Viele Kleinigkeiten ihrer Erscheinung störten heute das Gesamtbild was Maya sonst der Außenwelt präsentierte: Ob es die lederne Reisetasche war? Oder das mit Rüschchen besetzte, violette Kleid, zu dem sie ein wuchtiges Ledermieder trug? Letzteres war so eng geschnürt, dass ihre Mitte bedenklich schmal wirkte. Vielleicht war es aber auch einfach der recht leere Blick in ihrem Gesicht, wenn sie fröhliche Spaziergänger traf und den Höflichkeitsgruß matt erwiderte. Nicht eine einzelne Strähne lugte aus dem streng geflochtenen Zopf hervor. An dem Haus angekommen, blickte sie hinauf zu der Laterne und verharrte am Treppenaufgang. Die Stiefmütterchen in den Blumenkästen ließen sie lautlos schmunzeln. Eine Gesichtsregung, die auf sich hatte warten lassen, denn prompt riss eine kleine Stelle an ihrer Unterlippe. Ein Schmerz, der normalerweise den Drang löst, seine Lippen mit Speichel zu benetzen. Maya ignorierte den leichten Schmerz allerdings und stieg die Treppe hinauf. Blind griffen die Finger nach dem Seil und zogen ein paar Mal daran. Im ersten Augenblick gab es wenig Gründe, sich willkommen zu fühlen, im Gegenteil. Eine Etage höher drang aus einem geöffneten Fenster der nicht unbedingt zärtliche Klang einer unmenschlichen Stimme. "Raah! Hurensohn! Hurensohn!" Ein Vogel, irgendeine Papageienart noch dazu. Nach der unrühmlichen Begrüßung verstummte das Vieh allerdings, es folgten dumpfe Schritte über Holzstufen und schließlich öffnete sich die Flügeltür zu beiden Seiten. Die Türhälften zogen sich in den unnötig pompösen Türrahmen zurück. Maya schwoll eine Mischung aus Weihrauch und einer schwierig zu definierenden, süßen Note, die man auch einfach für aufgelösten Zucker halten könnte, entgegen. Aus einer dämmrigen Umgebung, in der nur Kerzen das Innere erhellten, denn alle Fenster waren mit Läden und zusätzlichen Vorhängen verschlossen, stand die blasse Gestalt mit der dunklen Brille und rümpfte einen Augenblick die Nase, als er sich der Helligkeit der Außenwelt konfrontiert sah. An den Schemen erkannte sie Jack, der hingegen brauchte ein paar Sekunden, um sich zumindest auf die Abendsonne einzustellen. Der Mann hat sich seit ihrem letzten Treffen nicht verändert. Nach wie vor hang er sehr an der getönten Brille mit dem dünnen Elfenbeingestell, er trug einen gepflegten und gestutzten Bart und eine ausgefallene Frisur. Die Haare zeigten sich im blassen Lila und die Seiten waren großzügig ausrasiert. Beidseitig hat er sich gar Muster in den dunklen Wuchs schneiden lassen, rechtsseitig ein Pentagramm und linksseitig einen Chaosstern. Die ärmellose Weste enthüllte Teile der merkwürdigen Vergangenheit. Lange, ineinander verwobene Tätowierungen, die allesamt arkan-okkulte Hieroglyphen in einem endlosen Muster bis zu den Handgelenken darstellen. Zwischendrin werden die Linien einzig und allein durch krumme Narben zerschnitten, von denen so manche auf dem Unterarm verdächtig nach eigenem Werk in Kombination mit einer Rasierklinge aussehen. Kurz, zahlreich, blass. Eine Kippe pflückte er zwischen den Lippenbögen hervor.
"Haha! Hah, warte. Die Schnitterin, die Henkerin, die Knochentänzerin. Das bist du, Maya? Oder?" Er ließ sie nicht sofort eintreten, sein rechtsseitig flüchtiges Anlehnen an den Türrahmen signalisierte ein klein wenig Skepsis.
