Faustschläge wurden ausgetauscht. Blocks eingesetzt, um die Hiebe abzubremsen. Da ein Treffer, der aufs Nasenbein ging. Der nächste, welcher in die Seite gerammt wurde. Ein Knie gerade hoch in den Bauch, was dem Gegner einer schmerzerfülltes Stöhnen entweichen liess. Doch das kurze Zusammensinken des grünfaserien Sylvaris währte nicht von langer Dauer. Schnaufend wie ein wütender Siamoth kurz dem Angriff, wankte der Grüne zurück und hoch wieder in Kampfposition. Doch zu langsam für eine gewisse braune Riesin, welcher ihn knapp zwei Köpfen überragte. Ihr hainbekannter linker Haken holte ihn schlussendlich auf den Boden der Tatsachen und löschten ihm kurzerhand die Lichter aus. Niemand legte sich einfach so mit der Eichenriesin höchstpersönlich in einem Kampf an, ohne der Schwächere zu sein. Helyanwè erhob sich zu ihrer vollen Grösse von über zwei Metern, als sie anfing, die Umgebung wieder wahrzunehmen. Dabei spürte sie die kühle Hand auf ihrer Schulter. Sie wandte das blättrige Gesicht herum und sah in zwei genervt blickende Saphire hinein.
Oh, oh… Da hatte sie es wohl übertrieben… Ihr siegreich loderndes Feuer innerhalb ihrer Aura stürzte augenblicklich ineinander ein, als ein kalter Regenschauer der Erkenntnis es löschte. Das Gesicht wandte sich schuldbewusst zu ihrem Gegner herab, welcher ordentlich zusammengefaltet da lag. Goldenes Harz strömte aus der Nase und alles in allem trug er mehrere Verletzungen davon. Hier eine Delle auf der rechten Körperseite, da einige Kratzer, des Weiteren noch ein abgerissenen Blatt der Kleidung. „Da hast du ja mal ordentliche Leistung gezeigt, Helyanwè.“ Die tiefe Stimme ihres Mentors neben ihr liessen ihr erstauntes Gesicht herumschnellen und verdutzt starrte sie ihn an. Ihr Mentor dagegen ging neben dem verletzten Sprössling in die Hocke und begutachtete die Schäden, die sie mit ihren kraftvollen Schlägen angerichtet hatte. Er nickte: „Jap… Ganze Arbeit geleistet diesen armen Sprössling zu verprügeln.“ Das Lob hinterliess ein nervös-fröhliches Flackern in ihrer Aura. Die Eichenriesin rechnete mit vielem, aber nicht mit einem Lob, nachdem sie jemandem zum wiederholten Male bewusstlos geprügelt hatte. Das klang ziemlich absurd in ihren Ohr-Fortsätzen. So beobachteten die wintergrünen Seelenspiegel aufmerksam die Handlungen ihres Mentors. Jener prüfte gerade, ob der Grüne überhaupt noch atmete. Es könnte ja möglich sein…
Aber er schüttelte den Kopf, um seine eigene Theorie zu überdenken. Sie würde das schon nicht so hinkriegen. „Er lebt noch. Der Baummutter sei Dank.“ Ein schweres Seufzen entwich Helyanwè selbst, die gar nicht bemerkte, dass sie den Atem angehalten hatte. Sie hob ihre Arme und streckte sich, begleitend von einem Knirschen und Knacken in ihren hölzernen Gelenken. Erst jetzt bemerkte sie ihre eigenen Blessuren und den Schmerz an einigen Stellen. Sie besah sich ihren eigenen Körper an, doch das meiste wirkte heil. Saphire betrachteten nun den eichenbraunen Körper, als ihr Mentor wieder in die Senkrechte hochkam. „Dich scheint es dagegen weniger schwer getroffen zu haben. Aber das liegt an deiner Borkenhaut. Sie ist eine gute Schutzpanzerung.“ Nun seufzte er allerdings schwer. „Er muss dringend geheilt werden. Allerdings wird das deine Strafe sein. Du hast ihn vermöbelt, nun musst du ihn auch wieder zusammenflicken. Verstanden?“ Der Tonfall des Mentors war nun hart wie ein Stein und genauso standfest in seiner Meinung. Sie sollte ihn heilen? Seufzend ergab sie sich ihrem Schicksal. Sie trainierte nun schon seit einigen Wochen das Heilen in unterschiedlichen Magieformen. Im Moment trainierte sie mit Naturmagie. Wenn es nach ihr ginge, befände sie sich noch lang nicht auf der Stufe, um einen durchaus schwerverletzten Sylvari zu heilen, wie den Grünling vor ihr am Boden. „Seid-… seid Ihr sicher, Mentor Arees? Ich glaube nicht, dass ich in Naturmagie so weit bin, um jemandem wie ihn zu heilen…“ Die saphirenen Seelenspiegel betrachteten seinen Sprössling auffordernd, die Blätterbraue erhoben. „Du hast ihm wehgetan, also heilst du ihn auch. Sieh es als Zwangstraining an, das dir aufgebrummt wird. Ausserdem…“, klopfte er ihr auf die Schulter, „bist du nicht allein, um ihn zu heilen. Wir bringen ihn zu den Heilern.“ Damit hob er den Sprössling auf seine Arme und trug ihn in Richtung der Heilerkapsel, ganz in der Nähe der Wurzelstiegen. Der aufgeregte Pulk, welcher sich um beide Kämpfenden gebildet hatte, begann sich nach dem Wegtragen des Verlierers langsam aufzulösen. Ein Spektakel war es immer, wenn sich jemand mit der Eichenriesin anlegen wollte. Doch die Kämpfe hielten nicht lange und bisher war die Riesin stets die Gewinnerin aus jenen Auseinandersetzungen herausgekommen.
