Evelyn wirft sich die grobe, robuste Robe aus Stoff und Leder über die sie zum Training ständig trägt. Das sich der bodenlange Rock ständig um ihre Beine wickelt und sie beim Rennen hindert ist ihr lange nicht mehr passiert, die Dozenten haben also doch Recht behalten. "
"Je unpraktischer eure Kleidung, desto mehr achtet ihr auch auf eure Umgebung! Und das ist wichtig! Warum?" streng hatte die Dekanin sie alle angeschaut, wirklich getraut hatte sich niemand auf die Frage zu antworten. Das es bei ihnen allen im Schädel ratterte, war offensichtlich. Doch die Vermutungen auch auszuprechen? Sicher nicht in Gegenwart der Professorin die so streng war wie sie ungeduldig sein konnte. Dummheit oder Faulheit wurden so hart bestraft das viele den Fehler die aufgetragenen Lektüren nicht zu lesen nur ein einziges Mal machten. Die junge Conliffe war es die zögerlich die Hand hob, irgendwie hatte sie das Gefühl von der Professorin noch härter beurteilt zu werden als alle anderen. Vielleicht weil ihre Mutter die Verwalterin der Universität war...? "Ja Conliffe?"
"Weil wir nur durch Aufmerksamkeit und Bedacht die richtige Magie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort einsetzen können?"
"Ist das eine Frage oder eine Antwort?!" beißend fällt der Tonfall der Dekanin Stevens aus.
Evelyn überlegt kurz ob sie schweigen soll, nickt dann aber. "Eine Antwort." Egal wie wütend und ungeduldig die Professorin auch sein mag, sie ist weitaus schlimmeres von den Leuten aus ihrem Heimatdorf gewöhnt.
"Das ist zumindest ein Teil der Antwort. Vor allem werden ihr so lernen..."
Die Erinnerung verklingt als Evelyn die Tür des Umkleideraums zuschlagen hört und die letzte Schnalle ihrer Robe verschließt. Weibliches Gelächter dringt an ihr Ohr und sie verzieht das Gesicht. Die schon wieder. Eine Gruppe junger Frauen kommt auf sie zu, alle in ihrem Alter und alle wohlhabender als sie. Bis vor ein paar Wochen hat sie noch auf dem Hof ihres Vaters gelebt. Bis zu dem Unfall. Bis ihre Mutter die sie bis dahin nur aus Erzählungen kannte sie zu sich holte um sie dann hier her zu stecken. Gehässig und zynisch ist der Tonfall der jungen Frauen die Evelyn abfällig mustern. Obwohl ihre Robe neu ist - hochwertig wie alle Kleidungsstücke die ihre Mutter ihr zur Verfügung stellt und so anders als die einfache Lederkleidung die sie sonst kennt - sieht jede einzelne der jungen Frauen sie mit Abscheu im Blick an. Als wäre sie ein schleimiges Getier und kein Mensch. Die Anführerin der kleinen Gruppe - Annabell - tritt ein wenig vor. Nur mit ihrem Hofstaat im Rücken sieht man sie überhaupt an der Universität. Blonde, lange Locken, himmelblaue Augen und ein hübsches Gesicht mit schmollenden Lippen wirkt sie wie ein Engel der Dwayna. Nur Evelyn weiß es besser, Annabell ist nicht nur biestig und hinterhältig, sondern auch falsch wie eine Schlange.
"Na Conliffchen? Hast dich wieder in deinen Kartoffelsack geworfen mh? Macht es auch nicht besser. Nur weil deine Mami dir hübsche Kleidung kauft heißt das nicht das man dir den Bauerntrampel nicht ansieht."
Evelyns Finger zucken leicht als sie die Beleidigung hört, ihr Gesicht bleibt jedoch ruhig wie eine Maske. Ein Trick den sie sich schon lange angeeignet hat.
"Was? Keine Reaktion?" Annabelle lacht hönisch und das Kichern ihres Hofstaates folgt.
Es ist als gäbe es vier Kopien von dem blonden Giftstück die ihr alles zeitversetzt nachmachen...
"Du bist genauso dämlich wie deine Mutter. Eisprinzessin, das ich nicht lache. Kein Wunder das dein Vater nur ein dämlicher Bauer ist, niemand anderes hätte diesen Eisklotz auch nur mit der Kneifzange angefasst. Hat er ihr einen Jutesack über den Kopf gezogen als sie dich gezeugt haben?" Annabelle wirft sich die blonden Locken zurück und schaut Evelyn von oben herab an. Wieder zeigt die conliffsche Bastardtochter keine Regung, nur ihre Finger zucken leicht.
