⍟ Heimatlos ⍟

Charakter: ⍟ Nathan Heyroth ⍟


Löwenstein.

Der erste Schritt zurück zur Heimat.

Als das Schiff anlegte, konnte es Nathan kaum erwarten von Board zu kommen. Er hatte schon seit Nächten nicht mehr geschlafen. Koro war in seinen Armen eingeschlafen und nicht wieder aufgewacht. Man hatte ihm eine kleine Holzkiste gegeben, damit er zumindest nicht mehr mit dem toten Tier im Arm zu sehen war. Aber selbst die Kiste wollte er nicht mehr aus den Händen geben. Seine Hoffnung, dass er beweisen könnte das Koro kein Kater, sondern sein bester Freund aus Kindertagen war, zerschlug sich damit. Damals hatte man ihm schon nicht geglaubt und jetzt, Sieben Jahre später würde man es erstrecht nicht.

Der einzige Grund, warum er die Kiste tatsächlich in seinen Rucksack steckte, war um den Fragen aus dem Weg zu gehen und vor allem sich nicht dafür rechtfertigen zu müssen. Viel hatte er ohnehin nicht mitgenommen, der halbe Rucksack war leer. Die Planken zum Dock runter wippten mit jedem Schritt unter seinen Füßen mit. Im Hafen angekommen sah er sich um, es war ihm vertraut und fremd zugleich.

“Hey kleiner!”

Nathan dreht sich nur um, weil ihm die Stimme bekannt war. Es war der Söldner, auf den er einschlagen sollte. Mit einem Rucksack in der einen Hand, winkte er ihn mit der anderen zu sich ran. Unsicher was er davon halten sollte, ging er auf ihn zu.

“Brauchst du wohl mehr als ich. Außerdem bin langsam zu breit dafür.”

Ohne eine weitere Erklärung drückte der breitschultrige Mann ihm den Rucksack in die Hände. Ein letzter Wink und der Mann ging zu seinen Kammeraden. Der Rucksack war schwer und etwas unhandlich für Nathans schmale Arme. Schaute aber nicht hinein, stattdessen schulterte er den viel schwereren Rucksack und ging mit seinem im Arm zu den Portalen.

Zurück im Rurik-Viertel musste er allen Mut zusammennehmen um überhaupt den Haustürschlüssel herauszuholen. Er war so aufgewühlt, dass er den Schlüssel kaum benutzen konnte, bis dann die Tür aufging. Zu seiner Überraschung war es aber nicht Professor Krefeld, der ihm die Tür öffnete. Sondern ein ihm völlig fremder Mann.

“Also für einen Einbrecher stellst du dich gerade echt dämlich an.”

Der Mann war erbost, aber wohl mehr genervt.

“E-E-Einbrecher? Aber... Ich b-b-bin kein Einbrecher! Ich w-w-wohne hier!”

Sein Protest klang mehr wie der eines Kindes nach einem Kuchendiebstahl und er hatte das Gefühl nach Krümel am Mund zu haben. Bevor der Mann aber etwas sagen konnte, kam eine Frau zur Tür. Nathan kannte auch sie nicht. Aber sie sah ihn beim zweiten Hinsehen auf einmal fast erschrocken an.

“Schatz warte, das ist der junge Mann vom Portrait.”

Verwirrt sahen beide Männer zu ihr. Wohl aber aus verschiedenen Gründen.

“Junge, wie heißt du?”

Im ersten Moment zögerte Nathan noch. Aber im Gegensatz zum Mann, war die Frau fast schon besorgt.

“M-M-Mein Name ist... Nathan Heyroth.”

“Dann bist du also der verschollene Sohn, verstehe.”

Nathan sah von ihm zu ihr und wieder zurück. Er verstand die Welt nicht mehr und fragte sich nur noch, was bei den Sechsen in seiner Abwesenheit passiert war.

“Schatz bitte... Nathan, ich glaube du solltest lieber reinkommen. Ich denke wir sollten da etwas erklären.”