Helyanwè indes hielt ihrem Mentor soeben den Blattvorhang zur Seite, damit er den Verletzten ins Innere der Kapsel tragen konnte. Eine Heilerin kam ihm entgegen. Ein ungewohntes Bild waren die beiden ja nicht gerade an ihrem Arbeitsort. „Wieder jemand Neues?“, nickte sie zum getragenen Körper in den Händen des kleineren Sylvaris. Dieser nickte zurück. Die violettnachtblaue Heilerin wies mit einem Handwink auf eine freies Bett im tieferen Innern, Arees folgte der schweigsamen Aufforderung. Bernstein-Augen betrachteten wie schon der Mentor davor die Verletzungen des Sprösslings, als ihre ruhige Stimme erklang, nachhakend: „Was war es dieses Mal, Helyanwè? Hat dich der Sprössling beleidigt oder womit er dies verdient?“ Die Eichenriesin zuckte zusammen, als sie angesprochen wurde. Sie stand die ganze Zeit ein wenig verloren vor dem Bett. Wusste nicht, ob etwas sagen sinnvoll erschien oder ob sie abwarten sollte, bis Arees von ihrer Strafe erzählte. Die Alt-Stimme wurde ihrer üblichen Lautstärke beraubt, nur leise und beschämt druckste die Riesin herum, nicht willentlich auf den Liegenden zu sehen. „Ich… Er… Er hat mich ein Springkraut genannt, dass wieder getadelt wurde, wie ein kleiner Sprössling, der nichts draufhat… Er-… meinte, der Hof sollte mich kriegen. Vielleicht sei ja ein versteckter Höfling… Also hab ich ihm eine reingehauen. Da hat er zurückgeschlagen und so weiter.“ Brummend zog ihr Mentor die smaragdgrünen Blätterbrauen zusammen. Auch die Heilerin wandte nun den Blick vom grünen Sprössling ab. Mitgefühl sendeten ihre Bernstein-Augen aus. Wer mochte es schon, als Höfling bezeichnet zu werden.
„Wie sieht’s aus, Nairne? Könnte Helyanwè mit dir diesen Sprössling heilen per Naturmagie?“ Die Bassstimme unterbrach den Blickkontakt mit jenen Fragen. Die Heilerin nickte, begleitet von einem leisen Rascheln ihrem pampelmuse-orangenen Blätterhaar. „Dies sollte möglich sein. Seine Verletzungen sind zwar durchaus stark, aber nicht sonderlich schwerwiegend. Ein Nasenbruch, mehrere Schürfungen und Dellen. Nichts, was eine angehende, sowie eine ausgebildete Heilerin zu zweit nicht packen könnten.“ Ein feines, aufmunterndes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht der Violettnachtblauen aus. Die Aufmunterung in ihren Worten brachte das Gesicht sowie die Aura der Sprösslingsdame zum hoffnungsvollen Aufflackern. Helyanwè setzte sich in Bewegung und nahm sich einen Blumenhocker, um ihn neben Nairne hinzustellen. Darauf Platz genommen, wandte sie sich an die ältere Heilerin. Wintergrüne Seelenspiegel schauten aufmerksam zu jener hin, als ihre eigene Stimme zu alter Stärke fand. Fest fragte sie: „Was genau muss ich tun, um die Wunden zu verschliessen?“ Nairne lächelte und wies die angehende Heilerin an, ihre Hand auf den Bauch des Verletzten zu legen. „Schliesse die Augen und stelle dir die direkte Verbindung zum Knoten auf der anderen Seite des Körpers vor.“ Gesagt, getan.