"Ja, diese eine. Schnitterin, Henkerin und die es mit dem Blutunhold trieb." Vielleicht grenzte letzteres an eine Beleidigung, aber sie meinte damit wohl den Hausherren selbst.
Momente verstrichen, er rollte sein Rauchwerk einfach nur zwischen zwei Fingern entlang, ehe er die nicht mal zur Hälfte konsumierte Kippe knapp vor eins der Blumenbeete schnippte. "Du hast geschrien wie eine Harpyie in Paarungswut." Jack grinste dreckig und ziemlich offensiv angetan auf. Wohlklingendes und tiefes Schnurren einer warmen Stimme, die weich und geschmeidig über die Töne leckte, erinnerte noch wenig ausschweifend an gemeinsam verbrachte Abende. Doch zuletzt legte er den Kopf gespielt besorgt schief. '"Was bei Dhuums Abscheulichkeiten treibt dich ausgerechnet zu mir?"
"Da ist noch Platz auf meiner Haut und..“ Ihre Stimme brach ab und störte die mühevoll gespielte Zwanglosigkeit und Lässigkeit. "Du bist der Einzige in der Stadt bei dem mich niemand vermutet. Niemand würde hier nach mir suchen. Ich brauche ein paar Stunden Zerstreuung, die nur du mir gerade geben kannst." Sie beide wussten was sie von ihm wollte. "Ein neues Hautbild - schlägst du doch wohl nicht aus, oder? Ich kann dieses Mal wenigstens gleich zahlen." Die freie Hand griff nach dem Klunker um ihren Hals und riss ihn ab: Die Illusion, die ihre Hautbilder sonst versteckte, löste sich nicht sofort, aber ein paar dunkle Schatten waren schon nach ein paar Wimpernschlägen auf ihrer blassen Haut zu sehen – der Schnitter fand wieder seinen Platz auf ihrem Schenkel. Dagegen konnte er im ersten Moment nichts sagen. Möglicherweise fand Maya Trost in dem kleinen und inspirierten Schmunzeln, das Besitz von Jacks Lippen ergreift. Ein Kosmos breitete sich hinter den Brillengläsern aus. Ein gewalttätiger Urknall.
"Nicht einmal ich würde dich bei mir vermuten! Es ist verdammte Ewigkeiten her, die Planeten haben sich bestimmt zehn Mal vollkommen verschoben. Verdammte Scheiße." Der Ausbruch wirkte im ersten Moment so, als hätte er etwas einzuwenden. Als er final und endlich das eigens gestochene Hautbild unter dem unechten Schleier hervortauchen sah, reichte er Maya die rechte Hand entgegen. Noch war sie nicht direkt in seiner Domäne, noch tauchte die Hand ihr entgegen wie das ausbrechende Bild des Dämons im Schlafzimmerspiegel.
"Lass die Bezahlung einfach mal eine Sorge sein, die gerade gar nicht wichtig ist. Amalek, Balach.. Wer hat dich so eklig glattgeschliffen? Wo treibst du dich rum? Eine Frau wie du gehört in irgendwelche ketzerischen Kulte, um die Weltordnung zu sprengen. Hexe.“ Aus anderem Munde wäre das ein spöttischer Ausruf gewesen, um ihr magisches Handwerk und noch dazu ihr ganzes Wesen abzuwerten. "Komm, komm rein. Bei mir wirst du deine Zerstreuung bekommen, dein Hautbild und vor allem eine gründliche Säuberung. Ich spüre so viele unsichtbare Krallen in deinem Fleisch. Nicht einmal Blut fließt, unterdrückte Hingabe, ein Korsett wie ein Henkersknoten..."
