehmt ihn und bewahrt ihn auf, so soll unser Zwist auf ewig vergessen sein. Es ist eine Geste der Vergebung, ganz gleich wer Schuld trägt. Das hatte sie gesagt. Zerbrecht Ihr ihn und reicht ihn zurück, sollen wir Feinde sein und bleiben. Dann soll meine Legende durch Euren Tod bereichert werden, oder durch mein Ableben ihr Ende finden. Seine Augen wanderten jetzt kritisch über das feine Flechtwerk der Norn. Sie hatte sich Mühe gegeben. Respekt war wichtig. Manchmal sogar gegenüber denen, die nicht von menschlicher Rasse waren. Aber Respekt besaß klare Grenzen. Sie hatte, immerhin, die Dienerschaft Balthasars beleidigt. Und beide Angebote erscheinen mir gleichermaßen überflüssig. Die ineinander gesteckten Zweige knirschten, als seine Faust sich fester ums Material ballte. Dann ging sie hitzeflimmernd in einem Stoß zorniger Flammen auf, und der gesamte Kranz mit ihr.
So betrachtete er die kokelnden Blätter mit gleichmütigem Grimm, sah den kleinen Steinchen dabei zu, wie sie einer nach dem anderen rußig zu Boden klimperten, spürte das Holz in seinem Griff knistern und roch den Gestank verbrennender Federn. Als er die Faust öffnete und das Feuer erlosch, bröselte Magistra Wehrgesangs Friedenskranz in qualmenden Bestandteilen zu Boden. In diesem Haushalt gab es keine heidnischen Andenken, befand der Priester Balthasars, und das würde auch so bleiben.
Er umwinkelte seine noch heiße, aber unversehrte Rechte mit dem zweiten Jutestreifen und legte sich rücklings auf die Bank. Dabei hob er beide Arme empor und umschloss die gusseiserne Stange der Langhantel mit festem Griff. Kurz dachte er darüber nach, nebenan Mavey aus ihrem Krankenbett zu scheuchen, damit sie Aufsicht führen konnte. Aber dann begann er einfach zu drücken.
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