Wintergrüne Augen schlossen sich und in ihrem Innern stellte sie sich den Hauptknoten des Sylvari vor. Mit ihm die ganzen Stränge, die durch den grünen Körper verliefen. „Nun gib deine eigene Magie hinzu. Du kannst sie dir als grünen Fluss vorstellen, den du leiten kannst. Verlass dich auf die Führung des Körpers. Bitte ihn innerlich, dich zu den verletzten Stellen zu begleiten.“ Die Eichenriesin spürte eine Berührung auf ihrer Hand, als sich eine weitere dazugesellte, welche sich auf ihre legte. „Ich werde mit dir, deine Sicht teilen, damit ich begleiten kann, was du machst“, sprach es leise neben ihr. Die Energiestränge brachten die Riesin schnell zur ersten und für den Körper wohl wichtigsten Punkt: Das noch blutende Nasenbein. „Nun… Du siehst einige Fasern, die gebrochen und zerrissen sind. Verwende deine Magie, um ihre Enden miteinander zu verbinden.“ Anleitend erklang die Stimme ein weiteres Mal. Angestrengt versuchte dagegen Helyanwè der Anweisung zu folgen. Sie richtete ihre Magie darauf, dass die Fasern der Nase langsam, aber stetig in die gewünschte Richtung zusammenwuchsen. Es dauerte. Knirschend schoben sich von aussen feine Rankenstränge und Fasern zueinander. Verbanden sich in ihren äussersten Spitzen. Die Eichenriesin zischte, als sie durch die Naturmagie Zugriff auf die Aura bekam. Der Schmerz des Sprösslings, der zwar immer noch bewusstlos auf dem Krankenbett lag, aber sich doch tiefer in sein Bewusstsein frass, wie Würmer in den Kopf.
Der himbeerrote Mentor betrachtete die beiden Heilerinnen bei ihrer Arbeit. Mit verschränkten Armen wanderten seine Saphire über ihre Tätigkeit. Beeindruckt von der Ausdauer seines Sprösslings, begutachtete er ihr Werk. „Hier kannst du nichts mehr weiter tun für nun. Die Fasern brauchen ihre Zeit zum Wachsen. Du gabst ihnen nur den Anstoss und die Richtung vor.“ So wendete sich Helyanwè an einen neuen Punkt. Fand die Dellen und begann auch diese unter dem Aura-übertragenden Schmerz die Heilung anzustossen. Kleinere Blessuren liessen sich leichter beheben, die sanften Fasern seiner grünen Haut begannen schneller zu wachsen. Während sie an anderen Stellen, wo die Verletzungen tiefer oder gar in ihrem Durchmesser grösser waren, mehr Zeit und Kraft in Anspruch nahmen. Wieder und wieder lenkte die Riesin Naturmagie in den Körper des verletzten Sprösslings, tat ihr Bestes, indes sie unterstützt wurde von Nairne. Diese wiederum leitete mit sanften Worten die junge Schülerin an, stoppte dort, wo sie wusste, dass es keinen Sinn mehr besass, und gab da einen Ansporn, wo es noch lohnte. Gleichwohl wusste sie, welche Anstrengung die Schülerin auf sich nahm und welchen Sinn sie besass. Es war vom Traum für die Eichenriesin vorhergesehen. Da ist jede Übungseinheit nützlich, mehr mit der Anstrengung umgehen zu lernen, die aufkam, wenn ein Heiler mittels Elementar- oder Naturmagie andere Sylvari heilte.
Nach einiger Zeit lösten sich die Hände der Braunen und der Violettnachtblauen vom Bauch des Grünlings. Helyanwè stützte sich am Bett ab, als sie schwer atmend ihre wintergrünen Seelenspiegel öffnete. Sie war müde. So unendlich müde… Es war erst einige Wochen her, als man bei ihr die Affinität zur Naturmagie und zur Wassermagie herausfand. Bisher hatte sie auch noch keinen ihrer Opfer oder Gegner heilen müssen. Sie wollte es auch nicht mehr. Es war… schmerzhaft durch seine Aura seine Schmerzen zu spüren. „Wann immer du dich von nun an prügelst oder jemand anderen verletzt, wirst du diesen Sylvari heilen.“ Hart klangen die bassigen Worte an ihre Ohr-Fortsätze. Liess ihr Gesicht herumschnellen, was nur dazu führte, dass sie sich erneut am Bettrand festhalten musste, da es ihr in diesem Moment schwindelte. Erschrocken blickte sie ihn an. Das konnte er nicht von ihr verlangen? Oder?! Ein Frosthauch bliess durch ihre Aura, als sie erstarrt in seine unnachgiebigen Saphire blickte. „Verstanden?“ Wieder die harte, tadelnde Stimme ihres Mentors, dessen Blick unentwegt auf ihr ruhte. Die Heilerin neben ihr betrachtete derweil ihren Patienten und machte keinerlei Anstalten, irgendetwas zu insistieren. Kein Argument, kein Einwurf, keine Gnade. Kein Rückhalt… Träge, als erwachte sie aus dem festgefrorenen Zustand, nickte sie zögernd. Sie wusste, dass sie von nun an keinen Sprösslingsschutz bekam. So viele Verletzte, wie sie zu verantworten hatte, war es nur ein logisch-nachvollziehbarer Schritt, dass sie dies in ihrer Heilerausbildung auch heilte. Sie würde sich an diesen Zustand gewöhnen müssen. Zwangsweise selbstverschuldet. Leise, aber in ihrer üblichen Festigkeit antwortete sie ihrem Mentor: „Ich habe verstanden.“