"Pass auf was du sagst." lautet ihre ruhige, täuschend gleichgültige Antwort. "Wir sind nicht mehr im ersten Semester Annabelle und ich muss mir nicht mehr alles von dir gefallen lassen. Besser du erinnerst dich daran."
Wieder das Lachen, quietschend hoch wie Fingernägel auf einer Tafel. Evelyn hasst das Geräusch, vor allem aber das Gekicher das danach immer wieder folgt. "Bist du wirklich so dumm zu glauben, dass man für einen Bastard wie dich auch nur einen Finger krumm macht?" Aus Annabelles Mund klingt das Wort dreckig. Bastard. Als wäre sie selbst weniger wert nur durch die Umstände ihrer Geburt. Das sie selbst nichts dafür kann, scheint niemanden zu interessieren. Evelyn nimmt einen tiefen Atemzug und stößt ihn nur langsam wieder aus. Ruhig bleiben. Gleichgewicht... Du bist besser als das hier. Zumindest hält sie sich dies immer wieder vor Augen. Das was ihr Vater ihr immer wieder predigte. Das Annabelle ihrem erwählten Opfer gnadenlos weiter nachsetzt, hört Evelyn schon gar nicht mehr. Sie wendet sich herum zu ihrem Spind und schließt die kleine Tür ab, nimmt den Kampfstab in die Rechte mit dem sie heute üben soll. Das magisch behandelte Holz summt leise in ihren Fingern als sie es aufnimmt, dann stimmt sich das sanfte Pulsieren auf ihren Herzschlag ein. "Ich rede mit dir du wertloses Stück!" dringt dann Annabelles Stimme wieder an ihr Ohr. Kreischend, ungeduldig... undamenhaft.
Ignoriert werden mag sie wirklich gar nicht...
Sie wendet sich betont langsam herum und blinzelt einmal träge. "Und? Es ist nicht so als würde mich auch nur einen Moment lang interessieren was du sagst." Evelyns Stimme ist ruhig, gefasst, trocken. Sie ist selbst ein wenig stolz auf sich als sie sich zum Gehen wendet und aus der Umkleide hinaus tritt. Hinter ihr nur ungläubige Stille.
Vermutlich überlegt sie sich gerade einen Konter...
Gerade als sie durch den Türramen tritt, knirscht es hörbar hinter ihr und sie wendets ich einen Moment zu spät herum. Ein faustgroßer Erdbrocken hämmert in ihren Rücken, die Nierengegend hinein und wirft sie so vorneüber in den Dreck. Sand und Erde knirschen zwischen ihren Zähnen als Evelyn leise ächzt und sich herumzudrehen versucht. Die Schmerzen die aus ihrem Rücken abstrahlen sind jedoch zu heftig als das sie sich weiter bewegen könnte und so hört sie das langsame Pochen von Absätzen die sich auf sie zubewegen. Panik steigt in ihr auf, was ist wenn ihre Wirbelsäule gebrochen ist und sie sich gar nicht mehr bewegen können wird? Dann wäre ich wirklich so nutzlos wie sie alle sagen. NEIN! Steh auf. Niemals aufgeben.
Evelyn bringt ihre Hände nur langsam unter ihren Oberkörper und gräbt die Finger in die Erde hinein. Ein leises Knirschen ertönt als Annabells Schuhe schließlich neben ihrem Gesicht verharren. "Ich weiß wirklich nicht was du glaubst mit dem Spruch zu erreichen." ertönt die Stimme ihrer Peinigerin, untermalt vom lachenden Gezwitscher ihrer Entourage. "Offensichtlich ist es nötig, dass ich dich wieder zurück an den Platz trete an den du gehörst mh? In den STAUB." Annabelle hebt den rechten Fuß und tritt Evelyn ins Gesicht. Es knackt laut als ihre Nase bricht, Blut fließt heiß über ihr Gesicht hinab und sie schmeckt es kupfrig heiß auf ihrer Zunge. Genau wie ihre Nase bricht etwas im Geist der Rothaarigen . Sie schließt für einen Moment die Augen ehe sie sich kraftvoll vom Boden hochdrückt und die Erde mit genau dieser Bewegung unter Annabells Füßen zum Beben bringt. Mit einem panischen Aufschrei landet das blonde Gift im Dreck als Evelyn sich wieder auf die Füße kämpft. Mit dem Ärmel ihrer Robe wischt sie sich das Blut vom Gesicht und blickt auf Annabell hinab. "Plötzlich wirkst du gar nicht mehr so mutig." Evelyns Stimme klingt kalt, hart wie die ihrer Mutter... Und sie hebt die Hände ehe sie diese ruckartig gen Boden fahren lässt. Es hebt ihre Widersacherin von eben diesem und wirft sie mehrere Meter in die Luft bevor Evelyn sie mit einer kräftigen Windböhe erfasst und gegen die Wand schleudert. Ein dumpfer Aufschlag und Schrei folgt, doch die kalte Wut in ihren Gliedern hat noch nicht genug. Wie ein Biest das zum ersten Mal frische Luft schmeckt nachdem es zu lange im Käfig eingesperrt war folgt Evelyn Annabelle die sich gerade wieder erheben will. Nur ein Fingerschnippen reicht und der Boden unter ihr wird durch eine feste Eisschicht bedeckt. Nun werden die hohen Pfennigabsätze der Blonden zum Verhängnis, denn sie rutscht aus und schlägt wieder hart auf dem Boden auf.