Im Gegensatz zum Mann war sie wirklich verständnisvoller und Nathan war ihr umso mehr Dankbar, dass sie gewillt war die Sache aufzuklären. Sie bat ihren Mann und ihn in die Küche und wollte Nathan gerade den Weg erklären, da ging er schon zielsicher los. Vielleicht eines der ersten Anzeichen dafür, das Nathan nicht gelogen hatte. Dabei viel ihm der kleine Wäschestapel neben dem Ofen auf. Kindersocken. Kaum war ihm in den Sinn gekommen, was das zu bedeuten hatte, hörte er schon Kinderstimmen aus einem der hinteren Zimmer. Während sie sich um die kleinen kümmerte, setzte sich der Mann zu ihm an den Tisch.

“Wie meine Frau gerade ja schon sagte, kennen wir Euch nur von einem Bild, das wir bei der Besichtigung des Hauses gesehen hatten und nach dem Kauf im Keller wiederfanden.”

“A-A-Aber warum ist d-d-das Haus... verkauft? Wie konnte... was i-i-ist... Wer?”

Er wusste nicht mal wo er mit den Fragen anfangen sollte und stammelte stotternd vor sich hin. Der Mann druckste etwas herum, bevor er eine knappe Antwort gab.

“Euer Vater.”

Kopfschüttelt kniff Nathan die Augen zu.

“Mein Vater i-i-ist seit v-v-vier Jahren Tod!”

Im selben Moment in dem die Worte fielen, kam seine Frau zurück und hielt ein Gemälde in den Händen. Eine junge Frau mit langen, Kastanien-roten Locken. Sie war in edlem dunklem Grün gekleidet und hielt ein schlafendes Kind im Arm.

“Das seid Ihr mit Eurer Mutter, oder?”

Das einzige Bild das Nathan und seine Mutter zeigte. Das Einzige was ihm noch von ihr geblieben war. Ein Kind so zu erkennen, das schafft nur eine Mutter, dachte er.

“Wir hatten schon vermutet das etwas nicht stimmen konnte, nachdem wir die persönlichen Sachen im Keller gefunden haben.”

“Und die Sachen im Kinderzimmer nicht zu einem Neugeborenen passten.”

Haareraufend sah sich Nathan in der Küche um. Er hatte fast sein ganzes Leben dort verbracht und jetzt schien es, als wäre er in einem völlig anderen Haus.

“Was ist... passiert? W-W-Was geschieht hier ei-ei-eigentlich gerade?”

Dem Paar war anzusehen, das sie selber auch mit der Situation überfordert waren. Nathan standen die Tränen im Gesicht. Seine bis vor einer Weile noch langweilige, aber heile Welt war zu einem Trümmerhaufen zusammengebrochen.

Mit vorsichtigen aber klaren Worten, erzählten sie Nathan was passiert war.

Im Gegenzug erklärte ihnen Nathan, warum er weg war.

Der Beschreibung des Paares nach, gab es für ihn kein Zweifel daran, dass sich Professor Krefeld als sein Vater ausgab. Das Paar betrogen und Nathan um sein Heim gebracht hatte.

“N-N-Nein ich kann... keine Familie a-a-aus dem Haus werfen... E-E-Es wäre jetzt... so oder so... z-zu groß für m-m-mich alleine.”

”Das ist großzügig von Euch, aber damit seid Ihr Obdachlos.”

Besorgt sah sich das Paar an. Sicher hatten sie ebenso Angst das neue Heim zu verlieren. Aber Nathan meinte das ernst. Er brachte es nicht übers Herz, die Familie auf die Straße zu setzen.

“I-I-ich finde schon... e-e-etwas. K-K-könnte ich um... einen letzten Gefallen b-b-bitten?”

Beide nickten, so ging die Mutter mit ihm in sein altes Zimmer. Jetzt war es das Zimmer des Sohnes, der mit einem Nachbarkind spielte. Die beiden Jungs waren nicht älter als Koro und er, als sie Freunde wurden. Er lächelte den beiden etwas unglücklich entgegen und ging zur hinteren rechten Ecke des Zimmers. Entfernte die Zierleiste und zog eine kleine alte Zigarrenschachte heraus. Er nahm nur eine einzige Murmel aus der Schachtel, schwarz mit Punkten wie der Sternenhimmel, ihr kleines Universum. Die Schachtel gab er dann an die beiden Jungs weiter und sagte, dass sie gut darauf aufpassen sollten.

Verabschiedete sich aber schon wieder und versuchte im Salma unterzukommen. Jetzt war er so wie er sich fühlte, Heimatlos.

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