Gewaltverherrlichende Inhalte
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"IHHHHH! EINE RATTE! MACHT SIE WEG!"
Er horchte auf. Das war Mavey, und sie schrie das Signal. Sein Atem donnerte gegen die Innenseite des Helmes, und seine Fäuste donnerten gegen die Holzlatten voraus. Es knackte, die Tür flog mit Wucht auf, und er war frei. Frei für sein ganz persönliches Fest. Er trat ins Freie, sah die Welt nur durch einen engen Schlitz und ein paar kleine Löcher im roten Metall. Es war jetzt dunkel auf Naylors Hof, aber nach Stunden des Wartens in der finsteren Kornkammer waren seine Augen schärfer denn je.
Kämpfen, brennen, siegen. Für Balthasar.
Sein Knie schmerzte, seine Schulter und sein Rücken ebenso. Die Schreie eines alten Körpers, gemartert von zu vielen Wunden und zu langem Stillstehen. Der Schrei nach Schwäche. Er ignorierte ihn, wie er es immer tat. Es gab keine Zeit zu verschwenden, in der andere ihm seinen Anteil an der zelebrierten Ernte nehmen konnten. Seine gepanzerten Stiefel krachten mit jedem Schritt über den staubigen Boden, während er seine Masse in Bewegung setzte. Sein Herz brannte mit Zorn, und er war so stürmisch und ungeduldig wie ein jüngerer Mann, der er vor zwanzig Jahren gewesen war. Er lechzte, packte seinen Hammer nun fest mit beiden Händen. Er war im Rausch.
Kommt her zu mir. Kommt her, für Balthasar.
Oh, süßer Krieg. Es waren Monate ins Land gezogen. Er hielt es nicht mehr aus. Erst jetzt fiel ihm das wirklich auf. Er konnte es nicht halten. Sein Atem blecherte harscher gegen das geschlossene Visier, und er nahm an Fahrt auf, überwand sein Hinken mit purer Grobheit, machte sich zur Lawine, die einen viel zu flachen Hang herab kam. Auf der anderen Straßenseite herrschte am Bauernhaus Chaos. Leute wuselten energisch zwischen den Festtafeln umher, während immer noch bunte Kränze, Kürbisse und Strohpuppen das Bild schmückten. Es gab Gerangel dort, ungewisser Natur. Er blendete es alles aus. Unwichtig. Es zählte jetzt nur das Eine.
Feinde, Ketzer, kommt her. Heil Balthasar.
Er hielt auf die große Scheune zu, von der aus gerade ein panischer Knecht floh. Ein großer Suppentopf köchelte, ein Ochse briet am Spieß, zapfbereite Bierfässer und Platten mit kalten Speisen waren auf Kisten hergerichtet. Mittendrin brach gerade ein Kampf los. "Anlegen!", schallte Fichtelhubers dialektzerrissene Stimme von irgendwoher ans Ohr. Es wurde noch mehr gebrüllt, aber er hörte nicht weiter hin, machte derweil in vollem Lauf vier Gestalten an der Scheune aus. Ein junger Knecht warf sich im Hintergrund gegen einen nicht viel älteren Burschen in Seraphen-Uniform, der darob einen Pistolenschuss verzog und die Steinschlosswaffe mit knallendem Mündungsfeuer ins Leere schwenkte. Aus dem Nichts zischte ein Pfeil über ihren Köpfen hinweg, doch sie bemerkten ihn garnicht, während sie schwankend und halb am Boden miteinander rangelten. Direkt davor stand eine benommen wirkende junge Frau mit Schwert und Revolver einem riesigen Bauern mit Hut gegenüber. Auch sie trug die Uniform einer Seraphin, obwohl sie in Wahrheit keine war, wie er nur zu gut wusste. Der Bauer, dessen labbriger Mantel sich über einem enormen Wanst und einem schlimmen Buckel spannte, trat mit erhobenen Händen von ihr zurück. Donovan verbarg sich unter der Verkleidung, und wusste genau, was gerade den Hang herab kam. Die Hochstaplerin wusste es nicht und sah es im Tumult auch viel zu spät.
Schmettern, dreschen, schlagen. Für Balthasar.