"Und sonderlich stark bist du auch nicht." stellt Evelyn mit einem kalten Lächeln fest. Wieder greift sie nach ihrer Magie und lenkt sie erneut, die Erde knirscht und rumpelt als sie Annabelle bis zum Hals in dieser versinken lässt. Mit einer letzten kleinen Geste, als drücke sie die Erde wieder fest, lässt sie die Steine miteinander verschmelzen. "Na? Gemütlich du Miststück?" Evelyn wirft dem Hofstaat der während der ganzen Auseinandersetzung wie erstarrt zusah einen Seitenblick zu. "Buh!" macht sie leise und entfesselt ein wenig Windmagie die die Haare der Schnepfen durcheinander wirbelt und sie schreiend das Weite suchen lässt. Obwohl ihr Rücken schmerzt und sie sich kaum bewegen kann, geht sie vor Annabelle in die Hocke und tätschelt ihr den blonden Kopf. "Du und ich, wir treffen jetzt eine Vereinbarung. Du lässt mich in Frieden... oder ich benutze dich als meine neue Sparring-Partnerin. Einverstanden?" Die Haltung lässt Schmerzen durch Evelyns Körper jagen, die Muskeln in ihrem Rücken krampfen immer wieder schmerzhaft. Doch die kalt brennende Wut die in ihrem Körper tobt, verleiht ihr die nötige Kraft beherrscht und ruhig zu wirken. Nur noch ein bisschen.
Annabelles Gesicht ist Tränennass als sie nickt und Evelyn mit offensichtlicher Angst im Blick ansieht. "Sehr gut... Vielleicht kommt ja eine von deinen Freundinnen zurück und befreit dich. Mh?" Evelyn erhebt sich und beißt sich auf die Innenseite ihrer Wange als der Schmerz mit neuer Intensität durch ihren Körper zuckt. Sie wendet Annabelle den Rücken zu und geht betont beherrscht, langsam, als hätte sie alle Zeit der Welt aus der Umkleide und zurück auf ihr Zimmer.
Erst dort angekommen und mit verschlossener Tür erlaubt sie sich die Augen zu schließen und eine einzelne Träne zu vergießen. "Melandru, vergib mir." flüstert sie leise bevor sie sich wie eine alte Frau auf's Bett legt. Der Rücken schmerzt und doch kann sie nicht mehr tun als einen Arm über ihre Augen zu betten und lautlos zu weinen. Ich hasse es hier Papa... Ich vermisse dich so sehr. Ein leises Schluchzen schüttelt ihren Leib und sie dreht sich ächzend auf die Seite, ein Kissen in der Beuge ihres Körpers eingeklemmt und mit beiden Armen umklammert. 'Du darfst ich immer wehren' hast du gesagt Vater... Aber ich habe die Kontrolle verloren. Ich gehöre nicht hier hin... Ihr Vater war immer ein bedächtiger, ruhiger Mann gewesen. Ihr Ruhepol, der Fels in der Brandung der jede Träne weggewischt hat nachdem Evelyn zerschunden und zerschlagen nach Hause kam wenn die Kinder aus dem Dorf sie wieder gequält hatten. Das Mädchen ohne Mutter. Das was niemand wollte. Evelyn rollt sich bei den Erinnerungen noch fester zusammen und weint leise in das Kissen hinein. Ich fühle wie es mich auffrisst Vater... Die Kälte, das Monster... Warum bist du fort. Du hast mich allein gelassen! Wütend greift sie sich in den eigenen Haarschopf und zerrt an den rötlichen Strähnen bis der Schmerz sie erreicht und wieder atmen lässt. Ihre Wut war schon immer legendär gewesen. Das Temperament einer Rothaarigen. Aufbrausend. Wie ein Vulkan. Ihre Tränen wollen jedoch nicht versiegen als sie den Verlust ihres Vaters, ihrer Kindheit und ihrer Heimat gleichermaßen betrauert. Ich vermisse dich... Ich wünschte ich wäre mit dir gestorben Vater.
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