⍟ Briefe ohne Antwort ⍟

Charakter: ⍟ Nathan Heyroth ⍟


Fassungslos stand er vor dem kleinen Laden. Keine Stoffe, kein Kaffee, nein der Laden war voller Tee und Gewürze. Hatte einen anderen Namen und so wie der Mann hinterm Tresen aussah, auch einen anderen Besitzer. Unsicher sah er auf die Adresse in seiner Hand und wieder durch die Straßen. Die Adresse war richtig, aber jetzt wo er in Amnoon war, überkamen ihn die Zweifel wie Steinschläge. Der letzte Brief seines Vaters an ihn lag etwa Vier Jahre zurück. Aber es war die gleiche Adresse zu der auch Professor Krefeld, sein Hauslehrer immer geschrieben hatte.

Ein raues, stimmenschwaches Mauzen holte ihn aus seinen Gedanken. Korro stand vor ihm und starrte ihn an. Der Bernsteinfarbene Blick der Dreifarbigen Katze glitt zum Brief in Nathans Händen und dann zum Laden und zurück zum jungen Mann. Eigentlich hatte der Kater nicht ein Wort gesagt, aber Nathan auf die Idee gebracht, die er jetzt brauchte.

Kurzum klemmte sich Nathan das schmale Tier unter den Arm und suchte sich eine Ruhige Ecke. Er hatte nur Thrascias von seinen Plänen erzählt und war sich sicher, dass dieser niemandem davon erzählen würde. Also schrieb er einen der unzähligen Briefe, die er in den vergangenen Vier Jahren an seinen Vater geschrieben hat und hoffte, zu erfahren was mit ihnen passierte.

Schon am nächsten Tag konnte er neues in Erfahrung bringen. Der Brief landete im Laden. Aber entgegen seiner Vermutung, öffnete der Ladenbesitzer ihn nicht. Stattdessen gab er ihm einen kleinen Jungen und schickte diesen damit los.

“Folge ihm.”

Nathan war sich mehr als sicher, dass Koro seine Worte ganz genau verstanden hatte. Für den Kater war es auch viel einfacher dem Jungen zu folgen. Im Gegensatz zu Nathan, der in Amnoon mit seiner blassen Haut so sehr herausstach. So schlich das Tier auf lautlosen Pfoten durch die Straßen und immer weiter zum Stadtrand. Als er Nathan dazu holte, verließ der Junge gerade das Haus mit verbarrikadierten Fenstern. Bedacht und leise näherte sich der junge Mann dem Haus und lehnte sich neben einem der eingeschlagenen Fenster an die Wand. Drinnen waren drei Stimmen zu hören.

“Nein, nur der hier.”

Rau und Plump die Stimme, war der Mann durch die zerbrochene Scheibe nur als breiter Schemen zu sehen.

“Sicher das der den anderen Brief nicht hat mitgehen lassen oder verloren?”

Von einer einzelnen Kerze leicht erhellte, konnte man den kleinen schlanken Mann mit der schnellen Aussprache gerade so sehen.

“Ganz sicher.”

Die einzige Stimme, dessen Besitzer so weit im Schatten lag, das man nichts von ihm sehen konnte. Nur den Rauch der Zigarette, aber selbst das Glimmen konnte sein Gesicht nicht erhellen.

“Der kleine weiß, was gut für ihn ist und jetzt les den Brief vor.”

Zerreißendes Papier verriet, das sie den Brief jetzt erst öffneten. Es dauerte einen Moment, in dem die Kerze ihre Position wechselte, bevor wieder jemand etwas sagte.

“Heyroth... Er ist von seinem Bengel. Will das sein Vater für die Abschlussfeier seiner Ausbildung nach Hause kommt.”

Der Geruch nach Zigarettenrauch aus dem Haus wurde stärker.

“Hat Krefeld denn noch nichts geschrieben? Was wenn der Bengel Dummheiten macht?”

“Nein. Wird er nicht. Wenn er aufmüpfig wird, sorgt Krefeld schon dafür das alles beim Alten bleibt. Er hätte sich schon gemeldet, wenn etwas schief gegangen wäre. Heyroths Junge ist ein Naivling und Angsthase. Ein introvertierter und eingeschüchterter Halbstarker. Der macht keine Dummheiten.”

Eine kurze Pause trat ein, in dem jeder schwieg. Für einen Moment hatte Nathan das Gefühl erwischt worden zu sein, aber das war ihm egal. Was er bisher gehört hatte war genug gewesen um zu verstehen, das etwas mehr als nicht stimmte.

“Und was tun wir jetzt?”

“Wenn wir von Krefeld etwas hören, schreiben wir einen entsprechenden Brief und sein Vater wird den Brief seines Sohnes ignorieren. Wie immer. Irgendwann gibt der Bengel schon auf.”

Für einen kurzen Moment schloss Nathan die Augen. Er fühlte sich Verraten und Verkauft, Dumm und Naive. Schämte sich dafür, dass er nicht viel früher nach seinem Vater gesucht hatte. Wütend auf sich selber, schnappte er sich Koro und ging zurück zum Hafen, zum Rat und reihte sich mit den Bewohnern in die Schlange ein.

Sein Vater war hier. Es galt nur ihn zu finden oder herauszufinden was passiert war.