Er spürte die Kraft des Gottes durch seine Muskeln fahren, Hitze und Flammen um seine Glieder entstehen, fühlte seine Stärke daran wachsen, als wolle sie explodieren mit jedem Funken Wut, der ihn beseelte. Brecht und fallt. Er bremste seinen Ansturm mitten ins Gemenge hinein, rammte die uniformierte Banditin mit seiner rechten Schulterplatte, und sie flog durch die Luft wie eine Puppe. Er verfehlte leider sein Ziel; Statt geradewegs in ihren Kollegen gekegelt zu werden, riss sie im Flug den Suppenkessel um, der seinen Inhalt nach dem Streiftreffer ins Innere der Scheune vergoss, und wurde dann rücklings gegen den mittleren Scheunenpfosten geschleudert, wo sie mit einem ungesunden, stumpfen Aufschlag zu Boden sackte. Hah! Erbärmlich. Auch wenn man anerkennen musste, dass sie beide Waffen noch fest umklammert hielt. Donovan hatte indessen mit einem raschen Ausfallschritt reagiert und hielt plötzlich in jeder Hand eine Steinschlosswaffe - die erste Pistole feuerte der Korsar bereits zielsicher ins Bein der entsprechend aufjaulenden Frau ab. "HURENSOHN!", brüllte sie schmerzerfüllt und ballerte im Sitzen blindlings mit ihrem Revolver los, schien aber Nichts zu treffen, und Donovan versenkte seine zweite Kugel in ihrem Arm. Wieder jaulte sie auf, während ihr Griff ums Schießeisen erschlaffte. Das hätten wir schonmal. Schade eigentlich. Er hielt sich nicht weiter damit auf, überließ Donovan diese Front und wandte sich nach links, verlagerte seinen Streithammer in den Plattenfäusten, bereit für mehr.
Mehr. Ja, mehr. Mehr Gegner. Ehre Balthasar!
Der junge Knecht hatte seinen gerüsteten Gegner inzwischen komplett auf den Rücken geschickt und trat auf ihn ein, doch er selbst war unbewaffnet, während der andere Bursche mit ungeschickten Bewegungen darin begriffen war sein Schwert zu ziehen, indem er zwischen zu Boden gepurzelten Kohlköpfen und Würsten rücklings kroch. Zeit, dich zu stellen, Häretiker. Er setzte sich wieder in Bewegung.
Auf der anderen Straßenseite wurde laut durcheinander gerufen. Weitere Schüsse knallten dort los, doch keine der Kugeln schlug diesseits in seiner Rüstung ein, und er ließ sich von Ungewissheit nicht stoppen. "AUS DEM WEG, ERGATUS!", dröhnte er durch den Helm, als er den vermeintlichen Knecht erkannte, welcher prompt ein Stück zurückwich und dabei irgendetwas vom Boden aufhob. Aber darauf achtete er nicht, nickte nur forsch und stampfte schon an ihm vorbei, fand sich über dem Gestürzten stehend wieder.
Aus dieser Nähe war es schrecklich offensichtlich, dass das, was da vor ihm lag, im Leben kein Soldat war. Selbst als Rekrut ging der unterernährte Jugendliche mit dem hellen Haar kaum durch. Aus angstgeweiteten Augen starrte das milchgesichtige Banditenbürschchen erst den Hammer, dann seinen Träger an, und der starrte aus dem Sichtschlitz zurück, sein Blick magisch entflammt. Doch der Junge ergab sich nicht. Stattdessen schob er sich hektisch weiter nach hinten, versuchte über Brotlaiber und Gemüsebestände stolpernd auf die Beine zu kommen und zog mit letztem Schwung endlich sein Schwert blank, das er zitternd zur Abwehr anhob. Und so war es nur ein stahlschabendes Nicken, das es zur Antwort gab.
Zerstören, zerschmettern, zerstückeln; Töten.