Selbst für die sonst vorherrschende Theatralik ihres Wesens fehlte der Brünetten der Antrieb, stattdessen legte sie den Kopf kurz in den Nacken, gönnte sich einen kurzen, letzten Blick auf den sich färbenden Abendhimmel und hob dann die trägen Finger hinauf, um die Hand des alten Freundes zu ergreifen. "Die Sterne standen in den letzten Wochen einfach etwas ungünstig für mich. Ich hoffe, dass ich den Abend hier bereuen werde.“
In genau dem Moment als ihre samtige Haut auf seine Künstlerhand traf, erlebten Jacks Mundwinkel einen neuen Morgen. Er hob sie entzückt an, krümmte die Finger, griff als gleich mit etwas zu dick aufgetragener Etikette nach ihrer Hand und schmeichelte damit zur gleichen Zeit, in der er parodierte. "Nicht nur für dich. Wenn du aber nach deinem Besuch hier bei mir wieder aufwachst, wirst du dich ohnehin fragen, wie viele Sternenhimmel du verpasst hast." Es war seine grässliche Vorfreude darauf, zu verderben. Chaos zu stiften, zu 'säubern'. Eine Säuberung der Ordnung, vom Anstand. "Ich mag das." Was er damit genau meinte, blieb in dem Augenblick noch offen, in dem Jack Maya rückwärts ins Innere führte.
Das Innere des Erdgeschoss war typisch für jemanden wie ihn. -Ordentlichkeit- kennt er nicht wirklich, nahe der Tür hing eine Garderobenstange, an der bunte Kleidung Platz hatte. Schuhe standen nicht in Paaren, sondern durchmischt, an einer der Wände hängt ein schiefes Landschaftsgemälde von den Feldern Ascalons. Überall standen Kerzen verteilt, dabei besaß nur die Hälfte einen Kerzenhalter, die andere hat bereits tiefe Wachsnasen auf verschiedenen Möbeln gezogen. Auf einer der Kerzen war eine gehörnte Fratze mit ausgestreckter, spitzer Zunge mit schwarzem Wachs zur Zierde angebracht. In dem recht geräumigen Eingangsbereich, Maya musste nur aufpassen, nicht hier und da auf ein Buch zu treten, das achtlos auf dem Boden herum lag, hatte er sich ihr erstmal zugewandt, innegehalten und sie im schummrigen Licht gemustert.
"Mhhhmmhh, diese fein geschnittenen Züge, dieses verflucht reizende Gesicht. Natürlich standen die Sterne nicht gut für dich. Neben deiner Wirkung müssen sie kleine Glühwürmchen sein. Verdammt.“
"Ich mag die Kerze mit der gehörnten Fratze dort." erwiderte sie auf das vermeintliche Kompliment.
"Ein Nebeldämon. Schon mal einen getroffen?" Die Stimme behielt ihren klaren und reibenden Charme, aber Nuance eingekehrter Düsternis manifestierte schon allein wegen der Kraft auf seinen Kiefern, die Schwierigkeiten damit haben sich gerade zu trennen. "Schau sie dir aus der Nähe an. Ich mache uns was Trinkbares und dann erzählst du mir, welches Motiv du haben willst. Und wo. Aber enttäusch mich nicht, sonst werde meinen eigenen Aufschlag auf den Preis drücken."
"Nein." seufzte sie. "Ich habe lediglich an ein paar Versuchen rund um einen Nebeldämon mitgewirkt. Ist schon eine Weile her - im Laborkittel und mit Schutzbrille auf der Nase." Letzteres murmelte sie vermutlich nur damit er nicht dachte, dass sie versucht hätte, welche zu beschwören. Sie trat an die dunkle Kerze und fuhr mit den Fingern über die geschnitzte Fratze. Statt jedoch das Ding aus nächster Nähe zu betrachten, folgte ihr Blick nun der Erscheinung des Gastgebers. "Mhmm. Abgesehen vom Pestsiegel wären da noch ein paar Kleinigkeiten. - Ich habe neulich von einem Heuschreckenschwarm geträumt."