Drüben beim Bauernhaus gab es eine laute, wenn auch knappe Explosion. Er hörte Donovans und Ergatus' Stimmen, näher und somit lauter als die der Mitstreiter und Feinde auf der andren Straßenseite. Sie riefen ihm bedeutungslose Worte zu. Er solle innehalten. Es sei genug. Aber es ist nicht genug. Alles was genug ist, ist die Zahl der Gefangenen. Er riss den Streithammer zum Hieb herab. Durch das Gezappel seines Ziels traf er nicht richtig, und der Bandit riss die Arme mit seinem nutzlosen Schwert schützend hoch, sodass sie den Gewalthieb ein Stück weit dämpften. Knochen knackten, als die Glieder gegen seinen leichten Brustpanzer gefegt wurden und das Kriechen mit einem jähen Ruck nach unten ein Ende fand. Der Kultist des Weißen Mantels, denn sonst konnte das todgeweihte Ungeziefer Nichts sein, stieß ein qualvolles, halb ersticktes Kreischen der Agonie aus. Der Schrei nach Schwäche. Er ignorierte ihn, wie er den seiner eignen Narben ignoriert hatte.
"Sterbt, Ketzer.", grollte er durch die Helmfront und hob den Streithammer ein zweites Mal.
"Gnadeeee..", ertönte es schrill. Hier kommt sie. Die stumpfe Schlagfläche landete mit einem fleischigen Knacken und einem abrupten Abreißen des Geschreis im Gesicht des Burschen und ließ die Welt vergessen, dass er je eines gehabt hatte. Blut, Hirn und Knochensplitter spritzten umher, besudelten einen herumliegenden Käselaib mit rotem Anstrich auf gelbem Grund. Ganz automatisch, ohne dass er groß darüber nachgedacht hätte, hoben seine gepanzerten Fäuste die Waffe noch ein drittes Mal, und der letzte der brutalen Hiebe zermatschte den Schädel vollends zu einer unkenntlichen Masse, obwohl sein Opfer noch toter nicht werden würde.
Für Balthasar.
Mit wildem Blechschnauben wandte er sich um, nur um enttäuscht festzustellen, dass es Nichts mehr zu bekämpfen gab. Ergatus war irgendwohin verschwunden, und Donovan schleifte seine bewusstlose Gefangene über die Straße. Er spurtete den anderen kurzerhand hinterher, um sich neue Kämpfe zu suchen. Sein Durst war nicht gestillt. Rauch und Schwefelgeruch hingen in der Luft, und sie waren wie Vorboten seiner noch immer erwachenden Lebensgeister.
Es herrschte reges Chaos. Am linken Rand seines durch den Helm eingeschränkten Sichtfeldes konnte er einige leblose, von Pfeilen durchbohrte Menschen auf dem Boden erkennen, und direkt am Straßenrand beugte sich Feldwebel Fichtelhuber über einen am Boden liegenden Soldaten. Bänke und Tische waren in großer Zahl umgeworfen worden, Lebensmittel und Geschirrteile lagen verstreut herum. Die Fensterläden im Obergeschoss des Bauernhauses standen offen und offenbarten die Seraphen-Bogenschützen, die oben auf der Lauer gelegen hatten. Er sah Dietrichs blonden Schopf, der Akolyth trug dieselbe Bedienstetenkleidung wie Ergatus, und weiter hinten vorm Haus prügelte sich ein wildes Knäuel aus Leuten. Mein nächstes Ziel., beschloss er grimmig und wollte losstapfen. Ihm fiel auf, dass mittig im Geschehen eine qualmende Fläche mit Fleisch, Knochen und Gedärmen bedeckt war, wüst verteilt, wo es einen unglückseligen Menschen offenbar glatt in seine Bestandteile zerfetzt hatte.
Dann entdeckte er, bevor er sich in Bewegung setzen konnte, einen weiteren Körper am Rand dieser blutigen Sauerei, auf den Dietrich und Ergatus gerade zueilten. Es war eine Frau in Bauerstracht, auf dem schwarzhaarigen Haupt eine verrutschte, blonde Perücke. Sie bewegte sich nicht mehr, denn mehrere Schrapnelle hatten ihren Leib durchbohrt, und der Stoff des schlichten Kleides färbte sich langsam in einem tiefen Dunkelrot.
Er erstarrte, und all seine Gedanken mit ihm.
Mavey...
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