"Wie langweilig." Der Dämon hätte beschworen werden müssen. " Ich habe einen beschworen. Er stand dort, wo du jetzt stehst. Ich glaube er hat die Barriere zwischen den Nebeln und dieser Welt auch genau da geschwächt. Pass also auf, ich habe sonst keinen Mitbewohner, falls du eine Hand auf der Schulter spürst." Er musste makaber scherzen, mit Nebelwesen legt man sich schließlich nicht an. Vermutlich hat er das sogar wirklich getan, denn er schüttelte belustigt den Kopf und lachte anschließend sogar einen Moment völlig wahllos auf, ehrlich belustigt, er hat das alles für sich weitergedacht. Dann stellte er zwei große Gläser bereit,
drehte ab und öffnete die Glastür eines Schranks voller Flaschen, Phiolen und Krüge. Eine Flasche und eine Phiole stellten das Gift der Wahl dar. Die Flasche ist noch gut mit orange-roter Flüssigkeit gefüllt, die leicht trüb ist, während die Phiole einzig und allein Pulver beinhaltet. Kleingemahlen, weiß, es könnte alles sein. Zucker, Salz, Knochenmehl.
"Das Pestsiegel. Ein Schädel, richtig? Nekromantisch, die geschundene Verbindung zwischen Leben und Tod. Die eiternde und triefende Pestbeule. Hach.. Heuschrecken." Dabei hielt er kurz inne. Einen Moment, er dachte an etwas, ging dann allerdings weiter zur Küchentheke und goss in jedes Glas von der Flasche ein. Im Anschluss teilte er den Inhalt der Phiole auf beide auf und nahm einen violetten Rührstab, um den Zusatz in der giftig kräftigen Farbe aufzulösen. "Du brauchst ein Ankh. Gerade du, Maya... Wenn die Hässlichkeit dieser Welt das Alter auch zu dir bringt und deine wunderschöne Leinwand einreißt, ist die Ewigkeit ein Trost.“
Sobald sie es allerdings angenommen hatte, schlängelte der Verrückte seine eigene Hand hinter ihrem Glas entlang und verschränkte damit seinen Arm hinter ihrem. Wenn sie also trinken sollten und die Unterarme dafür anwinkeln, sind sie aneinander 'gefangen'. Er kommentierte das auch gar nicht weiter, aber es sollte wohl sicherstellen, dass Maya absolut keinen Rückzieher mehr machen konnte, sobald das Glas angesetzt ist.
"Viele wählen den Rücken. Symbolische Gründe. Entweder also dort oder ich ramme dir die Nadeln wieder in einen deiner saftigen Schenkel. Das sind meine beiden Vorschläge." Aber sie kam nicht mehr dazu zu antworten. "Auf ex." In dem Augenblick hob auch er sein Glas an, kam ihr dafür aber allein wegen des gehörigen Größenunterschieds entgegen.
Für Maya war es befreiend sich in einer Umgebung zu befinden in der sie nicht allein verrückt war. Hier gab es keinen Grund sich zu verstellen und die Stimme der Vernunft siegen zu lassen. Der Glanz in ihren Augen fehlte zwar noch, doch sie wurden zunehmend lebendiger. Sie sinnierte noch über die richtige Stelle, da er aber bereits trank, fand sich ihre Hand an dem roten Stoff seiner Kleidung wieder, hielt sich dort für den Moment im Gleichgewicht und ohne groß darüber nachzudenken was sie gerade zu sich nahm, versuchte sie den mysteriösen Inhalt atemlos in ihre Kehle zu kippen.
Diese Geschichte ist ein Mitschnitt aus dem Rollenspiel mit Border!
Kommentare 4
Border
disclaimer: don't do drugs, kids.
Saso
Ich möchte bitte mehr lesen. Jetzt. 🧐👀
Minna Autor
Du musst dich nicht mehr lange auf die Fortsetzung warten.
Saso
Menno! *Arme beleidigt verschränke und hier sitzen bleibe.*